Kommentar

Inserateaffäre: Der Krug geht zum Brunnen

02.04.2022 • 18:09 Uhr

Selbstzufriedenheit ist Gift für alle Organisationen. Das gilt für den Wirtschaftsbund wie für die ÖVP insgesamt.

Über Jahre hinweg waren Methoden, wie sie der Vorarlberger Wirtschaftsbund zur Akquise von Inseraten eingesetzt haben soll, gang und gäbe. Schon allein deshalb blieb das Unrechtsbewusstsein gering. Wer lange genug in der politischen Blase aktiv ist, kennt die Tricks und Methoden der anderen und reagiert oft empört, wenn seine eigenen kritisiert werden. „Das haben wir immer schon so gemacht“, ist eine sehr österreichische, aber vielleicht keine sehr vorarlbergerische Redensart. Was beim Wirtschaftsbund Einzug gehalten hat, war die satte Bequemlichkeit einer unangefochtenen Stellung.

Selbstzufriedenheit ist Gift für alle Organisationen. Man muss niemanden mehr überzeugen, weil man die besten Ideen oder Angebote hat, sondern weil niemand an einem vorbeikommt. Monopole machen faul, und sie machen gierig. So etwas geht lange gut, aber nicht für immer. Das gilt für den Wirtschaftsbund wie für die ÖVP insgesamt.

Es ist für die Volkspartei wie für die Öffentlichkeit wenig damit gewonnen, nun Kessler und Metzler als Sündenböcke in die Wüste zu treiben und so zu tun, als hätte das System, das hinter ihnen stand, nicht lange die wissentliche Deckung der wirtschaftlichen Elite des Landes gefunden. In Situationen wie diesen wird auch gerne vergessen, dass Menschen, die Fehler machen, trotzdem Verdienste erworben haben können. Das anzuerkennen ist kein Abstrich an der gerechtfertigten Kritik an einem System, das viele, für die 3000 Euro für ein Inserat nicht aus der Portokasse fließen, als erpresserisch empfunden haben. Dass der Landeshauptmann und Landesparteiobmann der ÖVP Tage brauchte, um zu einer Entscheidung zu kommen, hat in der Situation wenig geholfen. Sein Vorhaben, den Vorsitz im Wirtschaftsbund und in der Wirtschaftskammer zu trennen, nützt vor allem der eigenen Machtbasis. Dass in einer Demokratie Parteichefs oder die Vorsitzenden von Parteiorganisationen wie dem Wirtschaftsbund herausgehobene Stellungen im staatlichen Bereich einnehmen, liegt in der Natur der Sache. Macht ausüben soll, wer gewählt wurde.

Allerdings ist die Wirtschaftskammer kein demokratisches System. Sie ist durch die Aufteilung in Fachgruppen, Sparten, Landes- und Bundesgremien derart fragmentiert, dass an der Spitze eine ständische Struktur herrscht, die Miss- und Vetternwirtschaft begünstigt. Das alles beginnt schon damit, dass der Wirtschaftsbund durch Stimmenübertragungen nach Wirtschaftskammerwahlen regelmäßig mehr Mandate erhält, als seinem Wahlergebnis entsprechen würde.
Das Kammersystem, das in der Vertretung der Interessen seiner Mitglieder durchaus Nützliches bewirkt und noch mehr bewirken könnte, ist längst zum Selbstbedienungs- und Versorgungsinstrumentarium der beiden ehemaligen Großparteien verkommen. In ihm schlummern noch viele Skandale wie jener des Wirtschaftsbundes. Es liegt an den Verantwortlichen, ihr falsches Spiel mit öffentlichen Geldern zu beenden oder weiter zum Brunnen zu gehen, bis auch ihr Krug zerbricht.