Alptraum „Abtreibung“ in drei Szenen

07.03.2024 • 23:00 Uhr
Szenenbild "Das rote vom Ei"<span class="copyright">DieheroldFliri</span>
Szenenbild "Das rote vom Ei"DieheroldFliri

Grischka Voss spricht über die neue Produktion „Das Rote vom Ei“, die am Donnerstag vom Feldkircher Ensemble dieheroldfliri.at uraufgeführt wird.

Ungeplant passend zu den vielen Diskussionen darüber, wo in Vorarlberg in Zukunft Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden können, präsentieren Maria Fliri und Barbara Herold zu ihrem 15-jährigen Jubiläum eine Produktion zum Thema Abtreibung. Bereits vor eineinhalb Jahren haben sie dafür drei Autorinnen beauftragt, diesen ewigen Kampf um Selbstbestimmung von Frauen in grotesken Szenen für das Theaterpublikum anschaulich zu machen.

Schwarzer Humor

In gemeinsamen Treffen haben sich die Stückautorinnen Gabriele Kögl, Gertraud Klemm und Grischka Voss in Wien über ihre Erfahrungen und Beobachtungen zum Thema ausgetauscht und dann doch alle drei einen ganz unterschiedlichen Zugang gefunden, mit dem sie in jeweils unabhängigen Stücken und „mit sehr bösem, schwarzem Humor“ das Tabu aufbrechen wollen, beschreibt Voss im Interview. Kögl stellt die Verlogenheit und Paradoxie der Lebensschutzbewegung in den Mittelpunkt, bei Klemm wird das Wartezimmer einer Praxis zu einem Raum für philosophische Debatten. Voss dagegen zieht drohende Szenarien ins Absurde. In der neuen Produktion von „dieheroldfliri.at“ findet alles zusammen und wird am Donnerstag im Alten Hallenbad in Feldkirch in der Inszenierung von Barbara Herold uraufgeführt.

Die Stückautorin Grischka Voss <span class="copyright">Grischka Voss</span>
Die Stückautorin Grischka Voss Grischka Voss


Bevor sie mit ihren Recherchen anfing, habe Grischka Voss noch nicht gewusst, „wie schwierig bis unmöglich es ist, auch in Österreich für eine Frau eine Abtreibung vornehmen zu lassen“, erzählt die Autorin vom Prozess des Schreibens, bei dem sie sich intensiv mit ungewollten Schwangerschaften beschäftigte und dabei mit Dingen konfrontiert worden sei, „die komplett inhuman und absolut nicht zulässig sind“.

„Je mehr man anfängt, sich mit dieser Thematik der Abtreibung auseinanderzusetzen, des­to mehr glaubt man wirklich, man befindet sich im falschen Jahrhundert“, sagt die Autorin über das Stück, das zu schreiben ihr schlaflose Nächte bescherte und sie so fassungslos machte, dass ihr am Ende nur der „Alptraum“ als Setting geblieben sei, um die Geschichte rund um eine 50-jährige schwangere Hauptfigur spielen zu lassen. Sie wollte ganz bewusst eine durchschnittliche Frauenfigur, die „nicht irgendeines dieser großen Argumente hat“, sondern „schlicht und einfach“ kein Kind mehr möchte. „Ich wollte zeigen, dass eine Frau einfach diese Option haben muss, über ihren Körper selber zu bestimmen und zu entscheiden, ob sie sich bereit fühlt und einen Kinderwunsch hat oder eben nicht.“

Bizarre Realität

In ihrem Stück führt sie dem Publikum in zwölf Bildern die „Fakten“ vor Augen, denen auch die Protagonistin begegnet. Diese „grotesken Situationen“, die hier humorvoll heraufbeschwört werden, zeigen auf bizarre und überhöhte Weise „eine entsetzliche Realität, mit der Frauen heute tatsächlich konfrontiert sind“, erklärt Voss. Diese Bilder reichen von Demonstranten, die mit Plastik-Embryos vor Abtreibungskliniken stehen, über eine Frau, die sich vor Gericht für ihre Abtreibung rechtfertigen muss, bis hin zu einer Ärztin, die nach Vorlage eines Youtube-Videos operiert, weil eine Abtreibung nicht Teil der medizinischen Ausbildung ist.

Voss schildere das Thema aber auch aus interessanten ungewöhnlichen Perspektiven, die sich auch über den Schwangerschaftsabbruch hinausbewegen und substanzielle Fragen zur Verantwortung für ein Kind sowie weiblicher Selbstbestimmung aufgreifen. So beschwert sich ein erwachsener Mann über die schwere Bürde ein „ungewolltes Kind“ zu sein, tiefgefrorene befruchtete Eizellen streiten darüber, ob sie aufgetaut werden oder lieber selbst entscheiden möchten, „in welcher Zeit sie sich dann entwickeln“, und in einer anderen Szene sitzen eine Pille, ein Kondom und eine Spirale depressiv zusammen, „weil sie es nicht mehr ertragen, ständig gesagt zu bekommen, dass sie versagt haben.“

Distanz durch Humor

„Eigentlich ist ja nichts übertrieben in diesen Szenen, das, was ich in den Alptraum setzte, ist leider die Realität“, sagt Voss und möchte mit dem Humor und der absurden Verzerrung auch Dis­tanz schaffen, „sodass Frauen hoffentlich darüber lachen können“, sich vielleicht wiedererkennen, aber auch bestärkt fühlen, „für ihr Recht zu kämpfen und einzustehen“.

Grischka selbst sei übrigens eine „glückliche Mutter“. Die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch könne sie aber nachvollziehen, immerhin sei ein Kind zu bekommen, „eine Verantwortung für das ganze Leben“, für die sie sich auch selbst in früheren Lebensphasen noch nicht bereit gefühlt hätte.

Premiere am 14. März, Altes Hallenbad, Feldkirch.