Kommentar

Die FPÖ bedient den Wahnsinn

11.12.2021 • 21:00 Uhr
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REUTERS/Leonhard Foeger


Das Verhaltend der Parteispitze in der Pandemie wird die Gesellschaft noch teuer zu stehen kommen.

Man kann nicht behaupten, dass die FPÖ immer ein besonderes Naheverhältnis zur Wahrheit gepflegt hätte. Nicht, dass andere Parteien unbedingt so viel ehrlicher wären, aber die Realitätsverhaftung der Freiheitlichen war zu bestimmten Anlässen immer wieder besonders unterentwickelt.

Man denke etwa an die berühmte Blutschokolade oder das Läusejoghurt, die uns der EU-Beitritt laut Jörg Haider hätten bringen sollen. Dann wurde Kärnten durch den Hypoverkauf zunächst angeblich reich und dann tatsächlich arm. Mit der Liste an Missständen, an denen laut den Freiheitlichen ausschließlich Migranten schuld sind, könnte man ganze Bücherschränke füllen.
Oft bauschte man dabei die gegebenen Umstände auf oder verdrehte sie. Tatsächlich war beim EU-Beitritt in Spanien ein Färbemittel für Joghurt zugelassen, das aus Läusen hergestellt wurde. Durch die Teilnahme am Binnenmarkt hätte es theoretisch auch in Österreich verkauft werden können. Spanische Joghurts blieben in den heimischen Regalen dennoch erwartungsgemäß selten.

Hie und da kokettierten die Freiheitlichen schon früher mit Verschwörungstheorien, etwa als Norbert Hofer eine parlamentarische Anfrage zu Chemtrails einbrachte, weil einige Verschwörungsgläubige der Ansicht sind, die Regierung kontrolliere das Wetter und die Menschheit über die Kondensstreifen von Flugzeugen. In der Pandemie verwandelt sich die FPÖ nun aber zunehmend von einer populistischen in eine dadaistische Partei. Die Aussagen von Spitzenpolitikern der Freiheitlichen reißen nicht mehr nur Tatsachen aus dem Zusammenhang, sie bewegen sich jenseits aller Wirklichkeit: Die Wiener Spitäler gingen nicht wegen der Covid-19-Patienten über, behauptetet jüngst die Gesundheitssprecherin der FPÖ im Nationalrat, Dagmar Belakowitsch, sondern durch Hospitalisierungen aufgrund von Impfschäden. Die studierte Humanmedizinerin mit abgebrochener Arztausbildung glaubt damit entweder etwas, das kein behandelnder Spitalsarzt in ganz Österreich für richtig hält, oder sie lügt.

Parteischef Herbert Kickl steht ihr währenddessen um nichts nach, was sein Naheverhältnis zum geistigen Abgrund der Gesellschaft betrifft. Einmal empfahl er ein Pferdeentwurmungsmittel zur Covid-19-Therapie, an dessen Einnahme dann ein zwei Männer in Oberösterreich starben, während ihre Familie im Spital landete. Ein andermal tourte Kickl mit seiner Freiheitstour nach Kärnten, um gegen die Coronamaßnahmen zu protestierten und hinterließ dort einen Corona-Cluster. Danach erkrankte nicht nur er selbst, sondern auch der Volksmusiker Ludwig Ladstätter, der ihn für ein Foto umarmt hatte. Kickl überlebe, der Mann starb. Er könne ausschließen, dass der Musiker sich bei der Veranstaltung infiziert habe, erklärte der FPÖ-Obmann nach dessen Tod.

Dass die Parteispitze nicht nur gegen die Maßnahmen, sondern auch gegen die Impfung kämpft, wird sie und die Gesellschaft noch teuer zu stehen kommen. Im Hintergrund mögen etliche Freiheitliche mit den Zähnen knirschen, den Mund aufgebracht haben außer Andreas Mölzer bisher wenige. Die FPÖ war vielleicht nie eine staatstragende Partei und wollte es auch nicht sein. Was man aber nun bedient sind keine Ressentiments, sondern ist der Wahnsinn.