“Der See ist mein Leben”

Sechs von elf Kapitänen gehen bis 2026 in den Ruhestand. Auch Betriebsleiter Hans Wüstner. Er blickt auf 40 Jahre Schifffahrt zurück und verrät seine Pläne für den Ruhestand.
Es ist noch ruhig am Bregenzer Hafen – die Ruhe vor dem Sturm. Bald werden hier wieder die Schiffsgäste warten. „Saisonstart am 29. März“, heißt es auf einer digitalen Anzeigetafel vor dem Steg zur „MS Austria“, dem Flaggschiff der „Vorarlberg Lines Bodenseeschifffahrt“. Als zuletzt die NEUE das historische Schiff vergangenen Herbst besuchte, stand es gerade in der Werft in Fußach auf dem Trockenen, da es saniert wurde. Jetzt ist das 84-jährige Passagierschiff wieder bereit für viele kommenden Saisonen.

Für Betriebsleiter und Kapitän Hans Wüstner hingegen startet jetzt die letzte Saison. Damit ist er nicht der Einzige, der aktuell in den Ruhestand geht. Von 2023 bis 2026 werden sich insgesamt sechs der elf Kapitäne in den Ruhestand verabschieden. Zwei davon haben bereits die Pension angetreten. Für diesen Generationswechsel wird derzeit gerade schon fleißig neuer Nachwuchs ausgebildet. Immer noch ist es eine männerdominierte Ausbildung – denn der Beruf verlangt Kraft, da schwer getragen werden muss. Denn Kapitän sein ist viel mehr als das reine Lenken eines Schiffes. Im Winter müssen Schiffe etwa saniert oder renoviert werden, während der Saison müssen beispielsweise Treppen verschoben werden. Es habe sich laut Geschäftsführer Alexandro Rupp auch noch nie eine Kapitänin beworben, auch wenn Frauen natürlich willkommen und geeignet wären.

Der Weg zum Kapitänsberuf ist kein kurzer – Auszubildende durchlaufen erst mehrere technische Module. Zu Beginn ist man Matrose, danach Steuermann und Maschinist und erst dann ist der Zugang zur Kapitänslaufbahn möglich – wenn ein Job frei wird. Im Rahmen der Ausbildung ist auch viel Mitfahren und Übung gefragt.
Einspringer, “wenn der Hut brennt”
Wüstner lässt deswegen jetzt zu Saisonbeginn den Jungen den Vortritt hinterm Steuer. Schließlich sollen diese so viel Fahrstunden und Erfahrung wie möglich bis zum Wechsel sammeln. Der 60-Jährige ist schon seit 40 Jahren bei der Bodensee Schifffahrt und springt inzwischen als Kapitän meist nur noch ein, „wenn der Hut brennt“, und verbringt sonst als Betriebsleiter viel Zeit im Büro. Dort schult er die kommende Generation ein.
Aus den vergangenen 40 Jahren bleibt ihm ein Erlebnis besonders im Kopf: Die Schiffsweihe der „Sonnenkönigin“ im Jahr 2008. „Es war eine besondere Ehre für mich, dass ich die Jungfernfahrt machen durfte“, erinnert er sich strahlend zurück, wie er das Schiff nach Friedrichshafen gesteuert hat. Er erzählt vom Medienrummel und der Prominenz und Musik am Schiff. Zu diesem Zeitpunkt sei die „Sonnenkönigin“ das größte Schiff auf Binnenseen in Europa gewesen und er selbst habe zuvor auch schon den Bau miterlebt. „Das war schon der Höhepunkt für meine Karriere“, schwärmt der Wahlhörbranzer.„Das werde ich nicht vergessen“, so der 60-Jährige.
Job mit Verantwortung
Er bezeichnet das Schifffahren als verantwortungsvollen Job, da man teilweise mit etwa 1000 Leuten unterwegs sei. Er erzählt von Krankheitsfällen oder umkippenden Passagieren aufgrund der Hitze. „Der Kapitän hat dafür zu sorgen, dass da Hilfsmaßnahmen getroffen werden, und muss veranlassen, dass Leben gerettet werden.“ Neben dem Ansehen des Berufs hebt er den etwas andere „Schreibtisch“ hervor: „Also wenn man da im Steuerhaus sitzt, zum Fenster hinausschaut und das Büro mit Blick auf den See hinaus hat – was will man da mehr“, lacht er. Der See sei sein Leben, hier sei er aufgewachsen. „Ohne den See könnte ich wahrscheinlich nicht sein.“
Deswegen will er auch noch in der anstehenden Pension viel mit den Schifffahrern auf den See gehen. Ganz auf den See und die Menschen dort kann er nämlich nicht verzichten. Ein Boot will er sich jedoch nicht zulegen. Er hat bereits in der Vergangenheit Boote ausgeliehen und ausprobiert. Doch diese seien ihm zu klein. Schließlich ist er es größer gewohnt. Am Boot spürt man den Wellengang ganz anders. Das Wetter macht aber auch den Alltag als Kapitän abwechslungsreich.

Der jüngeren folgenden Generation will er mitgeben, dass sie die Familienangehörigen wie etwa die Kinder auf den See mitnehmen und so in den Beruf miteinbeziehen. Schließlich hätten die Familienmitglieder Ausweise und dürfen mitfahren. Denn durch Abenddienste und saisonsbedingter vermehrter Zeit am Schiff, kann womöglich sonst die Familie zu kurz kommen. Für seine Liebsten möchte er die dazugewonnene Zeit im Ruhestand auch nutzen. Er erwartet seinen ersten Enkel, dem er viel Zeit widmen will. Auch das Private, für die während des Jobs wenig Zeit blieb, möchte er vermehrt forcieren. Urlaube mit seiner Frau stehen auf der Bucket List. Auch den Sport möchte der ursprüngliche Kennelbacher und Wolfurter wieder aufleben lassen – etwa Fahrradfahren, Laufen und Wandern in den Bergen. Schließlich kam er in den letzten Jahren mehr auf den See als auf die Gipfel.

Saisonstart am Karfreitag
Die MS Austria legt am 29. März um 9.40 Uhr wieder vom Bregenzer Hafen ab, mit Kurs Richtung Konstanz und Meersburg. Die Saison wird bis Oktober dauern. Anlässlich des Saisonsauftakts veranstaltete die „Vorarlberg Lines Bodenseeschifffahrt“ gestern auf der MS Austria eine Pressekonferenz. Highlights in dieser Saison sollen neben den klassischen Events das Krimi-Dinner und das erstmalig veranstaltete Comedy-Dinner sein. Dabei sind über den Winter neu sanierte Schiffe auf dem See unterwegs. Gesamt wurden 970.000 Euro 2023/24 in die Instandshaltung investiert.
Geschäftsführer Alexandro Rupp zog gestern zudem Bilanz zu der vergangenen Saison: 2023 beförderten die Schiffe insgesamt 401.606 Personen. Das war ähnlich wie im Vorjahr: Es wurde ein leichtes Plus von 0,5 Prozent verzeichnet. Grund dafür seien ein durchwachsener Sommer mit Regen und Hitze gewesen. Beim Umsatz verzeichneten die Vorarlberg Lines mit 6.433.000 Euro ein Plus von 17,3 Prozent zu 2022. Dies führt er auf große Veranstaltungen und die Preissteigerung von 6,5 Prozent im Durchschnitt zurück. Das neue Tarifsystem mit drei Zonen von 2023 habe sich bewährt, so Rupp.