Von holprigen Anfängen zur Apotheker-Dynastie

Die Unternehmenshistorikerin Friederike Hehle hat die 100-jährige Firmen- und Familiengeschichte der Braun-Apotheke in Lustenau in einem Buch aufgearbeitet.
Die Anfänge der ersten öffentlichen Apotheke in Lustenau verliefen gelinde gesagt eher holprig. 1909 in der Schillerstraße 16 errichtet, ging gleich der erste Betreiber in Konkurs. Sein Nachfolger starb jung und der nächste wollte auf einmal weg aus Lustenau. Der vierte führte sich dann ziemlich ungut auf und ging auch noch in Konkurs, sodass er letztlich davongejagt wurde. 1924 erwarb dann der aus Bregenz stammende Karl Braun die Apotheke und begründete damit eine bis dato 100-jährige erfolgreiche Firmen- und Familiengeschichte.

Anlässlich dieses Jubiläums wurde die Unternehmenshistorikerin Friederike Hehle („historizing – Agentur für Geschichte“) damit beauftragt, die Firmen- und Familiengeschichte für ein Buchprojekt zu recherchieren und zu schreiben. Über diese Arbeit wird sie auch in einem Archivgespräch am 25. November informieren (siehe Factbox). Im von Kurt Dornig äußerst ansprechend gestalteten, bilderreichen Werk wird die über 100-jährige abwechslungsreiche Geschichte der Apotheke anhand von vier Themenbereichen anschaulich und lebendig erzählt.
Archivgespräch
„Die Braun Apotheke – Ein Streifzug durch ein Jahrhundert Lustenauer Pharmaziegeschichte“. Im Rahmen eines Archivgesprächs gibt Friederike Hehle Einblicke in ihre Forschungen zur Firmen- und Familiengeschichte der Braun-Apotheke. Mit anschließender Diskussion.
Montag, 25. November, 18.30 Uhr, Rathaussaal, Lustenau.
Den Anfang der Erzählung bildet die Vorgeschichte über jene vier Apotheker, die vor der Familie Braun das Unternehmen jeweils recht kurz betrieben haben. 1924 übernahm dann Karl Braun, der gleichnamige Großvater des jetzigen Betreibers, die damalige Herz-Jesu-Apotheke. „Das wird ein schwieriger Posten“, sei ihm damals prophezeit worden, erzählt die Buchautorin.

Im zweiten und größten Teil der Publikation, der Personengeschichte, wird der Fokus auf die verschiedenen Mitglieder der Familie Braun gelegt. Der 1886 geborene Karl Braun war der Sohn eines in der Bregenzer Kornmarktstraße ansässigen Weinhändlers und der erste Apotheker in der Familie. Der Letzte sollte er aber nicht bleiben, vielmehr war er der Begründer einer ganzen Apotheker-Dynastie, die mittlerweile in vierter Generation an zahlreichen Orten tätig ist.

Vor seinem Antritt in Lustenau hatte Karl Braun aber schon in mehreren Städten gearbeitet, darunter in Graz, Bozen, Innsbruck, Fischern bei Karlsbad oder Salzburg. „Apotheker waren in der Donaumonarchie unglaublich mobil“, erklärt die Historikerin dazu. Bereits 1933 trat Karl Braun der NSDAP bei. Dass auch solche Punkte im Buch nicht ausgespart werden, ist der Familie hoch anzurechnen. Inwieweit er sich wirklich engagierte, ist nicht bekannt. 1946/47 war er jedenfalls eine Zeitlang mit einem Berufsverbot belegt. In dieser Zeit wurde seine Frau Maria, die ausgebildete Apothekerin war, als Leiterin eingetragen. Sie führte den Betrieb auch weiter, als ihr Mann im Jahr 1951 starb.

Sohn Herbert übernahm dann 1959 die Leitung der Apotheke. Von dessen fünf Kindern studierten wiederum drei Pharmazie: Eine Tochter ging nach Tirol, Sohn Werner übernahm die Stadtapotheke in Bregenz und Sohn Karl die Braun-Apotheke in Lustenau. Und auch in der nächsten Generation finden sich wieder Apothekerinnen und Apotheker. In Lustenau ist es Valentin Braun, der in die Fußstapfen seines Vaters Karl getreten ist und in vierter Generation die Apotheke übernehmen wird.

