Bludenzer Bürgermeister: “Ich betreibe keine Showpolitik”

Simon Tschann über Leerstand im Handel, sein einstiges Vorbild Sebastian Kurz und über die Ermittlungen, die nun schon seit zwei Jahren gegen ihn laufen.
Bludenz verliert wichtige Geschäfte und Frequenzbringer wie C&A und Sportler Alpin. Die Wirtschaftsgemeinschaft fordert Maßnahmen. Was können Sie als Bürgermeister tun?
Simon Tschann: Leeerstand von Handelsflächen in der Innenstadt ist kein neues Phänomen und betrifft nicht nur Bludenz, auch wenn bei uns jetzt gerade mehrere Geschäfte zeitgleich die Pforten schließen. Die Wirtschaftslage ist insgesamt herausfordernd. Die Mieten sind hoch, die kann ich nicht beeinflussen. Zudem gibt es einen massiven Personalmangel.
Man hört, es gibt Kommunikationsprobleme zwischen Wirtschaftsgemeinschaft (WIGE) und Stadtmarketing. Müssten Sie da nicht vermitteln als Bürgermeister?
Tschann: Wichtig ist jetzt auf jeden Fall, dass alle jetzt noch stärker miteinander kommunizieren. Es müssen ausnahmslos alle an einem Strang ziehen. Die WIGE, die Unternehmer, das Stadtmarketing und die Politik.
Wie schwierig ist es in Bludenz, Betriebe anzusiedeln? Die Flächen sind knapp und die Kaufkraft geringer als im Rheintal.
Tschann: Stimmt, im Rheintal ist die Kaufkraft aufgrund der Einwohnerzahl und der Nähe zur Schweiz eine deutlich höhere. Unsere Analyse zeigt, dass die Kaufkraft in Bludenz gut ist und dass jene Menschen, die bei uns einkaufen, wiederkommen. Klar ist aber auch, dass wir mehr Vielfalt in die Innenstadt bringen müssen.

Betriebsansiedlungen fallen in Ihren Verantwortungsbereich. Inwieweit nehmen Sie es auf Ihre Kappe, dass die Innenstadt offenbar nicht ausreichend belebt werden kann?
Tschann: Für alle Dinge, die in einer Stadt gut oder schlecht laufen, ist am Ende des Tages der Bürgermeister verantwortlich. Dieser Verantwortung stelle ich mich. Ich werde mich bemühen, aber lösen kann ich das Problem nicht alleine. Wir müssen den Impuls setzen, das ist klar. Aber ich appelliere auch an die Unternehmer, sich einzubringen. Und ich bitte auch alle Bludenzerinnen und Bludenzer, in unserer Stadt einzukaufen, auf unsere Veranstaltungen zu kommen und gut darüber zu sprechen.
Das Thema Betriebsansiedlungen stand auch ganz oben auf dem Zehn-Punkte-Programm Ihres Wahlkampfes. Wie viele dieser Punkte konnten Sie bis dato umsetzen?
Tschann: Diesen Zehn-Punkte-Plan haben wir vor der Coronakrise, der Energiekrise und der schwierigen wirtschaftlichen Lage gemacht. Im Zuge der Wahlverschiebung aufgrund der Pandemie haben wir diesen Plan angepasst und auf sechs Punkte reduziert. Natürlich – und da bin ich ganz offen und ehrlich – ist es nicht möglich, alle Punkte umzusetzen, gerade in diesen ganzen Krisenzeiten. Da hat, glaube ich, auch jeder Verständnis. Wir haben aber beispielsweise sehr viel in den Bildungs- sowie Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich investiert. Strategische Liegenschaften wurden erworben oder beispielseise das Studententicket als Vorreiter in Vorarlberg zum halben Preis umgesetzt.

In dem Programm war auch von einem kostenlosen Stadtbus die Rede.
Tschann: Im zweiten Wahlprogramm hatten wir diesen Punkt übrigens nicht mehr drin. Was den ÖPNV betrifft, ist mehr Kooperation mit den umliegenden Gemeinden gefragt. Das haben wir mit der Einführung einer neuen Stadtbuslinie zwischen Bludenz und Bürs erfolgreich umgesetzt.
Welche Projekte können Sie sich auf Ihre eigenen Fahnen heften, worauf sind Sie stolz?
Tschann: Stolz macht mich, dass die politische Stimmung in Bludenz grundsätzlich eine sehr gute ist. Wir haben eine sehr gute Diskussionsbasis. Aber es sind auch tolle und wichtige Projekte in der Umsetzung, etwa die Erweiterung der Volksschule Mitte. Das ist das größte Hochbauprojekt, das wir je hatten. Zudem bauen wir gerade ein neues Feuerwehrhaus, einen Jugend- und Freizeitplatz und und und.
Da sind aber jetzt einige Projekte dabei, die schon vor Ihrer Zeit aufgegleist wurden.
Tschann: Ja, schon, aber irgendwer muss es umsetzen und durchziehen. Wir hatten allein bei der Volksschule Mitte eine Kostensteigerung von 18 auf 22 Millionen Euro.
Sie haben das gute politische Klima angesprochen. Die Nachwahl von Andrea Mallitsch (ÖVP) zur Vizebürgermeisterin zeigte ein anderes Bild. Die SPÖ ortete „politisches Kalkül“, die Grünen zeigten sich besorgt über die Machtkonzentration der ÖVP.
Tschann: Da möchte natürlich jeder das Beste rausholen für sich. Wir haben da eine ordentliche Diskussion geführt. Andrea Mallitsch hat sich als Stadträtin profiliert und war aus meiner Sicht die beste Kandidatin für dieses Amt.
Warum?
Tschann: Sie hat mein absolutes Vertrauen. Das braucht es für diese Position. Und sie macht einen super Job.

