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Insolvenzen als Geschäftsmodell: “Das darf nicht sein”

04.01.2025 • 12:00 Uhr
Insolvenzen als Geschäftsmodell: "Das darf nicht sein"
Bernhard Heinzle

AK-Präsident Bernhard Heinzle fordert klare Rahmenbedingungen für eine stabile Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit. Ein Blick auf Insolvenzen, Stiftungsmillionen und notwendige Reformen.


Wie sind Sie ins neue Jahr gestartet?
Bernhard Heinzle: Gut und entspannt und im Kreise meiner Familie. Das ist sehr traditionell und ein guter Start.

Was haben Sie sich persönlich vorgenommen für das Jahr 2025?
Heinzle: Mit Mut und Energie an Lösungen zu arbeiten.

Lösungen braucht es in vielen Bereichen. Wo liegen ihres Erachtens die größten Herausforderungen?
Heinzle: Wir müssen vom Krisen- in den Gestaltungsmodus wechseln. Es geht um Themen, die dringend angegangen werden müssen: Leistbares Wohnen, Energiepreise, Digitalisierung sowie um den Fachkräftemangel, beispielsweise in der Pflege.

Das Wirtschaftsjahr 2024 war österreichweit von zahlreichen Insolvenzen geprägt. Wie erleben Sie das und wie sehr fordert diese Entwicklung die AK?
Heinzle: Es ist eine enorme Herausforderung. In Vorarlberg erleben wir wöchentlich zwei Insolvenzen. Das zwingt uns, intern Personal umzuschichten. Wir wünschen uns, dass eine stabile Regierung Rahmenbedingungen schafft, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Gleichzeitig sehen wir, dass einige Unternehmen Insolvenzen zur Sanierung nutzen – das betrifft leider auch Vorarlberg. Es gibt Firmen, die jahrzehntelang Rekordgewinne schreiben und dann in einer wirtschaftlich schlechteren Lage Insolvenz anmelden. Die Allgemeinheit trägt dabei den Schaden, während die Unternehmen ohne Schulden neu starten können. Gleichzeitig liegt das Vermögen oft in Stiftungen, die dann Wohnungen in Vorarlberg oder auch Hotels in Wien finanzieren. Das darf nicht sein. Auch deshalb müssen wir über eine Vermögenssteuer diskutieren. Es soll aber nicht den Häuslbauer treffen, da geht es um große Vermögen. Ich weiß, dass auch einige wohlhabende Personen in Vorarlberg durchaus bereit wären, einen Beitrag zu leisten – allerdings nur, wenn sie wüssten, wie das Geld verwendet wird. Denn auch sie haben teilweise kein Vertrauen mehr in die Politik.

Insolvenzen als Geschäftsmodell: "Das darf nicht sein"

Sie kommen viel herum, sind mit den Leuten im Austausch. Was hören Sie da so?
Heinzle: Die Menschen sind zum Teil sehr frustriert und sauer. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um den sozialen Frieden. Heute kann sich in Vorarlberg jeder Politiker und Unternehmer problemlos auf dem Fußballplatz unter die Leute mischen. Wenn wir so weitermachen, werden das einige nicht mehr machen können, da ihnen dann das Bier und die Wurst nachgeworfen wird. Das wünsche ich mir nicht.

Was wünschen Sie sich von der künftigen Bundesregierung?
Heinzle: Mut und Optimismus. Sie sollte Entscheidungen treffen, die uns in fünf Jahren wieder zu einer der wettbewerbsfähigsten Region machen und die den Menschen zugutekommen.

Zum Thema Wohnen: Was erwarten Sie sich hier von Schwarz-Blau im Land?
Heinzle: Die schwarz-grüne Regierung hatte versprochen, pro Jahr 800 gemeinnützige Wohnungen zu bauen. Geworden sind es an die 450 pro Jahr. Jetzt gibt es gar keine Zielvorgaben mehr. Wichtig sind aber nicht nur Zahlen, sondern sichtbare Fortschritte: Also konkrete Baustellen und neue Konzepte für leistbares Wohnen.

Wo könnte man konkret ansetzen?
Heinzle: Warum kostet der Kubikmeter Beton in Vorarlberg viermal so viel wie in Salzburg? Wir brauchen eine Preistransparenz-Datenbank – und einen Mietpreisdeckel. Strategien und klare Umsetzungen sind gefragt.

