Feldkircher Agrar-Causa: Verfahren wird wohl Jahre dauern

Seit gut einem Jahr werden die seinerzeitigen Grundübertragungen der Stadt Feldkirch an die Agrargemeinschaft Feldkirch vom Land geprüft. Um was es geht, was bisher geschehen ist und wie die Erfolgschancen stehen.
Am 4. Juli 2023, also vor mehr als einem Jahr, hat die Feldkircher Stadtvertretung einen historischen Beschluss gefasst. Einstimmig sprachen sich die Mandatare dafür aus, in der Agrarfrage das Land anzurufen. In einem sogenannten Feststellungsverfahren soll geklärt werden, ob die Grundteilungen zwischen der Stadt Feldkirch und den Agrargemeinschaften Altenstadt, Tisis und Tosters im Jahr 1960 rechtens waren. Was seit dem Beschluss geschehen ist, wie die Erfolgsaussichten für die Stadt sind und was eigentlich festgestellt werden soll, hat die NEUE im Folgenden zusammengefasst.
1. Was ist seit dem Beschluss vor mehr als einem Jahr passiert?
Antwort: Die Agrarbehörde, also die Abteilung Landwirtschaft und ländlicher Raum im Amt der Landesregierung, hat nach eigenen Angaben „umgehend das jeweils erforderliche Ermittlungsverfahren eingeleitet“. In einem ersten Schritt wurden die betroffenen Agrargemeinschaften (Altenstadt, Tisis und Tosters) vom jeweiligen Antrag in Kenntnis gesetzt. In der Folge hatten die Agrargemeinschaften die Möglichkeit, entsprechende Stellungnahmen und Gegenäußerungen abzugeben, die der Stadt Feldkirch im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt wurden. Bereits bei den ersten Stellungnahmen kam es zu einer zeitlichen Verzögerung. So hat nur die Agrargemeinschaft Altenstadt die Frist (Ende September 2023) eingehalten, die wesentlich kleineren Agrargemeinschaften (Tisis und Tosters) haben um Fristerstreckung angesucht und ihre Stellungnahmen erst Monate später abgegeben.
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2. Wie geht es nun weiter und wie prüft die Agrarbehörde den Sachverhalt?
Antwort: Das Verfahren ist laut Agrarbehörde „äußerst komplex“. Zu den „langwierigen Ermittlungsschritten“ müsse den Verfahrensparteien weiterhin Parteiengehör gewährt werden, erklärt Abteilungsleiter Wolfgang Burtscher. Sowohl die Stadt Feldkirch als Antragstellerin als auch die Agrargemeinschaften könnten ihre Anträge ergänzen oder ändern. Neben den von den Parteien angebotenen Beweismitteln hat die Agrarbehörde den Sachverhalt nicht nur nach der Aktenlage zu prüfen, sondern auch von Amts wegen weitere Erhebungen durchzuführen (z.B. Zeugeneinvernahmen, Einsichtnahme in weitere Unterlagen aus Archiven etc.) Die Ermittlungen werden dann – wiederum unter Beiziehung der Verfahrensparteien – gewürdigt und schließlich rechtlich beurteilt. Dabei hat die Behörde auch die einschlägige und veröffentlichte Judikatur der Höchstgerichte zu berücksichtigen.

3. Bis wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?
Antwort: Laut Abteilungsleiter Burtscher kann derzeit nicht seriös abgeschätzt werden, bis wann die erstinstanzliche Entscheidung (Bescheid) vorliegen wird. Nach den bisherigen Erfahrungen – auch in anderen Bundesländern – können bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Bescheides mehrere Jahre vergehen. Der Bescheid der Landesregierung kann zunächst vor dem Landesverwaltungsgericht und in weiterer Folge vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bzw. Verfassungsgerichtshof (VfGH) bekämpft werden.
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4. Was will die Stadt Feldkirch eigentlich erreichen?
Antwort: Ziel ist die endgültige Klärung der Rechtmäßigkeit der im Jahre 1960 durchgeführten Grundaufteilungen zwischen der Stadt und den Agrargemeinschaften Altenstadt, Tisis und Tosters. Die Stadt Feldkirch ist der Ansicht, dass damals keine gültige Hauptteilung (vermögensrechtliche Auseinandersetzung) durchgeführt wurde und ihr unter anderem die Erträge aus der Substanz der agrargemeinschaftlichen Grundstücke, wie etwa aus dem Schotterabbau oder Pachteinnahmen, zustehen.
Konkret will die Stadt unter anderem einen Anteil an den Überschüssen der Agrargemeinschaft Altenstadt, sämtliche Rücklagen sowie 1,7 Millionen Euro plus Zinsen und sieben Grundstücke.
Konkretes Beispiel: Unter anderem soll eine Zahlung von 1,56 Millionen Euro rückabgewickelt werden, die die Stadt Anfang der 2010er Jahre an die Agrargemeinschaft Altenstadt für die Errichtung des Platzes IV im Waldstadion geleistet hat. Bei diesem Betrag handelte es sich um einen Wertausgleich, da das getauschte Grundstück in Göfis weniger wert war als jenes in Gisingen. Die Stadtgemeinde beansprucht auch das Tauschgrundstück im Ausmaß von rund fünf Hektar.
Auch bei den Agrargemeinschaften Tisis und Tosters will die Stadt auf Rücklagen zurückgreifen.

