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Faszination Motorrad: die Balance von Reiz und Risiko

02.06.2024 • 14:00 Uhr
Peter Helhle, Motorrad
Peter Hehle mag den Adrenalinkick. Handout

Die Jahreszeit lockt vermehrt die Motorradfahrer auf die Straßen. Doch auf zwei Rädern ist besondere Vorsicht geboten. Drei Biker erzählen von brenzligen Situationen.

Immer wieder waren zuletzt Schlagzeilen wie „Motorradfahrer von Autos eingeklemmt“ oder „Bleifuß wurde Motorrad beschlagnahmt“ zu lesen. Ende April und Anfang Mai startete die Motorradsaison bereits mit gleich zwei tödlichen Motorradunfällen in Vorarlberg.

Gerade zu Saisonstart, wenn das Motorrad wieder nach dem Winterschlaf aus der Garage geholt wird, fehlt dem einen oder anderen Motorradfahrer die Übung. Wenn sich dann ein Motorradfahrer womöglich selbst überschätzt, kann es für den Lenker gefährlich werden. Schließlich fehlen ihm die Knautschzone, Sicherheitsgurte oder ABS. Der Bremsweg ist bei einer Vollbremsung mit dem Motorrad länger als bei einem Pkw und auf zwei Rädern ist die Stabilität geringer. Außerdem ist die Bodenhaftung bei kälteren Temperaturen eine andere als im Hochsommer, wenn die Sonne den Asphalt auf hohe Temperaturen erhitzt.

Glück im Unglück

Dass sich die Bodenhaftung anders verhält, hat der passionierte Motorradfahrer Peter Hehle im Oktober 2019 auf die harte Tour lernen müssen – nämlich bei einem Motorradunfall. Der erfahrene Biker, der im Jahr bis zu 12.000 Kilometer auf zwei Rädern zurücklegt, überholte mit erhöhter Geschwindigkeit. Dann wurde er von einem Baustellenbeginn mit roter Ampel überrascht. Die Vollbremsung endete, indem er sich überschlug, erinnert er sich zurück. Der 63-Jährige hatte Glück und kam mit Prellungen davon, das Motorrad hatte einen Totalschaden.

Nerven behalten!

Seitdem ist Hehle bedachter auf zwei Rädern unterwegs – obwohl der Lochauer auch nach dem Unfall noch die Geschwindigkeit liebt, gibt er zu. Doch gerade wenn der Asphalt kälter ist, behält er im Hinterkopf, dass die Haftung geringer ist. Ebenfalls hat er sein Überholverhalten inzwischen geändert und legt einen gro­ßen Wert auf qualitative Reifen und dass diese warm gefahren sind, bevor er sich in der Kurve in Schräglage wagt.

Deswegen fährt er aktuell noch nicht derart schnell wie im Hochsommer. Ob seine 63 ahre ihn vernünftiger als noch in den 20ern als Führerscheinneuling machen? „Nein“, erwidert er lachend. Er sei immer noch ein Adrenalinjunkie, habe aber ein besseres Gespür für das Risiko und wisse, wann er „den Gashahn zudrehen muss und wann nicht“. Angst dürfe man keinesfalls haben, ist er überzeugt. Denn zögerliche und falsche Reaktionen können gefährlich sein. Stattdessen sei es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Motorrad Sicherheit
Noah Mais verreist auch gerne mit dem Motorrad. Handout

Ebenfalls eine gute Selbstwahrnehmung kann ein Schlüssel für eine sichere Ausfahrt sein. „Es gibt Tage, an denen man merkt, es läuft nicht so. Dann muss man die Courage haben und die Tour abbrechen.“ Bei Gruppenausfahrten ist dann die Rücksicht gefragt. „Man darf sich nicht hetzen und treiben lassen, dass man über die eigenen Verhältnisse fährt“, so der Lochauer. Gerade zu Saisonbeginn nimmt er wahr, dass die Routine fehlt und einige Biker über die eigenen Verhältnisse fah­ren. Neulingen rät er, erst langsam zu beginnen und Routine zu sammeln und nicht bei der Ausrüstung zu sparen.

Gruppenzwang

Dass man sich in der Anfangszeit nicht von der Gruppe zu riskanten Überholmanövern verleiten lassen soll, bestätigt der Motorradfahrer Sebastian Maidel. Der 25-Jährige spricht damit auch die leis­tungsschwächeren Maschinen und das unterschiedliche Können zu Beginn an. Junge Biker würden teilweise mit den „älteren und coolen“ mithalten wollen. Keinesfalls sollte Druck gemacht werden. „Mit den richtigen Kumpels sollte es klar sein, dass man auf andere wartet und über die Spiegel in Sichtkontakt bleibt“, erklärt er.

