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Wie eine Brücke zum Paradies für Schwalben wurde

24.08.2024 • 07:00 Uhr
Mehltauben unter der Rheinbrücke Hard-Fußach
Dieser Ort gehört die Mehlschwalben. Die angeschraubten Holzleisten eignen sich dieal für den Nestbau. Schleichert 

Unter der neuen Rheinbrücke in Fußach befindet sich die vermutlich größte Mehlschwalbenkolonie Vorarlbergs. Die NEUE sprach mit dem Vogelkundler Alwin Schönenberger über das Leben der bedrohten Art.

Autokolonnen düsen jeden Tag über die neue Rheinbrücke zwischen Hard und Fußach. Ihre Unterseite dagegen ist das Reich der Mehlschwalben. Im ganzen Land soll es keine größere Kolonie geben, davon ist Alwin Schönenberger überzeugt. Der 72-Jährige ist bei BirdLife aktiv und widmet sich seit über 50 Jahren der Vogelkunde. In dieser Funktion half er laufend mit, die Brutbestände im Land zu zählen. Als klar wurde, dass die Überführung neu gebaut wird, gab er den bedrohten Schwalben eine Stimme.

Neue Bauten für alte Bewohner

„Wir haben den Naturschutz-Sachverständigen darüber informiert, dass hier ein Brutplatz ist. Es ist vorgeschrieben, dass man die Nester nicht einfach entfernen darf“, erklärt Schönenberger. Das Land hat reagiert und das neue Bauwerk seinen alten Bewohnern angepasst.

Brücke zwischen Fußach und Hard auf der Fußacher Seite
Alwin Schönenberger ist begeistert. Hartinger

Ideale Bedingungen

Wenn man vom Fußacher Rheinvorland kommend unter die Brücke geht, sieht man Holzriemen und künstliche Nester von der Decke hängen. Ideale Bedingungen für Schwalben. Nach ihrer Rückkehr aus Afrika haben sie ohne langes Zögern den Neubau bezogen. „Während der Hauptsaison im Juni lebten 30 Paare in den künstlichen Nisthilfen. Weitere zehn haben dazugebaut. Letztes Jahr waren es sogar 20“, schwärmt der Ornithologe.

Brücke zwischen Fußach und Hard auf der Fußacher Seite
Aus der Nisthilfe wurde ein Reihenhaus. Hartinger

Wie sie Menschen helfen

Schwalben nisten bevorzugt an Bauten, egal ob im Rheindelta oder am Arlberg. Man findet sie überall, wo Menschen dauerhaft siedeln, meist an Wänden aus Holz oder rauem Beton. Dort sind sie vor Katzen oder Mardern sicher. Einzig andere Flugtiere wie Falken oder Elstern können ihnen dort etwas anhaben. Die Rauchschwalbe zum Beispiel bevorzugt Stallgebäude. „Wir sehen, dass die Akzeptanz der Landwirte groß ist. Sie sehen, wo die Vögel fliegen, gibt es weniger lästige Fliegen“, lobt der Naturschützer. Die Vögel fressen Mücken, Blattläuse, schwärmende Ameisen und andere Insekten, die Menschen als störend empfinden. Trotz ihres nützlichen Verhaltens werden sie immer weniger.

Sauberkeit als Problem

Mehltauben unter der Rheinbrücke Hard-Fußach
Für den Bau ihrer Neste brauchen die Tiere Lehm und …Schleichert 
Brücke zwischen Fußach und Hard auf der Fußacher Seite
… und Wasser. Hier finden sie beides in unmittelbarer Nähe. Hartinger

„Seit 1998 ist fast jede zweite Mehlschwalbe aus Österreich verschwunden“, mahnt BirdLife. In Wolfurt etwa wurden sie seit 20 Jahren nicht mehr gesichtet. Der 72-Jährige weiß, woran das liegen könnte: „Die Tiere haben das Problem, dass mittlerweile alles zu sauber ist. Überall wurden Wege asphaltiert. Hier unter der Brücke dagegen gibt es Schlammflächen und Pfützen.“ In diesen finden die Vögel Wasser zum Trinken und Baumaterial für ihre Nester.