Die Forderungen stützen sich auf ein Gutachten des emeritierten Universitätsprofessors und ehemaligen Richters am Verfassungsgerichtshof, Siegbert Morscher (die NEUE berichtete). Der in Bludenz geborene Jurist hat bereits Ende der 1970er Jahre ein Gutachten für die Stadt Feldkirch erstellt. Auch damals ging es um die Agrargemeinschaft Altenstadt. Das Gutachten mündete schließlich in eine Klage, aufgrund derer 1982 erstmals Grundübertragungen an Agrargemeinschaften für verfassungswidrig erklärt wurden. Diese Entscheidung hatte jedoch in der Praxis kaum Konsequenzen.

5. Wie steht die Agrargemeinschaft Altenstadt dazu?
Antwort: Die Agrargemeinschaft Altenstadt vertritt den Standpunkt, dass bei der Eingemeindung der Ortsteile die gegenständlichen Grundstücke als „Sondervermögen“ der Fraktion Altenstadt übertragen wurden und daher nie Gemeindegut der Stadt Feldkirch waren. In weiterer Folge sei durch die ordentliche Hauptteilung im Jahr 1960 die heutige Situation rechtskonform herbeigeführt worden. Robert Ess, Obmann der rund 1300 Mitglieder zählenden Agrargemeinschaft, zeigte sich stets kämpferisch. Mehrfach sprach er von einer „Enteignung“, gegen die er sich mit aller Kraft wehren werde. Auch die Agrargemeinschaft Altenstadt kann sich auf ein Gutachten stützen. Verfasst hat es der emeritierte Universitätsprofessor Karl Weber. Der Jurist war Mitglied der Expertenkommission in der Corona-Causa in Ischgl und hat unter anderem auch schon für die Agrargemeinschaft Bürs, auf deren Grund sich der Zimbapark befindet, ein Rechtsgutachten in Agrarfragen erstellt.

6. Hat die Stadt Feldkirch Aussicht auf Erfolg?
Antwort: Für den Verfassungs- und Verwaltungsjuristen Peter Bußjäger sind die Argumente der Stadt Feldkirch „gut abgesichert“. Er räumt dem Antrag „gewisse Erfolgsaussichten“ ein. Weniger überzeugt hat den Juristen hingegen der Standpunkt der Agrargemeinschaft Altenstadt.
Hintergrund
Die Frage, ob Kommunen ein Anteil an den Erlösen der nicht nur mehr forstwirtschaftlich tätigen Agrargemeinschaften zusteht, ist eine ebenso hochkomplexe wie konfliktgeladene Angelegenheit. Wie explosiv das Thema ist, zeigte sich – im wahrsten Sinne des Wortes – bei den Nachbarn in Tirol. Im Jahr 2011 ging im Landtagsbüro der Liste Fritz eine Briefbombenattrappe ein. Das Schreiben trug den Absender „Agrar Tirol“ und ein Hakenkreuz. Adressiert war das Paket an den damaligen Landtagsabgeordneten Andreas Brugger, der als Anwalt mehrere Tiroler Gemeinden in gerichtlichen Auseinandersetzungen gegen Agrargemeinschaften vertreten hatte.
Im Fall der Gemeinde Mieders endete ein Rechtsstreit im Jahr 2008 mit einer richtungsweisenden Erkenntnis. Der Verfassungsgerichtshof stellte damals fest, dass die Gemeinden und nicht die Agrargemeinschaften über das Gemeindegut verfügungsberechtigt sind. Soll heißen: Alle Substanzerlöse und Einnahmen aus Verpachtungen, Grund, Holz- oder Schotterverkäufen stehen den Kommunen, also der Allgemeinheit zu.
Während Tirol das entsprechende Gesetz reparierte, blieb in Vorarlberg alles beim Alten. Betroffene Gemeinden – laut den Ergebnissen einer Kommission gibt es davon mehr als ein Dutzend – waren und sind hierzulande auf sich selbst gestellt. In einigen Kommunen wie etwa in Nenzing wurden Kompromisse geschlossen. Einzelne Bürgermeister forderten eine landesweite Lösung, doch die Rufe verhallten im Nichts.