So kannst du den weiblichen Zyklus positiv nutzen

05.04.2024 • 23:00 Uhr
Interviewfotos von Angelika Greussing
Angelika Greußing hat ein Buch für Mädchen geschrieben. Klaus Hartinger

In Spanien etwa gibt es den Menstruationsurlaub. Doch kann der Zyklus auch positiv in der Arbeitswelt genutzt werden? Angelika Greußing ist überzeugt davon.

Der weibliche Zyklus ist am Arbeitsplatz oft kein Thema – zu schambehaftet und tabu. Stattdessen dreht es sich in einer gewinnorientierten Arbeitswelt vermehrt um konstante Leistung. Doch anstatt die Menstruation zu verteufeln, könnten die individuellen Zyklusphasen positiv im Joballtag genutzt werden, wofür sich Coaches in den vergangenen Jahren vermehrt stark machen.

„‚Schaffa, schaffa, Hüsle boua‘ ist nicht immer der richtige Weg. Wenn man womöglich mal eine Pause macht, steht das Haus noch schneller“, ist auch Schnepfauerin Angelika Greu­ßing überzeugt, dass die Phasen berücksichtigt werden sollten. Die Mittelschullehrerin für Musik, Mathematik und Sport in Bezau beschäftigt sich seit fast neun Jahren mit den Stärken des weiblichen Zyklus. 2020 hat sie das Buch „Vom Powergirl zur Superkraft“ verfasst, in dem sie Mädchen an den Menstruationszyklus heranführt.

Zyklusorientiertes Arbeiten

Sie selbst hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt, weil sie sich in der Vergangenheit überfordert und depressiv gefühlt hatte. Inzwischen ist dies Geschichte, „weil ich jetzt weiß, dass es normal ist, dass ich nicht jeden Tag gleich bin“, erklärt die 41-Jährige. Anstatt an sich selbst immer gleiche Anforderungen zu haben, fokussiert sie sich jetzt auf die wechselnden Stärken. „Wenn ich auf den Ski stehe und den Hügel einfach hinunterfahre, dann habe ich entweder Glück und schaffe, die Ski zu lenken, oder die Ski lenken mich“, erklärt sie mit einer Metapher, warum das Auseinandersetzen mit den Phasen wichtig ist. Stattdessen gehe es darum, eine Technik zu finden, die Ski zu lenken. Wie mit Rücksicht auf den Zyklus positive Erfolge erzielt werden können, hat sie auch schon bei Workshops im Rahmen der „Female-Empowerment-Work­shop­reihe“ an der FHV vermittelt. Der NEUE hat sie sieben Fragen zum zyklusorientierten Arbeiten beantwortet.

1.Was ist zyklusorientiertes Arbeiten?
Antwort
: Wenn die Stärken des Hormonzyklus genutzt werden, um einfacher ans Ziel zu kommen.

2. Ist der Zyklus reine Frauensache?
Antwort:
Auch Männer durchlaufen einen Hormonzyklus. Nur dieser dauert nicht 28 Tage wie bei vielen Frauen, sondern es ist ein täglicher Zyklus. Männer starten mit einem hohen Testosteronspiegel in den Tag, welcher abends seinen Tiefpunkt erlangt.

3. Treffen die einzelnen Phasen des Zyklus mit ihren Eigenschaften auf alle Frauen gleich zu?
Antwort:
Nein, der Zyklus ist individuell. Wir müssen uns erst mal selbst beobachten, wann die eigenen Phasen genau stattfinden und wie sich die auf das Verhalten auswirken – etwa wann man Ruhe braucht und wann man offener ist. So geht es darum, erst zu erkennen, welche Stärken und Schwächen man in welchen Phasen bei sich selbst wahrnimmt. Jeder Mensch hat natürlich eine andere Persönlichkeit. Außerdem dauert der Zyklus nicht bei jeder Frau genau 28 Tage. Es ist ein Zyklus von 24 bis 38 Tagen normal. So können die einzelnen Phasen individuell an unterschiedlichen Tagen des Zyklus beginnen.

