Lokal

Warum es die Landjugend gibt und wo sie heute steht

18.08.2024 • 07:30 Uhr
Internationales Handmähen, Sense, Feld, Wiese, Ab 10 Uhr werden die Sensen in den verschiedensten Alters- und Gruppenklassen geschwungen. Um 20:00 Uhr findet die Siegerehrung statt.
Das Traditionsmähen ist immer ein Highlight.Steurer

Die Vorarlberger Landjugend ihr 50-jähriges Bestehen. Mit ihren knapp 2500 Mitglieder sind sie aus dem ländlichen Leben nicht wegzudenken. Ihr Erfolgsrezept besteht aus Gemeinsinn und Professionalität.

Den Stellenwert der Jungbauern heben. Mit diesem Ziel im Sinn trafen sich vor 50 Jahren eine Handvoll Nachwuchsagrarier im Egger Löwensaal. Dort legten sie den Grundstein der Vorarlberger Landjugend. Heute stehen rund 2500 Jugendliche in ihren Fußstapfen.

Ein Vorbild aus Tirol

Jakob Franz Greber war Landtagsabgeordneter und Bürgermeister von Schwarzenberg. In den ersten zwei Jahren der Landjugend diente er als Schriftführer. An die Anfänge kann sich der Wälder noch gut erinnern: „Früher gab es nur den Absolventenverein der Landwirtschaftsschule Mehrerau. Da waren alle Jahrgänge dabei, auch Rentner. Das war wertvoll, die ländliche Jugend wurde davon aber nicht angesprochen. Anton Natter, Reinhard Summer und andere Mitglieder des Gründungskomitees gingen in Tirol zur Schule. Dort gab es schon eine Jungbauernschaft. So etwas sollte es auch in Vorarlberg geben, haben sie gesagt.“

Jakob Franz Greber
Jakob Franz Greber Privat

„Wir haben in den ersten zwei Jahren schon 100 Veranstaltungen ­organisiert.“

Jakob Franz Greber,
Gründungsmitglied

„Es ging rapide aufwärts“

Von Beginn an setzte der Verband auf ein umfangreiches Bildungsangebot und gesellschaftlichen Austausch. Sogar die Gründung der Landwirtschaftsschule in Hohenems wurde von den Jungbauern angeregt. „Wir haben in den ersten zwei Jahren schon 100 Veranstaltungen organisiert. Es ging rapide aufwärts“, berichtet Greber stolz. Nach dem ersten Jahr zählte der Verband über 250 Mitglieder. Wer glaubt, dass nur um junge Männer dabei waren, irrt. In der Landjugend gab es von Anfang an eine Doppelspitze. So wurde der Verband im ersten Jahr von Margit Schwärzler aus Lingenau und Anton Natter aus Egg geführt.

Wo Karrieren beginnen

Die Landjugend ist eine Kaderschmiede. Nicht nur politisch. Schon die Gründungsgeneration brachte Persönlichkeiten hervor, deren Vision einer Landwirtschaft weit auseinandergingen. Reinhard Summer diente der Vorarlberg Milch 30 Jahre lang als Obmann. In dieser Funktion vertrat er die Interessen der Milchbauern. Kasparnaze Simma dagegen wurde zu einer Leitfigur der Umweltbewegung. Auf seinem Hof in Andelsbuch verzichtete er auf Traktoren und setzte auf das Pferd. Ursprünglich konnte man nur Mitglied werden, wenn man aus der Landwirtschaft kam. Außerdem war man verpflichtet, der ÖVP beizutreten. Diese Zwänge fielen 1982. Erich Schwärzler diente in dieser Periode als Referent. Er selber machet Karriere in der Volkspartei und war von 1988 bis 1993 Abgeordneter im Nationalrat. Danach wechselte Schwärzler in den Vorarlberger Landtag, wo er bis 2018 als Landesrat diente. Simma dagegen kehrte 1983 der ÖVP den Rücken und zog ein Jahr später für die Grünen in den Landtag. Großes Aufsehen erregte der Andelsbucher, als er einfach gekleidet Käse an Anzug tragende Politiker verteilte. Mittlerweile hat sich Simma aus der Politik zurückgezogen.

