Österreich

Herbert Kickl: Ein Provokateur in neuen Kleidern

20.08.2024 • 11:08 Uhr
Herbert Kickl: Ein Provokateur in neuen Kleidern
ORF-Moderator Martin Thür und FPÖ-Chef Herbert Kickl im Rahmen der Aufzeichnung der Sendung ORF-“Sommergespräche”. APA

Im ORF-Sommergespräch hielt sich FPÖ-Chef Herbert Kickl mit Attacken auf die Konkurrenz erstaunlich zurück. Stattdessen inszenierte er sich als wirtschaftsfreundlicher Reformer für die Fleißigen.

Während seine Konkurrenten um den Einzug ins Kanzleramt längst den Marathon durch die TV-Studios eröffnet haben, hat sich FPÖ-Spitzenkandidat Herbert Kickl im Sommer rar gemacht. Offiziell will die Partei erst im September in den Wahlkampf starten, doch faktisch läutet das Sommergespräch mit Moderator Martin Thür am diesmal reschen Traunsee auch für den 55-jährigen Kärntner aus Radenthein den Auftakt in die Intensivphase der Kampagne ein.

Eine rote, vielmehr blaue Linie zieht der FPÖ-Chef gleich zu Beginn: Mit ihm in Regierungsverantwortung werde es keine neuen Steuern geben. Dass er vor nicht allzu langer Zeit eine Übergewinnsteuer für Banken forderte, sei einer Ausnahmesituation geschuldet gewesen. Für den von türkis-grün abgewirtschaftetem Standort brauche es dringend einen Neuanfang.

Keine neuen Steuern mit der FPÖ

Die Ausgaben will Kickl konsequent „durchforsten“. Stornieren will er etwa die Teilnahme am milliardenschweren europäischen Raketenabwehrschild Skyshield. Grundsätzlich will er, wie weiland Sebastian Kurz, im System sparen – dieses Mal aber wirklich.

Dass die zuletzt bekannt gewordenen wirtschaftspolitischen Forderungen nicht zu seinem Image als eines eher linken Sozialpolitikers passen, bestritt Kickl. Zu diesen Plänen zählen: Entlastung der Unternehmen, indem die Körperschaftssteuer für kleinere Unternehmen auf 10 und für größere auf 20 Prozent gesenkt werden soll; Reduktion der Lohnnebenkosten, Anreize für Vollzeitarbeit, Entlastung der Überstunden und Abschaffung der Kapitalertragssteuern für kleine Sparer.

Ob die FPÖ damit ein Koalitionsfenster zur ÖVP, die er dennoch wiederholt hart kritisierte, aufmacht, wurde nicht weiter thematisiert. Ganz generell will Kickl wieder eine Leistungskultur etablieren. Dringend benötigte Fachkräfte sollen unter den Arbeitslosen anderer EU-Staaten rekrutiert werden. Dazu müsse aber zuerst Arbeit attraktiver gemacht werden.

Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland

In Sachen Sicherheit und Terrorbekämpfung beharrte Kickl auf seiner jetzigen Ablehnung einer Überwachung von TikTok und Co. Dass er als Innenminister unter Türkis-Blau noch eine Überwachung verschlüsselter Internetkommunikation mit der ÖVP umgesetzt hat, wischte er vom Tisch. Nun gehe es darum, den Überwachungsfantasien der ÖVP entgegenzutreten.

Einmal mehr erneuerte Kickl auch seine Forderung nach einem Verbotsgesetz für den politischen Islam nach Vorbild des Verbots nationalistischer Wiederbetätigung. Kriminelle Asylwerber seien abzuschieben, Ungarns Politik unter Viktor Orban in vielen Bereichen ein Vorbild, insbesondere im Umgang mit der Massenmigration.

Kickl zu Migration und Orban

Wahlen seien das Herzstück der Demokratie, dazu gehöre, dass der Erste die Chance erhalte, die Regierung zu bilden. Er selbst betrachte sich als Politiker der Mitte, nicht als Extremist.

Wie sich die Anklage gegen den Ex-FPÖ Politiker Hans-Jörg Jenewein im Zusammenhang mit der Spionage-Affäre Ott mit dem Anspruch der FPÖ auf eine saubere Politik vertrage? Diese Frage betrachtete Kickl als „unsauberen Journalismus“. Es blieb dies nicht das einzige Scharmützel zwischen Moderator Thür und Kickl, der wiederholt auch grundsätzliche Kritik am Journalismus übte. Störversuche einer Gruppe von Protestierenden vor Ort blieben von den Zuschauern unbemerkt. Diese versuchten, vom See aus mit einem Banner – „From Putin with Love“ – Kickls Auftritt mit einem eigenen Stempel zu versehen.

Herbert Kickl: Ein Provokateur in neuen Kleidern
Ein Boot mit der Aufschrift “From Putin with Love!” aufgenommen im Rahmen der Aufzeichnung der Sendung ORF-“Sommergespräche” am Montag, 19. August 2024, in Traunkirchen am Traunsee. APA