Wie schaut es finanziell aus in der Alpenstadt?
Tschann: Es ist herausfordernd. Wie für alle Gemeinden. Wir haben steigende Zinsen und Personalkosten, hohe Kosten bei den Investitionen und sinkende Ertragsanteile. Dass sich die Wirtschaftsunternehmen in Bludenz gut entwickeln, hilft uns sehr. Die Einnahmen über die Kommunalsteuer steigen stetig. Aus dem Finanzausgleich hätte ich mir mehr Geld erwartet. Das wird nicht reichen.
Sie haben Sebastian Kurz einmal als Ihr politisches Vorbild bezeichnet. Wie wir heute wissen, hat er einen großen Scherbenhaufen hinterlassen und wurde sogar nicht rechtskräftig verurteilt.
Tschann: Der Umstand, dass es mit Kurz einen jungen Kanzler gab, hat mich damals schon sehr motiviert. Dazu stehe ich auch heute noch. Ich möchte jetzt aber nicht darüber sprechen, was er gut oder schlecht gemacht hat.
Sie sind 2020 als Polit-Neuling im Kielwasser des damaligen Kanzlers zum Wahlsieg gesegelt. Glauben Sie, dass Sie das ohne den Kurz-Hype auch geschafft hätten?
Tschann: Am Ende des Tages entscheiden die Wähler. Ich bin jedenfalls nicht wegen Kurz angetreten, sondern, weil mir Bludenz am Herzen liegt und ich die Stadt gestalten möchte. Die Stimmung, die es damals gab, hat mir aber sicher geholfen.
Alles, was Kurz politisch anfasste, war auf PR ausgelegt. Kritiker sagen Ihnen Ähnliches nach.
Tschann: Ich betreibe keine Showpolitik. Dann wäre ich nicht so viele Stunden im Büro. Aber als Bürgermeister bin ich eben auch Repräsentant der Stadt. Dinge zu kommunizieren, gehört zu meiner Aufgabe. Die Bludenzerinnen und Bludenzer würden sofort merken, wenn etwas nicht authentisch ist. Und letztlich wird man ja nach seinen Taten gemessen. Klar ist: Auch ich bin nicht perfekt und habe schon Fehler gemacht. Manches habe ich mir vielleicht auch anders vorgestellt.
Was zum Beispiel?
Tschann: Im Gegensatz zur Privatwirtschaft benötigt die öffentliche Hand einen längeren Atem und Durchhaltevermögen, da von der Idee bis zur Umsetzung ganz viele Laufmeter bewältigt werden müssen. Da geht es um Beschlüsse, Förderungen und Kooperationen. Es braucht Zeit, bis da alle abgeholt sind. Es ist eines meiner Ziele, dass wir künftig Entscheidungen noch schneller vorantreiben, und das auf allen Ebenen.

Im Zusammenhang mit einem Bauprojekt in der Fohrenburgstraße ermittelt die Staatsanwaltschaft Feldkirch nun schon seit mehr als zwei Jahren gegen Sie. Es geht um den Verdacht des Amtsmissbrauchs. Sie waren von Anfang an überzeugt, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt wird. Bisher ist noch nichts dergleichen passiert.
Tschann: Das verstehe ich auch nicht. Wie ich schon öfters erwähnt habe, wurde die Sache von mehreren Instanzen geprüft. Egal ob BH, Landesverwaltungsgericht oder Landesvolksanwalt: Alle sind sie zum Schluss gekommen, dass wir richtig gehandelt haben und die Entscheidung den gesetzlichen Rahmenbedingungen entspricht.
Und wie geht es Ihnen persönlich damit?
Tschann: Es ist sehr unangenehm. Ich hoffe, dass das Verfahren rasch abgeschlossen wird.
Der Fall ist nicht besonders komplex. Finden Sie die lange Verfahrensdauer noch verhältnismäßig?
Tschann: Ich maße mir nicht an, die Staatsanwaltschaft anzugreifen. Ich war immer für eine ordentliche Prüfung. Mittlerweile stellt sich aber schon die Frage, wie lange das noch dauern wird.
Wurden Sie bereits einvernommen?
Tschann: Nein. Ich nehme aber an, dass das bald passieren wird. Ich bin bereit.

Haben Sie die Einstellung des Ermittlungsverfahrens beantragt?
Tschann: Ja, haben wir. Aber der Antrag wurde abgewiesen.
Warum?
Tschann: Aufgrund des noch laufenden Verfahrens kann ich dazu leider noch nichts sagen.
Treten Sie 2025 wieder an?
Tschann: Ich bin sehr motiviert, wieder Bürgermeister zu werden. Mein Herz schlägt für diese Stadt. Wir haben viele Projekte zum Laufen gebracht und haben noch einiges vor.