Christina Dünser Landjugend
Christina Dünser ist die Landesleiterin der Vorarlberger Landjugend. Gemeinsam mit Landesobmann Michael Meusburger führt sie die Geschicke der Jugendorganisation. Rogen

Man lernt anzupacken

Michael Meusburger aus Egg-Großdorf und Christina Dünser aus Ausßerbraz bilden die aktuelle Doppelspitze. Die beiden sind 23 Jahre alt und schon sehr erfahren. Dünser ist gelernte Seilbahntechnikerin und Bürokauffrau. Mit 14 wurde sie Vorstandsmitglied im Klostertal. „Ohne die Landjugend wäre ich ein anderer Mensch. Bei uns lernt man anzupacken und trifft beeindruckende Personen. Gleichzeitig kann hier jeder mit jedem reden, ohne Panik zu bekommen“, schwärmt die Brazerin. Meusburger ist Landesleiter der Österreichischen Hagelversicherung in Vorarlberg und arbeitet als Monteur für Akustik und Schallschutztechnik. Wie auch Dünser hilft er am Bauernhof seiner Familie kräftig mit. Zur Landjugend kam der Wälder während seiner Zeit an der Landwirtschaftsschule in Hohenems. Schnell stieg er in den Vorstand der Bezirksgruppe Bregenzerwald auf.

Landjugend Vorarlberg
Der Vorstand: Raphael Schmidle (l.), Lena Maria Sutter, Christina Dünser, Susanne Lampert, Markus Moosbrugger, Carolina Trauner, Lukas Maier, Franziska Nigsch und Michael Meusburger. rogen

„Eine Mordsgaudi“

Sie organisieren Redewettbewerbe, internationalen Jugendaustausch, Handmähwettbewerbe, besuchen Mitglieder auf Alpen und vieles mehr. Besonders der Wettbewerb mit der Sense hat es Meusburger angetan. „Der Bregenzerwald ist eine Grünlandregion. Da hat das Handmähen Tradition. Zu unserem jährlichen Wettbewerb kommen Teilnehmer aus Innerösterreich, Slowenien, der Schweiz und vielen anderen Ländern. Wir Vorarlberger haben einige Europameister hervorgebracht. Es ist jedes Jahr viel Arbeit, aber eine Mordsgaudi“, strahlt der 23-Jährige.

Internationales Handmähen, Sense, Feld, Wiese, Ab 10 Uhr werden die Sensen in den verschiedensten Alters- und Gruppenklassen geschwungen. Um 20:00 Uhr findet die Siegerehrung statt.
Der Umgang mit der Sense will gelernt sein.Rogen

Wandel nicht aufzuhalten

Mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder stammen nicht aus der Landwirtschaft. Gleichzeitig werden immer mehr Lebensmittel von Menschen produziert, sie sich nicht als Teil der bäuerlichen Kultur sehen. Seien es Quereinsteiger, die auf kleinen Flächen Gemüse für den direkten Vertrieb anbauen oder Pilzzüchter, die alten Industriehallen neues Leben einhauchen. Meusburger glaubt nicht, dass dieser Wandel aufzuhalten ist: „Einzelne versuchen auf dem Markt Fuß zu fassen, sie wollen ein Einkommen erzielen. Die Entwicklung ist stückweit sehr positiv. Speziell Pilzzucht finde ich nicht uninteressant.“

Innovative Mitglieder

Unter den Namen Agrarkreise besucht die Landjugend Bauernhöfe und lebensmittelverarbeitende Betriebe. Die Exkursionen sind begleitet von Fachvorträgen und lebendigen Diskussionen. Für die traditionsbetonten Jugendlichen ist es kein Widerspruch, sich mit moderner Technik zu beschäftigen. Wenn von Melkrobotern die Rede ist, wissen alle Bescheid. „Bei uns in der Gemeinschaft lernt man immer interessante Sachen kennen. Unsere Mitglieder sind sehr innovativ“, schwärmt der Großdorfer.

WG: Landjugend
Bei der Landjugend kommen alle Talente zur Geltung. Landjugend

Männlich, weiblich, divers

Im Jahr 2020 wurden 70 Prozent der 3200 Vorarlberger Agrarbetriebe von Familien geführt. Dabei hängt die Rollenverteilung immer weniger vom Geschlecht ab. Meusburger ist stolz darauf, dass viele Höfe von Frauen geführt werden. Für Dünser steht fest, dass bei der Landjugend Geschlecht keine Rolle spielt: „Ob männlich, weiblich oder divers, uns ist das Geschlecht egal.“ Dennoch gehen Männer eher zum Klauenpflegekurs, während viele Frauen sich mehr für das Nähen ­interessieren. Mit Kreativtagen soll ein Angebot geschaffen werden, das es Teilnehmenden ermöglicht, das ganze angebotene Spektrum zu erfahren. „Wir wollen alle Interessen berücksichtigen und etwas Gemeinsames anbieten“, erklärt die Landesleiterin.