In vier Wochen zum Eigenheim

Für den Bau einer Heimstätte benötigen die Tiere ungefähr vier Wochen. Je nach Wetterlage und Verfügbarkeit von Schlamm variiert die Dauer. „Diese Zeit fehlt den Vögeln bei der Brut. Darum ist es wichtig, dass die Nester im Winter belassen werden“, warnt Schönenberge.

Mehltauben unter der Rheinbrücke Hard-Fußach
Der Eingang ist so gebaut, dass größere Raubvögel nicht hinein kommen. Schleichert 
Brücke zwischen Fußach und Hard auf der Fußacher Seite
Die Vögel brauchen viel Nahrung, denn der Flug in den Süden verlangt viel von ihnen ab.Hartinger

Eine späte Brut

Das feuchte Frühjahr machte den Tieren zu schaffen. Wenn es regnet, fliegen weniger Insekten, und es gibt kaum Futter für die Tiere. „Der Juni war für alle Vögel sehr schlecht. Mir haben Stallbesitzer gesagt, dass in ihren Höfen einige Schwalben ihre Nistplätze aufgegeben haben. Auch die Mehlschwalben haben später als üblich mit der Brut begonnen. Das hat sicher viele Junge gekostet“, seufzt der Ornithologe. Dafür wächst jetzt unter der Brücke eine Nachzucht heran.

Sie ziehen bis nach Südafrika

Die Beuteflüge der Fußacher Vogeleltern reichen teilweise bis zum Bodensee. Dort finden sie Futter, mit dem sie ihren Nachwuchs für die weite Reise gen Süden stärken. Im Herbst ziehen sie in die Gebiete südlich der Sahara. Manche schaffen es bis nach Südafrika. Das ist eine ordentliche Leistung. Viele schaffen es im Frühjahr nicht mehr zurück ins Rheintal. Ihre alten Nester werden dann von anderen Schwalben übernommen.

Es war sagenhaft

Als Schönenberger Anfang der siebziger Jahre ins Bundesheer einzog, hatte er schon ein eigenes Fernglas. Seit der Jugend widmet er seine Freizeit der Vogelkunde. Aufgewachsen in Lauterach, konnte er im Ried seiner Neugier freien Lauf lassen. „Es war sagenhaft. Was ich da an Bekassinen, Braunkehlchen und Uferschnepfen gesehen habe, das ist mit heute nicht zu vergleichen“, erinnert sich der Ornithologe zurück. Mittlerweile seien viele Wiesenbrüter kurz vor dem Verschwinden. Eine Ausnahme ist der Storch: „Es gab in der Schweiz ein Projekt zur Auswilderung. Von dort ist er zu uns zurückgekommen. Man hat den großen Vögeln Nesthilfen angeboten, die sie sofort angenommen haben. Jetzt muss man gar nichts mehr für sie tun, denn sie bauen mittlerweile eigene Nester. Offensichtlich hat sich der Storch an die moderne, intensive Grünlandwirtschaft perfekt angepasst.“

Langweilig wird einem nie

In seinen frühen Jahren gab es nur wenige Lernunterlagen. Damals musste er auf kleine Papierkarten aus den vierziger Jahren zurückgreifen. „In den 60ern erschienen dann die ersten richtigen Vogelbücher, allerdings meist auf Englisch“, erinnert sich der Ornithologe zurück. Heute ist die Situation völlig anders: „Man wird regelrecht verwöhnt. Es gibt eine Fülle an Büchern, hervorragende Ferngläser, die besten Fotoapparate und sogar Apps zur Vogelbestimmung.“
Trotz all dieser Hilfsmittel beklagt der pensionierte Hochspannungstechniker, dass sich nur wenige junge Menschen für die Vogelkunde begeistern: „Es ist ein wunderbares Hobby, selbst wenn die Bestände zurückgehen. Man kann es überall ausüben – im Urlaub, in der Stadt oder bei einer Bergtour. Langweilig wird einem dabei nie.“