Wie sich der Klimawandel auf die Tierwelt auswirkt

Unsere Winter werden wärmer, Temperaturschwankungen häufiger. Was bedeutet der Klimawandel für Wildtiere und Vögel in Vorarlberg?
Von Miriam Jaeneke
Das Thema Klimawandel ist sehr komplex, darum gibt es leider keine einfachen Antworten“, sagt die Biologin Johanna Kronberger von Birdlife Vorarlberg auf die Frage, wie sich dieser auf die Tierwelt auswirkt. Trotzdem, einige Antworten gibt es. Kronberger bezieht sich dabei auf die Vogelwelt: „In Vorarlberg ist vor allem in diesem Winter zu sehen, dass immer mehr Kurzstreckenzieher nicht mehr im Mittelmeerraum überwintern, sondern bei uns ihr Glück versuchen.“
So könnten aktuell immer wieder Hausrotschwänze und Stare beobachtet werden. Zusätzlich seien gerade am Bodensee weniger Wasservögel zu sehen, da weiter nördlich gelegene Gewässer wegen der milderen Winter seltener zufrieren und sie darum nicht mehr so weit in den Süden fliegen würden.

Manche bleiben da
In Vorarlberg würden nach dem Winter dann immer mehr Vogelarten brüten, die normalerweise eher weiter südlich zu finden seien, erklärt die Expertin. Dazu gehören beispielsweise Zwergohreule, Orpheusspötter oder Zistensänger. Ein Problem hat allerdings der Kuckuck. Wenn er als Langstreckenzieher aus seinen Winterquartieren zurückkomme, seien seine Wirtsvögel gerade in den Tallagen mit ihrer Brut oft zu weit, als dass er seine Eier dazulegen könnte. „Dies ist auf den immer früheren Brutbeginn vieler Arten aufgrund milder Frühjahre zurückzuführen. Es gibt noch mehr solche Beispiele“, informiert Kronberger.
Durch den Klimawandel ändert sich für die Vogelarten vieles, meint sie. „Es ist allerdings oft schwierig, Veränderungen im Verhalten oder Vorkommen direkt auf den Klimawandel zurückzuführen, da auch viele andere Faktoren wie Lebensraumverlust, Intensivierung der Landwirtschaft, Aufgabe der Bewirtschaftung, Insektensterben und so weiter Einfluss darauf haben können.“

Birdlife sammelt seit Jahren Daten zu den heimischen Vogelarten und deren Bestandsentwicklungen, um damit die Auswirkungen des Klimawandels auf Vögel aufzuzeigen. Damit will die Naturschutzorganisation die Politik wie auch Privatpersonen darauf aufmerksam machen, welche Folgen der Klimawandel auf die hiesigen Vogelarten hat.
Vielfältige Folgen
Die Folgen sind, soweit herausdestillierbar, vielfältig: Da ist zum einen die Veränderung der Zugperioden. Vor allem Kurzstreckenzieher kommen früher an und bleiben auch länger. Dann gibt es die so genannte Desynchronisation: Durch zu späte Ankunft verpassen Langstreckenzieher wie der Trauerschnäpper und der Kuckuck den Gipfel der Raupenverfügbarkeit. Wärmeliebende Arten nehmen zu, zum Beispiel der Bienenfresser. Direkte physiologische Auswirkungen – also dass es dem Vogel schlichtweg zu warm wird – sind selten, kommen aber vor. Beispiele sind der Raufußkauz und das Alpenschneehuhn.

Sinkendes Angebot
Schneefelder, an deren Rändern es ein großes Nahrungsangebot gibt, schmelzen zu früh ab, was ein Problem für Schneesperling und Alpenringdrossel ist. Vögel reagieren aber auch auf die Veränderung der Lebensräume, etwa das Zuwachsen von Alpen, eine erhöhte Laubholz- und Totholzverfügbarkeit im Wald sowie die Austrocknung von Feuchtflächen. Räuber-Beute- beziehungsweise Konkurrenzverhältnisse ändern sich. Außerdem werden neue Krankheiten in größeren Seehöhen erwartet.
Zersiedelung und Versiegelung
Zunehmende Zersiedelung der Landschaft und Bodenversiegelung durch Siedlungs- und Straßenbau haben aber ebenso negative Auswirkungen auf die Vogelwelt wie eine „Überhygiene“ und Verlust von Gebäudebrutplätzen in Siedlungen. „Wichtig ist aus meiner Sicht, dass jeder und jede sein beziehungsweise ihr Handeln in Bezug auf dessen Auswirkungen auf das Klima hinterfragt und sein oder ihr Verhalten in bestimmten Bereichen ändert. Jede kleine Maßnahme hilft“, betont Kronberger. Eine dieser kleinen Maßnahmen wäre das Anbringen von Nistkästen.
Gestörte Winterruhe
Erste Indizien gibt es auch dazu, dass die globale Erwärmung den Winterschlaf und die Winterruhe der Tiere durcheinanderbringt. Forscher um Vladimir Aramilev von der Russischen Akademie der Wissenschaften beobachteten bereits 2005 im südöstlichsten Zipfel Sibiriens nahe der chinesischen Grenze, dass die Bären nicht mehr wie früher üblich ihre Winterruhe halten, sondern ungewöhnlich aktiv sind. Das betrifft vor allem die Männchen, die kaum noch schlafen und stattdessen rastlos die Gegend unsicher machen.

Die Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang zwischen dem Ende der Bärenruhe und höheren Temperaturen beziehungsweise abnehmenden Schneefällen. Durch höhere Temperaturen und weniger Schnee stehen den Tieren nahezu das ganze Jahr über Nahrungsquellen wie Nüsse und Beeren in ausreichender Menge zur Verfügung. Eine Studie zur Thematik gibt es auch von italienischen Wissenschaftlern. Diese wiesen vor Kurzem nach, dass die eigentlich für einen sechs oder sieben Monate dauernden Winterschlaf bekannten Siebenschläfer dort heute fünf Wochen früher aufwachen als noch vor zwanzig Jahren.

Aufgebrauchte Reserven
Ähnliche Untersuchungsergebnisse liegen mittlerweile auch für Hessen vor. Hier kommen die kleinen Schlafmäuse rund vier Wochen vor dem normalen Zeitpunkt wieder zum Vorschein. Mit fatalen Folgen für einige Vogelarten. Denn die Siebenschläfer machen sich in ihren Nisthöhlen breit und vertilgen Eier oder sogar Jungtiere. „Je kälter ein Winterschläfer werden kann, desto mehr Energie kann er einsparen“, erklärt der kanadische Wissenschaftler Murray Humphries von der McGill-Universität in Montreal in den „National Geographic News“. „Ohne Zugang zu kalten Temperaturen haben Winterschläfer ein Problem – ihre Energiereserven könnten vor dem Frühling aufgebraucht sein.“ Denn ein warmer Winter allein garantiert noch längst nicht für jede zu früh aufwachende Art auch einen gut gefüllten Speiseplan. Die meisten Auswirkungen des Klimawandels sind jedoch noch nicht erforscht.
Biodiversitätskrise
„Der Klimawandel ist ein sehr komplexes Thema, das gerade für Privatpersonen oft überwältigend groß wirkt“, stellt Kronberger von Birdlife Vorarlberg dazu noch einmal fest. „Es ist allerdings schade, dass die zweite große Krise neben dem Klimawandel, nämlich die Biodiversitätskrise, weniger im Bewusstsein vieler Leute ist.“