Insolvenzen als Geschäftsmodell: "Das darf nicht sein"

Der Bodenfonds wurde im letzten Jahr gegründet, eine langjährige Forderung der AK. Nach der Wahl hat man den Chef präsentiert – ein ehemaliger ÖVP-Bürgermeister.
Heinzle: Mich interessieren die Ergebnisse, nicht die Personen. Außer Ankündigungspolitik habe ich vom Bodenfonds noch nicht viel mitbekommen.

Zum Arbeitsmarkt: Wie kann der Personal- und Fachkräftemangel bekämpft werden?
Heinzle: Vorarlberg hat österreichweit den größten Anteil an Personen mit höchstens einem Pflichtschulabschluss. Wir müssen daher massiv in die Qualifizierung investieren. Beim Fachpersonal in der Kinderbetreuung gibt es jetzt Fortschritte. Wir als Arbeiterkammer haben schon vor zehn Jahren gefordert, Frauen schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen, wenn sie das möchten.


An welchen Schrauben müsste man noch drehen?
Heinzle: Neben der Qualifizierung braucht es mehr Flexibilität bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern, etwa beim Pensionsalter. Auch bei der Digitalisierung müssen wir vorwärtskommen. Unternehmen müssen hier aktiv mitgestalten.

Die Netzentgelte für Strom steigen mit 2025 deutlich. Was bedeutet das für Vorarlberger Haushalte?
Heinzle: Die Strompreise sind aufgrund von Förderungen derzeit stabil, aber die Netzkosten steigen. Wir sehen das sehr kritisch, denn das könnte die Inflation weiter anheizen. Es wäre wünschenswert, wenn die Politik eingreifen und etwa die Förderungen um ein Jahr verlängern würde. Dafür braucht es allerdings politischen Mut.

Insolvenzen als Geschäftsmodell: "Das darf nicht sein"

Nicht nur die Einnahmen der Energieversorger steigen, sondern auch jene der AK – und zwar stärker als die Inflation. Wie wird das Geld eingesetzt?
Heinzle: Wir haben in den letzten Jahren sehr viel in die Digitalisierung und in den Ausbau der Services investiert. Wir haben mehr Mitarbeiter eingestellt, da die Komplexität der Anfragen stetig zunimmt. Insbesondere im Steuerrecht und Konsumentenschutz

Nimmt auch die Anzahl der Anfragen zu?
Heinzle: Ja, und zwar extrem. Deshalb werden wir unseren Service in diesem Jahr weiter ausbauen.

Investiert hat die AK auch am Standort in Feldkirch. Es gibt jetzt einen aufwändig gestalteten Platz und eine Grünfassade, auch der große Saal wurde renoviert.
Heinzle: Im September 2024 wurde das AK-Quartier eröffnet – mit der größten grünen Fassade in Vorarlberg und einem besonderen Platz, der Nachhaltigkeit und Lebensqualität vereint. Wir wollten nicht nur reden, sondern handeln. Diese Investitionen sind abgeschlossen, größere Projekte sind in den nächsten Jahren nicht geplant.

Was hat das neue Quartier gekostet?
Heinzle: Die Errichtungskosten belaufen sich auf etwa mehr als 2,5 Millionen Euro, die grüne Fassade kostete netto 482.400 Euro.

Die AK hat hohe Vertrauenswerte in der Bevölkerung. Könnte sie nicht auch mit freiwilliger Mitgliedschaft ausreichend Menschen von ihrem Service überzeugen?
Heinzle: Die Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer ist in der Verfassung verankert. In Österreich gibt es sowohl freiwillige Interessensvertretungen als auch gesetzliche Interessensvertretungen wie die Arbeiterkammer. Letztere finanzieren sich über Pflichtmitgliedsbeiträge. Mit diesen Beiträgen haben wir gesetzlich definierte Aufträge. Es ist alles transparent bis hin zum Gehalt d es Präsidenten und des Direktors.

Andersherum gefragt: Angenommen, es gäbe keine Pflichtmitgliedschaft mehr in der AK – wie würde sich das auf die Arbeit der Kammer auswirken?
Heinzle: Wenn beispielsweise die neue Regierung auf die Idee käme, die Kammerumlage prozentual zu senken, müssten wir unsere Dienstleistungen einschränken.