Nach der Personengeschichte geht es im dritten Themenbereich des Buches um die Baugeschichte. Die Apotheke war nämlich nicht immer an jenem Platz, an dem sie heute ist. Der älteste Standort war wie eingangs berichtet in der Schillerstraße. Es folgten zwei Wechsel, bis sie 1933 dorthin kam, wo sie heute noch ist, nämlich in die Maria-Theresien-Straße 13. Zwei Mal wurde sie in den darauffolgenden Jahren von der Familie Braun umgebaut, 1970 und 1999.

Den letzten Teil des Buches bildet die Produktgeschichte. Da findet sich etwa ein Rezept von 1928 für ein Haarwasser. „Früher waren Apotheken auch Drogerien“, erzählt Hehle dazu. Das war auch bei der heutigen Braun-Apotheke so, die damals zwei Eingänge hatte: einen für die Apotheke und einen für die Drogerie, die von Herbert Brauns Bruder Hermann geleitet wurde, der später eine Drogerie in Bregenz übernahm. Hermann Braun war es auch, der um 1960 in Lustenau den ersten Kondomautomaten errichtete, wie man im Buch erfährt. Mit dem Aufkommen der Drogeriemärkte verschwinden dann auch die eigenständigen Drogerieabteilungen in den Apotheken – und der zweite Eingang.

Ein weiteres Kapitel in diesem Abschnitt widmet sich der Corona-Zeit, in der vermehrt Produkte selber hergestellt wurden. Diese „magistrale Zubereitung“, so der Fachbegriff, also die Herstellung eines Arzneimittel in einer Apotheke aufgrund einer ärztlichen Verschreibung, habe man schon immer gepflegt, sagt der jetzige Inhaber Karl Braun. „Dieses Know-how und diese Fertigkeit wollten wir uns erhalten. Das ist für uns nicht Arbeit, sondern Freude, auch wenn es teilweise eine Herausforderung ist.“

Das spannende und auch für Nicht-Lustenauer äußerst lesenswerte Buch „100 Jahre Braun Apotheke“ ist in der Apotheke und im „Botta“ in Lustenau um 28,90 Euro erhältlich.
“Nicht nur Schachteln verkaufen”
Drei Fragen an Karl Braun, den jetzigen Inhaber der Braun-Apotheke in Lustenau
Warum haben Sie sich entschieden, Ihre Firmengeschichte in Buchform aufarbeiten zu lassen?
Karl Braun: Grundsätzlich gab es da einen Kunden, der uns immer wieder Informationen zur Apotheke gebracht hat, unter anderem auch jene Anzeige, mit der mein Großvater 1924 die Eröffnung der Apotheke bekanntgegeben hat. Das hat dann die Gedanken für ein Buchprojekt in Gang gesetzt. Wir haben uns selbst ansatzweise damit beschäftigt, aber das ist viel Arbeit. Von Frau Hehle hatten wir schon mehrfach gehört und sie hat auch ein Buch über die Apotheke meines Bruders gemacht. So hat sich dieses Projekt zum 100-Jahr-Jubiläum entwickelt.
Ist im Lauf der Recherche auch für Sie Überraschendes aufgetaucht?
Braun: Sehr erstaunt waren wir über die Vorgeschichte der Apotheke. Nicht nur, dass es damals wirtschaftlich schwierig war, das wussten wir. Es hat den Kollegen auch ein rauer Wind entgegengeblasen, wie die Recherchen ergeben haben. Da gab es kein eindeutiges Bekenntnis zu einer Apotheke in Lustenau.
Wie hat sich die Arbeit in der Apotheke seit Ihren Anfängen verändert?
Braun: Es hat sich natürlich viel bei den Medikamenten und bei der Technik, der Elektronik getan. Schon bei meinem Vater gab es eine Art elektronischer Bestellung über das Telefon. Das war eine extreme Erleichterung. Als ich angefangen habe, gab es die ersten PCs. Mittlerweile haben wir Servernetzwerke, E-Card usw. Wichtig ist uns aber nach wie vor, dass wir nicht nur Schachteln verkaufen, sondern uns um den Kunden kümmern. Und das kommt auch auf positive Weise zurück.