„Digitalisierung ist einer der Hebel, um Kinder zu empowern“

Tamara Hammer und Leonie Dreher-Simma wollen Kindern und ihrem Umfeld die Angst vor dem Digitalen nehmen. Ab kommender Woche tun sie das im Fuchsbau in Wolfurt.
Wer den Fuchsbau im Keller des Wolfurter Bütze-Kindergartens betritt, sieht gelbe Wände, eine Kletterwand und eine große blaue Matte. Doch dort wird nicht mehr wie früher geturnt, sondern programmiert und mit Lötkolben, 3D-Drucker, Laser-Cutter, Bauklötzen und Roboter hantiert. Vereinsobfrau Tamara Hammer und Stellvertreterin Leonie Dreher-Simma haben vergangene Dienstag den Schlüssel zu den Räumlichkeiten bekommen. Gerade diese Einfachheit des Raumes gefällt ihnen. So können sie zeigen, dass es gar nicht viel braucht, um digital fit zu werden – es reicht ein ehemaliger Turnsaal mit technischem Equipment.

Neuer eröffnet
Am 21. März gab es eine Eröffnungsfeier. Da wurden der neue Standort und das Konzept beim Bildungsstammtisch diversen Lehrpersonen vorgestellt. Gleich gab es mehrere Anmeldungen für die Workshops, welche die zwei dort anbieten werden. Die Wände müssen zwar noch gemalt werden und das Türschild fehlt noch. Trotzdem wird es keine lange Eingewöhnungsphase geben: Im Fuchsbau wird schon in der kommenden Woche mit drei Veranstaltungstagen gestartet. Am Mittwoch macht eine Schulung für Lehrende den Anfang. Finanziert wird der Fuchsbau von der Gemeinde Wolfurt, die Tür steht aber nicht nur den Wolfurtern, sondern allen Interessierten offen.
Das ist nicht das erste Mal, dass die beiden Workshops in Sachen digitale Medien abhalten. Schon seit 2019 sind Dreher-Simma und Hammer in diesem Bereich gemeinsam tätig. Angefangen hat es noch mit von der Stadt Dornbirn geförderten Schulworkshops. In diesem Rahmen fanden die Bregenzerin und die Wolfurterin zueinander. Die Themen und Bedürfnisse haben sich seither weiterentwickelt.

Erst Ende 2023 haben sie den eigenen Verein „Fuchsbau – Verein zur Förderung von Maker Education und digitaler Bildung“ gegründet. Nun haben sie dafür auch eigene Räumlichkeiten. Die 41-Jährige und die 33-Jährige bieten digitale Bildung sowohl für Schüler und Schülerinnen als auch für Eltern, Jugendarbeiter, Großeltern oder Lehrende an. „Unser Herz schlägt für Kinder, doch es geht um Nachhaltigkeit“, erklären sie. Hammer betont die Wichtigkeit, dass das Umfeld der Kids mit dem Thema offen umgeht. Schließlich merken Kinder, wenn diese mit Furcht auf Technik und Digitales reagieren, wie etwa, wenn der Drucker nicht funktioniert.
Selbst Bedenken gehabt
Während Kinder vorwiegend ohne Berührungsangst auf das Thema zugehen, beobachten die zwei Workshopleiterinnen vermehrt Respekt bei Erwachsenen. Doch dafür haben sie Verständnis. Schließlich ging es ihnen selbst nicht anders, als sie erstmals damit konfrontiert wurden. Hammer ist etwa in einem Coworking-Space mit Informatikern in Kontakt gekommen. Die Szene habe sie erst überfordert, da sie nie ein Fan von Mathematik war. Dann fand sie heraus, dass es reichlich Angebot in diesem Themengebiet für Kinder gibt: „Ich habe mir gedacht, wenn es Kids lernen können, dann kann ich es auch lernen.“ Ebenso Dreher-Simma wurde erstmals ins kalte Wasser geworfen: „Ich dachte mir: Oh Gott, ich bin Lehrerin, soll ich da wirklich in das Thema einsteigen?“
Mehr als Nullen und Einsen
Mittlerweile haben sie gelernt, dass nicht alles mit Nullen und Einsen zu tun hat und wollen anderen die Angst ebenfalls nehmen. „Wir brennen einfach für das Thema“, meint Dreher-Simma. Sie hat inzwischen in allen beruflichen Bereichen mit dem Thema digitale Bildung zu tun – sowohl als Lehrerin an der Volksschule Bütze in Wolfurt, als auch als Abteilungsleitung für digitale Schulentwicklung an der PH.

Ihr liegt besonders die Chancengleichheit am Herzen: „Digitalisierung ist einer der Hebel, um Kinder zu empowern.“ Denn die frühe Konfrontation mit Robotern, Programmieren und Co. soll diesen ein Gefühl von Optionen geben. „Wenn Kinder früh mit solchen Geräten arbeiten, haben sie das Gefühl: Ich kann das auch! Und je jünger sie sind, desto natürlicher und selbstverständlicher ist das.“

Ob die Kinder dann wirklich später eine Karriere im MINT-Bereich einschlagen wollen, ist dann ihre Entscheidung – doch sie sind sich dieser Option bewusst. „Wir wohnen in einer Gegend, in der du mit gewissen technischen und digitalen Grundkenntnissen recht gut den Lebensunterhalt verdienen kannst“, erklärt Dreher-Simma die Relevanz.

Kluft schließen
Durch niederschwellig zugängliche Workshops mit ganzen Klassen sollen alle Schüler mit digitaler Bildung konfrontiert werden. Denn die zwei Gründerinnen wollen mehr, als nur die Kinder zu erreichen, deren Eltern für das Thema bereits sensibilisiert sind. Sie sind überzeugt, dass durch die frühe Konfrontation die Digital Gap verhindert werden kann. „In der Sekundarstufe gibt eine Kluft im Medienhandeln. Da gibt es Kinder, die Medien und Digitalisierung so nützen, dass es sie weiterbringt und es gibt Kinder, die das nicht schaffen, die es eher passiv nutzen und ihre persönliche Entwicklung nicht damit fördern“, erklärt die Lehrerin.

Dabei geht es beiden Initiatorinnen darum, nicht digitale Medien insgesamt zu verteufeln oder zu verbieten, sondern den Fokus auf das Positive zu richten. Denn ein Leben ganz ohne Handy sehen sie als realitätsfern an. Es soll aber darüber informiert werden, welche Inhalte auf Social Media gehören und welche nicht.
Doch statt passivem Konsumieren ist aktives Mitgestalten die Devise: Die Kinder können im Fuchsbau selbst kreieren. „Sie sollen das Gefühl haben, dass sie dieser von Algorithmen und Digitalisierung geprägten Welt nicht ausgeliefert sind, sondern sie mitgestalten können“, führt Dreher-Simma aus. Dies bestätigt auch Hammer: „Viele Kinder konsumieren Spiele am Handy. Aber wir programmieren Spiele.“ Mit Platine, Computer und Controller wird getüftelt. Das Highlight ist: Die Kinder können die Spiele zu Hause nutzen. Und davor kehr Stille beim Produzieren ein: „Die sind fasziniert.“ So kann es vorkommen, dass aufgeweckte Kinder ruhig werden und dem Laser-Cutter gespannt zusehen.