Sebastian Maidl, Motorrad
Sebastian Maidel in seinem Element. Handout


Eine entsprechende Schutzausrüstung trägt er immer. Die Lederkombi ist für den Lindauer auch bei kurzen Ausfahrten ein Muss, denn Freunde von ihm wurden schon bei Stadtfahrten im ruhigen Verkehr von Autofahrern übersehen. „Der Asphalt reibt so schnell Textil und Haut auf“, erklärt er, warum kurze Hosen im Sommer keine gute Idee sind. Die Lederkombi ist ebenfalls bei seinen jährlichen Fahrten in den Urlaub Pflicht.

Für andere mitdenken

Bei der letztjährigen Reise nach Sardinien begleitete ihn unter anderem Noah Mais. Der Hörbranzer ist gerne mit dem Motorrad in den Bergen unterwegs. Dabei gefällt ihm am besten, dass er dann 100 Prozent auf das Fahren fokussiert ist: „Es ist ein enormes Freiheitsgefühl und man spürt den Fahrtwind.“ Dabei denkt er für andere Verkehrsteilnehmer mit, die womöglich nicht derart bei der Sache sind. Gerade in den Bergen würden Bauern teilweise mit den Traktoren beim Arbeiten einfach ohne Blickkontrolle von der Wiese auf die Straße auffahren.

Ebenfalls hat er bereits erlebt, dass Pkw ihm bei Kreuzungen den Vorrang genommen haben. Die Erfahrungen wirken sich auf sein eigenes Verhalten am Steuer aus. „Wenn ich im Auto sitze, denke ich auch als Motorradfahrer“, erklärt er, warum er in bestimmten Situationen etwa nicht überholt. Dem 20-Jährigen ist bereits ein Autofahrer in der Kurve auf seiner Fahrbahn entgegengekommen: „Das war knapp.“ Auch von anderen Autofahrern würde er sich wünschen, dass sie in unübersichtlichen Kurven nicht überholen und nicht auf der anderen Spur abkürzen.

Peter Helhle, Motorrad
Peter Hehle hat zwei Motorräder. Handout


Hehle teilt diese Meinung: Neben dem Kurvenschneiden auf Passstraßen spricht er auch das Linksabbiegen an: „Oft liest man, der Motorradfahrer wurde übersehen“, sagt er und dementiert dies: „Das tun die Autofahrer nicht. Sie sind teilweise ignorant und unterschätzen die Geschwindigkeit und biegen noch schnell vor dem Motorrad ab.“ Durch den längeren Bremsweg kann dies knapp werden.

Statistik

Mehr tödliche Unfälle

Ein Blick auf die vergangenen Motorradsaisonen zeigt, dass 2023 die Zahl der tödlichen Unfälle in Österreich angestiegen ist. 2023 sind in Österreich laut dem KFV 82 Menschen bei Motorradunfällen gestorben. Das sind 49 Prozent mehr als die 55 Personen im Jahr davor. Beim Betrachten der Statistik ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Jahr 2022 im historischen Vergleich ungewöhnlich wenig Unfälle mit getöteten Motorradfahrer und Motorradfahrerinnen gab, was zu diesem überproportional starken Anstieg im Jahr darauf führt. Die Zahl der verletzten Biker stieg in Österreich im Jahr 2023 um acht Prozent von 3882 auf 4179 Personen.

Drei Tipps für sichere Motorradausfahrten

1. Drei Bestimmungen für Biker:
ÖAMTC:
Beim Verkehrszeichen „Überholverbot“ dürfen Motorradfahrer von allen Fahrzeugen überholt werden, dürfen selbst aber nur einspurige Fahrzeuge überholen. Busspuren dürfen von Bikern nicht benutzt werden, es sei denn, es ist erlaubt und beschildert. Motorradfahrer dürfen an stehenden Kolonnen vorbeifahren und zwischen Pkw durchschlängeln, solange der Seitenabstand eingehalten wird. Sperrlinien dürfen nicht überfahren werden, Radwege sowie Mehrzweckstreifen sind tabu.


2. Tipps für Gruppenfahrten:
ÖAMTC:
Im Pulk ist jeder für sich verantwortlich. Bei Überholmanövern oder an Kreuzungen muss sich jeder davon überzeugen, dass die Strecke frei ist. Prinzipiell muss man bei Gruppenfahrten aufeinander Rücksicht nehmen und sich bezüglich Tempos, Fahrzeit und Tageskilometern abstimmen. Die Gruppe sollte fünf Teilnehmer nicht übersteigen. Sind mehr Biker unterwegs, ist es besser, Kleingruppen zu bilden, die sich bei verabredeten Stopps wieder treffen. Für ungeplante Stopps sollten Zeichen vereinbaren.


3. So soll die Gruppe strukturiert sein:
ÖAMTC:
An der Spitze und am Ende einer Gruppe fahren routinierte Biker, die dafür sorgen, dass die Gruppe nicht auseinanderreißt. Der Ortskundigste führt die Gruppe an. Die Geschwindigkeit richtet sich nach dem Langsamsten. Langsame Biker fahren vorne. Hinten ist die Geschwindigkeit schneller.