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Fasten als Trend: Wie Verzichten unseren Körper und Geist beleben kann

02.03.2025 • 12:00 Uhr
Birgit Kubelka
Birgit Kubelka ist Diätologin und ärztlich geprüfte Fastenleiterin. aks

Mit dem kommenden Aschermittwoch beginnt wieder die Fastenzeit – für viele ein Anlass, auch weniger zu essen. Fragen rund ums Fasten beantwortet die Diätologin und ärztlich geprüfte Fastenleiterin Birgit Kubelka von der aks Gesundheit.

Am Mittwoch beginnt wieder die Fastenzeit. Fasten scheint mittlerweile durchaus im Trend zu liegen. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?
Birgit Kubelka: Fastenzeiten gibt es in allen Weltreligionen. So hat Fasten auch in christlich geprägten Ländern eine lange Tradition. War es bis vor einigen Jahrzehnten häufig noch mit der christlichen Fastenzeit verbunden, erkennen immer mehr Menschen die gesundheitlichen Vorteile von unterschiedlichen Fastenformen und nutzen dies das ganze Jahr über. Gleichzeitig ist es aber doch noch üblich, in den 40 Tagen vor Ostern auf die eine oder andere Weise Verzicht zu üben – sei es, den Alkohol, Süßigkeiten oder Fleisch wegzulassen. Dies ist aber kein Fasten im klassischen Sinn – eher ein Verzicht auf Genussmittel.

Kann Fasten zu Nährstoffmangel führen?
Kubelka: Jede einseitige Lebensmittelauswahl über längere Zeit birgt das Risiko für eine unzureichende Nährstoffzufuhr in sich. Beim Fasten hängt es von der Ausgangssituation, der Länge und dem Ausmaß des Fastens ab. Eine Fastenwoche für Gesunde, wie sie zum Beispiel durch Doktor Buchinger und Doktor Lützner populär wurde, beinhaltet fünf bis sieben Tage, an denen nur Gemüsebrühe, etwas Gemüse- und Obstsaft, Wasser und Tee zugeführt werden. Diese kurze Phase kann der Körper gut überbrücken. Bei länger andauernden Fastenkuren, dem sogenannten Heilfasten, erfolgt immer eine ärztliche Begleitung, so wie dies in diversen Fastenkliniken angeboten wird.

Wie kann ein eventueller Nährstoffmangel vermieden werden?
Kubelka: Wer sich im Alltag ausgewogen, vielseitig und vorwiegend pflanzlich ernährt, ist üblicherweise gut mit allen Nährstoffen versorgt. Zu einer Fastenzeit sollte deshalb immer eine Überprüfung der alltäglichen Ernährungsgewohnheiten dazu gehören. Das Vorhaben zu Fasten sollte also über den Verzicht von zum Beispiel Alkohol oder Fleisch für ein paar Wochen hinausgehen. Fasten im klassischen Sinn besteht aus Vorbereitungs-, Fasten- und Aufbautagen, die alle eine wichtige Rolle spielen. In den letzten Jahren wird therapeutisches Fasten immer häufiger mit Eiweißsupplementen ergänzt, um den Proteinverbrauch zu reduzieren und die positiven Auswirkungen des Fastens zu verstärken.

Welche Nebenwirkungen – negativer und positiver Natur – kann es grundsätzlich beim Fasten geben?
Kubelka: Zu den erwünschten Wirkungen des Fastens über mehrere Tage hinweg zählt die Stoffwechselumstellung. Anstelle von Glukose – also Zucker – dienen dann Ketonkörper aus den Fettdepots der Energiebereitstellung. Außerdem läuft die Autophagie, das Zellreinigungsprogramm des Körpers, in den ersten Tagen auf Hochtouren. Sowohl die stabil niedrigen Blutzucker- und Insulinwerte also auch die Ketonkörper im Blut führen zu einer Vielzahl an positiven Effekten. Fasten wirkt besonders gut bei entzündlichen Erkrankungen wie Arthrose und Rheuma, bei Erkrankungen des Immunsystems, sowie bei allen Erkrankungen, die durch ein „Zuviel“ verursacht werden können – wie Diabetes mellitus Typ 2, Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, Fettleber. Auch stressbedingte Beschwerden und das psychische Wohlbefinden können sich durch Fasten bessern. Die Stoffwechselumstellung wirkt stabilisierend auf den Serotoninstoffwechsel im Gehirn – dies kann zum bekannten „Fasten-Hoch“ führen.

