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Kritik an den Extrempositionen zum Thema Nachhaltigkeit

26.02.2025 • 16:45 Uhr
Kritik an den Extrempositionen zum Thema Nachhaltigkeit
Stefan Grabher. wpa

Stefan Grabher vom Heimtextilienhändler Mary Rose sieht die Nachhaltigkeit zwischen fanatischen Befürwortern und rigorosen Ablehnern zerrieben 

Stefan Grabher, der Gründer und Miteigentümer des Dornbirner Heimtextilienhändlers Mary Rose darf in Vorarlberg als einer der Pioniere des Nachhaltigkeitsgedankens bezeichnet werden. Seit vielen Jahren führt er das Familienunternehmen im Sinne einer ganzheitlich betrachteten Nachhaltigkeit, die nicht nur die Bereiche Ressourcen, Umwelt und Kreislaufwirtschaft, sondern auch Menschenrechte und internationale Arbeitsbedingungen mit einschließt. Viele Auszeichnungen – jüngst für das Beteiligungsunternehmen Studio Tyrler  in Innsbruck – können dafür als Beweis herangezogen werden.

“Zwischen zwei Extrempositionen zerrieben”

Allerdings sieht Grabher (Jg. 1965) den Nachhaltigkeitsgedanken im wirtschaftlichen Leben massiv bedroht. Und seine Kritik geht dabei nicht nur in jene Richtung, die man bei einem solchen Unternehmer erwarten würde. “Die Nachhaltigkeit wird zwischen zwei Extrempositionen zerrieben und das geht dann soweit, dass immer mehr Menschen das Thema nicht mehr hören können, weil es so stark politisch und ideologisch aufgeladen wurde”, redet sich Grabher den Ärger von der Seele.

Ignoranten gegen Fanatiker

Auf der einen Seite sei es jene Position, die jegliche Auswirkungen des Menschen auf Umwelt, Natur und Klima schlichtweg ignorieren oder gar abstreiten würde und kein Problem damit habe, so weiterzuwirtschaften wie bisher. “Diese Position schädigt ein nachhaltiges Wirtschaften aber gleichermaßen wie die Gegenposition.” Nämlich eine politisch befohlene Nachhaltigkeit um jeden Preis, begleitet vom Moral-Zeigefinger, selbst wenn diese am Ende des Tages auf einen verordneten Suizid des bestehenden Wirtschaftssystems hinauslaufen würde.

Das gleiche Bild sehe man bei der Frage Wirtschaftswachstum oder nicht. Die Ansicht, man brauche Wirtschaftswachstum um jeden Preis, sei “gleich doof” wie die Erzählung, man müsse ein 30-prozentiges Degrowth anstreben. “Man sieht derzeit, was es für das Gesundheits- und Sozialsystem, die Kommunen und auch den Lebensstandard bedeutet, wenn die Wirtschaft nur kurze Zeit um wenige Prozentpunkte zurückgeht.”

Politikerinnen und Politiker ohne privatwirtschaftliche Erfahrung

Jegliches Verständnis fehle ihm auch dafür, wenn “Politikerinnen und Politiker, die in ihrem Leben noch nie in einem im Wettbewerb stehenden Unternehmen tätig waren, geschweige denn eines gegründet oder geführt haben”, sich Gedanken darüber machen, wie Nachhaltigkeit in der Wirtschaft abzulaufen habe und das dann auch noch verordnen wollen. Als überzeugter Unternehmer glaube er an die Kraft eines pragmatisch-marktwirtschaftlichen Zugangs, der nicht ständig mit schlechtem Gewissen und Weltuntergangsszenarien arbeitet, sondern mit einem positiven Belohnungssystem. Es brauche die positive Inspiration. Das wiederum führe zu qualitativ hochwertigem Wachstum mit geringen Auswirkungen auf die Umwelt.

Die Kraft maßgeschneiderter Zölle

Für diese Transformation der Wirtschaft hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft benötige man keine Lieferkettengesetze, keine monströsen Berichtspflichten und auch keine “öffentlichen” Bestrafungen von Unternehmen, die es mit der Nachhaltigkeit nicht so genau nehmen. Denn das sei schlussendlich nur ein Milliardengeschäft für Consulter und Anwaltskanzleien. “Für die Nachhaltigkeit, die Chancengleichheit und den Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Europas bräuchten wir nur maßgeschneiderte Zölle”, ist Grabher überzeugt.

Wer überprüfbar nachweisen könne, dass er nachhaltig produzierte Waren nach Europa importiere, zahle nur geringe oder bestenfalls gar keine Zölle. “Bei allen anderen Fällen sollte man stufenweise Zölle bis hinauf auf 100 Prozent einführen.” Das mache nachhaltig produzierte Produkte preislich wettbewerbsfähig und die Entscheidung liege dennoch bei der Kundschaft, welches Produkt sie wähle. “Die ständigen moralisierenden Belehrungen der Kundinnen und Kunden laufen ins Leere. Sie müssen das Gefühl haben, selbst entscheiden zu dürfen, was sie kaufen.” 

NGOs müssen geprüft und transparent sein

Eine solche Entscheidungshilfe sei dieser “Nachhaltigkeits-TÜV”. Die Nachweise könnten von international zertifizierten NGOs geprüft und bestätigt werden, die sich selbst ihrerseits einer regelmäßigen Kontrolle und Zertifizierung unterziehen müssten, so Grabher. Bei den NGOs müsse dabei auch vollständige Transparenz hinsichtlich ihrer Finanzierung gewährleistet sein. Als Kriterien für den “Nachhaltigkeits-TÜV” gelten die Kreislauffähigkeit mit positiver “final Destination” (z.B. Verrotten), die Art und Herkunft der Rohstoffe, der Einsatz von Energie und Chemie bei der Produktion sowie Arbeitsbedingungen und Einkommenssituation in den Lieferantenländern.

Auch die oftmals beobachtete Technologie- und Fortschrittsfeindlichkeit sei ein Hemmschuh für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. “Nachhaltigkeit ist immer eine Mischung aus Bewahren und Innovation sowie neuen Technologien”, meint Grabher.

Die Firmengruppe Paptex/Mary Rose/Tyrler beschäftigt insgesamt 30 Mitarbeitende und betreibt zwei Fachhandelsgeschäfte in Dornbirn und Innsbruck. Zuletzt wurde ein Gruppenumsatz von mehr als 17 Millionen Euro erzielt.  wpa/red