Warum wir wissen wollen, woher wir kommen

Landesverein für Familienforschung traf sich kürzlich im Gasthaus Stern in Bludenz. Die NEUE war dabei.
Das Forschertreffen des Vereins Interessengemeinschaft Ahnenforscher Ländle (Igal) ist eines von jährlich sechs Treffen in jeweils vier Vorarlberger Regionen. Sie finden im Bregenzerwald, in Lustenau, im Vorderland und in Bludenz statt. Diesmal haben sich rund 30 Interessierte und Mitglieder im Gasthaus Stern in Bludenz zum Austausch getroffen. An mehreren Tischen sitzen sie bei Wein und Wasser zusammen. Was auffällt: Es sind viele ältere Semester vertreten und vor allem Männer. 75 Prozent der Vereinsmitglieder sind männlich. Woran das liegt, kann sich Fabio Curman, Leiter des Forschertreffs für die Region Oberland/Bludenz, nicht so recht erklären. Der 21-Jährige ist eines der wenigen jungen Mitglieder. Das Jugendreferat hat er aufgegeben, weil es kaum Nachwuchs gibt. Das jüngste Vereinsmitglied ist 15 Jahre alt, das älteste 93. „Unsere Erfahrung ist, dass Ahnenforschung für viele trocken und befremdlich klingt, dass viele sich nicht recht vorstellen können, was wir machen. Außerdem wurde die Ahnenforschung in der NS-Zeit zu parteieigenen Zwecken missbraucht, was bei heutigen Eltern und Großeltern häufig noch für irritierte Blicke sorgt. Inzwischen hat sich der modernere Begriff ,Familienforschung‘ etabliert.“

Wurzeln im Trentino
Curman berichtet den Anwesenden über die Familienforschung in der Region Trentino, denn viele der heutigen Bludenzer haben dort ihre Wurzeln. Ihre Vorfahren kamen hierher, um zu arbeiten, und blieben. Die Kirchenbücher im Trentino seien in Latein und Italienisch geschrieben und enthielten viele Informationen, erklärt der Leiter des Forschertreffs: Nicht nur das Hochzeitsdatum mit den vollen Namen der Paare, sondern oft auch die der Väter und Vorväter – etwa „Giovanni, Sohn des Francesco, Sohn des Luigi“. Das ist ein Glücksfall, denn so lassen sich die Linien besser zurückverfolgen. Vor allem die Mormonen haben genau Buch geführt und auch digitalisiert. Ihre Kirchenbücher können in der Online-Datenbank „Family Search“ eingesehen werden.
Ab 1924 gab es im Trentino Volkszählungen, in denen festgehalten wurde, wer mit wem zusammenlebte und was arbeitete. Diesen Aufzeichnungen verdankt Curman die Information, dass sein Ururgroßvater Bäcker war und alle zwei Wochen zwischen Vorarlberg und dem Trentino pendelte. Curman erzählt auch vom Suchportal „Nati in Trentino“, das Daten von 1815 bis 1923 enthält und kostenlos und ohne Registrierung genutzt werden kann. Curman erzählt auch von der sogenannten Urmappe, einem Kataster, das die frühere Bebauung zeigt und auch, welches Grundstück wem gehörte. So kann man herausfinden, wo genau die Vorfahren gewohnt haben. Außerdem gibt es viele Amerikaner, die aus dem Trentino in die USA ausgewandert sind und ein großes Interesse an ihrer Herkunft haben. Englischsprachigen Besuchern empfiehlt Curman die Facebook-Gruppe Trentino Genealogy. Dort gibt es immer wieder Tipps für die eigene Suche. „Mit gängigen Tools wie Google Maps findest du jeden Kanaldeckel, aber nicht den Bauernhof deiner Urgroßeltern“, erklärt ein Besucher.

Wie der Vater so der Sohn
Auch Oswald Bitschnau interessiert sich für Familienforschung. Angefangen hat alles damit, dass sein Sohn Robert in der Schule seine Familiengeschichte behandeln musste. Er kam nach Hause und fragte seinen Vater: „Papa, wo kommen wir eigentlich her?“ Seitdem sind Vater und Sohn Mitglieder des Igal-Vereins. „Ich habe mir einen Fotoscanner zugelegt“, erzählt er. „Seitdem schreibe ich bisher verschollen geglaubte Familienmitglieder an und biete ihnen einen Fotoaustausch an. Außerdem stelle ich ihnen bei Interesse meine Ahnenforschungssoftware zur Verfügung. Dafür bekomme ich einen Teil unserer Familiengeschichte erzählt und weitere Fotos.“
Die beiden Freundinnen Susanne Sahranavard und Irmgard Schlick sind zum ersten Mal dabei. „Wir beide sind Einzelkinder. Ich habe auf dem Dachboden eine Schachtel mit Fotos gefunden. Wir beide helfen uns gegenseitig, sind bei der Recherche aber irgendwann steckengeblieben. Da haben wir den Tipp mit der Familienforschung bekommen. Wir nehmen heute Abend viele hilfreiche Hinweise mit zu Recherchetools im Internet und anderen Möglichkeiten der Nachforschung“, erzählt Schlick.
Spannende Recherche
Curman ist Informatiker und sammelt im Nebenberuf für seine Kunden Daten über deren Vorfahren. Wer eine Affinität zu Computern hat, ist in diesem Metier klar im Vorteil. Wer ein authentisches Gefühl für das Leben seiner Vorfahren bekommen will, reist auch mal vor Ort und findet vielleicht Dinge heraus, die er per Mausklick nicht entdeckt hätte. „Je länger du recherchierst und siehst, wie viele Leute früher schon als Kind gestorben sind, desto mehr staunst du über den ungeheuren Zufall, dass es dich überhaupt gibt“, bemerkt Michael Sturn vom Nebentisch. Warum betreibt er Familienforschung? „Die Mutter meiner Großmutter war eine Alton und meine Schwester hat im Sport Alton gearbeitet.
Da wollte ich herausfinden, ob wir gemeinsame Wurzeln haben.“ Sturn verfolgte beide Stammbäume bis ins Jahr 1600 zurück. „Zumindest bis dahin sind wir nicht verwandt“, weiß Sturn. Er durchforstete Heiratsbücher, Taufregister und Sterbebücher. „Dabei taucht man in vergangene Zeiten ein. Wie haben die Menschen damals gelebt? In diesen Welten ist man gleichzeitig aufgehoben und gefangen. Das ist schon eine Art Sucht“.