Und was wären unerwünschte Wirkungen?
Kubelka: Negative Auswirkungen sind zumeist vorübergehender Natur – so kommt es häufig zu Kopfschmerzen, wenn der tägliche Kaffee weggelassen wird. Niedriger Blutdruck, Kreislaufprobleme, Rückenschmerzen oder ein flaues Gefühl im Magen zählen zu den Befindlichkeitsstörungen, die in den ersten Tagen auftreten können. Diese bessern sich dann aber fast immer von selbst.

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Gesunde, vorwiegend pflanzliche Ernährung sollte das ganze Jahr über auf dem Plan stehen. Shutterstock

Gibt es ein richtiges und falsches Fasten?
Kubelka: Eine Fastenwoche sollte methodisch richtig durchgeführt werden. Dabei helfen entsprechend ausgebildete Fastenleiterinnen und -leiter, Diätologinnen beziehungsweise Diätologen und Ärztinnen beziehungsweise Ärzte. In der Gruppe zu fasten, kann vor allem beim ersten Mal eine zusätzliche Unterstützung darstellen. Besonders schön empfinden viele Menschen das Fastenerlebnis, wenn dieses fernab vom Alltagstrubel in einem Hotel, auf einer Berghütte oder ähnlichem stattfindet. Ganz wichtig ist tägliche ausgiebige Bewegung während des Fastens. Wie schon erwähnt, kommen den Entlastungs- und den Aufbautagen nach dem Fasten große Bedeutung zu, um im vollen Ausmaß vom Fasten profitieren zu können.

Ist Fasten für jeden geeignet?
Kubelka: Nein, es gibt klare Gegenanzeigen – zum Beispiel bei deutlichem Untergewicht, in der Schwangerschaft und Stillzeit, bei schweren Erkrankungen oder Essstörungen. Menschen, die Medikamente einnehmen, müssen im Vorfeld ärztlich abklären lassen, ob sie fasten dürfen und wie sie die Medikamenteneinnahme während des Fastens handhaben sollen

Wie lange sollte man Ihrer Meinung nach fasten, um positive Effekte zu erzielen?
Kubelka: Eine Fastendauer von mindestens fünf Tagen hat sich bewährt. Viele Menschen fühlen sich in den Fastentagen sehr wohl und verlängern auf sieben bis zehn Tage. Dies sollte dann ärztlich abgesichert sein. Im Alltag kann man mit Intervallfasten die positiven Auswirkungen der Autophagie nutzen, und das jedes Mal, wenn man mindestens für 16 bis 18 Stunden fastet

Wie beurteilen Sie die Wirksamkeit von Fasten für eine Gewichtsreduktion?
Kubelka: Der Gewichtsverlust während einer Fastenwoche ist nur zu einem kleinen Teil – meist im Bereich von ein bis drei Kilogramm –auf den Abbau von Fettgeweben zurückzuführen. Eine Gewichtsabnahme kann immer nur über mehrere Monate hinweg erfolgen. Für viele ist eine Fastenwoche der Einstieg dafür.

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Die Fastenzeit nehmen viele Menschen zum Anlass für Abnehmversuche.
Shutterstock

Wie kann man nach einer Fastenperiode den sogenannten Jojo-Effekt vermeiden?
Kubelka: Hierfür sind zwei Aspekte ausschlaggebend: Die bewusst geplanten und durchgeführten Aufbautage, an denen die Energiezufuhr langsam gesteigert wird, und die Bewegung, die regelmäßig mehrmals pro Woche im Alltag verankert sein sollte.

Welche Empfehlungen würden Sie jemandem geben, der Fasten als Methode zur Gewichtsreduktion ausprobieren möchte?
Kubelka: Ich würde, wie oben erwähnt, darüber aufklären, dass in der kurzen Zeit von fünf bis sieben Tagen keine nennenswerte Gewichtsabnahme zu erwarten ist. Gleichzeitig würde ich über die zahlreichen positiven Auswirkungen von Fasten auf die Gesundheit hinweisen, vor allem wenn die Person von einer dieser Erkrankungen betroffen ist

Wie realistisch ist es denn, dass Fasten auch zu dauerhaften, gesunden Ernährungsgewohnheiten führt?
Kubelka: Viele Menschen nutzen eine Fastenwoche ein oder zwei Mal pro Jahr als „Reset“ für ihre Gesundheit, in der sie viel für ihre körperliche und psychische Gesundheit tun. Häufig führen die geschärften Sinneseindrücke nach der Fastenwoche dazu, wieder abwechslungsreicher und bewusster zu essen und besser auf Hunger- und Sättigungssignale zu achten.