4. Was passiert in unserem Körper bei den diversen Phasen des weiblichen Zyklus?
Antwort
: In der ersten Zyklusphase wird das Hormon Östrogen gebildet. Kurz vor dem Eisprung steigt die Konzentration von Östrogen auf ein Maximum. Das Hormon Östrogen regt die Produktion des Glückshormons Serotonin an. Deswegen ist die Zeit nach der Periode bis zum Eisprung auch die Zeit, in der Frau eher outgoing ist und vielleicht mehr in Kontakt mit anderen geht, offener ist. Wenn das Östrogen und somit auch das Glückshormon zurückgeht, kommt die Ingoing-Phase mit dem Bedürfnis nach Rückzug. Da neigt Frau verstärkt dazu, für sich sich selbst zu sein und nicht mehr derart stark für andere da zu sein.

5. Welche Phasen gibt es?
Antwort:
Die Phasennamen sind im Buch „Vom Powergirl zur Superfrau“ so umgemünzt, dass Schülerinnen sie gut verstehen können. Die erste Phase nach der Menstruation ist die Mädchenphase (Tag 7 bis 13), dann kommt die Mutterphase (Tag 14 bis 20), dann kommt die Zauberinnenphase (Tag 21 bis 28) und dann die Hexenphase (Tag eins bis sechs).

Die dynamische Phase oder Mädchenphase zeichnet sich durch ansteigende Energie, Selbstsicherheit, klar strukturiertes Planen und dem Lernen von Neuem aus. Diese Phase kann mit dem Frühling verglichen werden und eignet sich für Präsentationen und Pitches.

Auch die expressive Phase, die Mutterphase, zeichnet sich durch viel Energie aus. Der Fokus liegt auf dem Knüpfen und Pflegen von Kontakten – das kann bei Mitarbeitergesprächen etwa genutzt werden. Auch Pitches sind für diese Phase weiterhin geeignet.

In der kreativen Phase, der Zauberinnenphase, nimmt die Energie ab. Sie zeichnet sich durch einen lösungsorientierten und kritischen Geist und Kreativität aus. So kann es passieren, dass sich eine Frau in der Mädchenphase ein neues Projekt aufbaut und dass dann in der Zauberinnenphase wieder aufgeben will. Mit Entscheidungen sollte teilweise noch gewartet werden.

Die reflektive Phase, die Hexenphase, kommt mit wenig Energie einher. Das ist im Jahreszeitenvergleich der Winter, in dem die Natur eine Pause macht. Dann brauchen wir Ruhe, es sollte vieles von der To-do-Liste gestrichen und der Fokus auf das Wichtige gesetzt werden.

6. Ist das wirklich praktisch in einem Unternehmen umsetzbar?
Antwort:
Wenn ich selbstständig bin und nur ein kleiner Betrieb bin, dann ist es einfach. Aber wenn ich natürlich in einer großen Firma arbeite, mich mit vielen Menschen treffen muss und alle gerade in einer unterschiedlichen Phase sind, ist es natürlich schwierig. Ich kann während der Menstruation im Berufsalltag nicht entscheiden, ob ich Musik unterrichte, jedoch kann ich die Schulhefte erst eine Woche später korrigieren, um so Energie zu sparen oder früh ins Bett gehen. Ich denke, als Einzelkämpferin ist es schwierig. Doch eigentlich könnte dies jedoch bei vorhandenem Wissen im Unternehmen gut beim Verteilen von Aufgaben nach den jeweiligen Stärken genutzt werden. Wenn ich in der fordernden Mädchenphase bin, kann ich womöglich anderen Aufgaben abnehmen, die gerade in der energieschwachen Hexenphase sind und in zwei Wochen übernimmt die andere Person dann eine Aufgabe von mir.

7. Können Frauen, welche die Antibabypille nehmen, diese auch nutzen?
Antwort:
Die Phasen sind verändert und nur abgeschwächt spürbar.