Letztendlich interessiert die Bohne

Philip Steinbrugger hat schon viele selbst abgebaute Kristalle unter die Menschen gebracht. Inzwischen besitzt er aber eine Kaffeerösterei und kreiert seinen eigenen Kaffee im Röst-Werk in Dornbirn. Herausstechend: die Handarbeit und die hohe Qualität.
Eigentlich war Philip Steinbrugger Strahler. Das bedeutet, er hing in einer 1000-Meter-Steilwand auf knapp 4000 Metern Höhe irgendwo in den Schweizer Bergen, gesichert von seinem älteren Bruder. Die beiden suchten nach Bergkristallen in Höhlen und Spalten, welche das Gebirge vor rund 16 Millionen Jahren beim Sich Auffalten gebildet hat. „Du bist die zweite, die diesen Bergkristall, dieses 16 Millionen Jahre alte Zeitzeugnis und Wunder der Natur in den Händen hält“, sagt Steinbrugger, und die Faszination für diesen Beruf leuchtet in seinen Augen auf. Sie wird ihn wohl nie ganz loslassen. Nachdem seine Partnerin vor vier Jahren schwanger wurde, wollte er aber ein Auskommen finden, das weniger mit Gefahr, Aufs und Abs sowie Fortsein verbunden ist.

Spezialitätenkaffee
Steinbrugger brauchte nicht lange zu überlegen. Die Wahl fiel auf Kaffee, denn er hatte bereits einige Baristakurse gemacht und wusste vieles. „Die Einstiegsbarriere war für mich also nicht so hoch“, sagt der 35-Jährige Dornbirner gut gelaunt. In die Berge geht er nur noch selten. Vielmehr röstet er inzwischen Kaffee. Aber nicht irgendeinen, sondern Spezialitätenkaffee. In seinen Kaffeesorten sind keine un- oder überreifen Bohnen und keine Steinchen. Seine Kaffeekirschen werden von Hand reif geerntet, in Spitzenlagen in Brasilien, Peru, Indien oder Nicaragua. Der Rohkaffee wird dann in Kaffeesäcken nach Vorarlberg gebracht und von Steinbrugger gelagert. Geröstet wird der Kaffee erst kurz vor dem Verkauf: Eine zierliche, helle Maschine steht in dem riesigen Raum. Jeder Dampf, den die beinahe wie eine kleine Dampflok wirkende Arbeiterin abgibt, wird über ein Abluftsystem nach draußen geleitet. Steinbrugger kann dafür von dem Kaminsystem des ehemaligen Industriegebäudes Gebrauch machen. Auch wenn er teils auf bestehende Strukturen zurückgreifen konnte, teuer war es trotzdem, denn die Auflagen sind hoch. Steinbrugger ist mit seinem Röst-Werk im Gebäudeteil H des Gewerbeparks am Fischbach in Dornbirn untergebracht. Es findet ihn nur, wer ihn sucht. In seinem Raum, besser gesagt, seinem ballsaalgroßen Fabrikteil mit Industriestyle, hat gut noch eine zweite Röstmaschine Platz. Trotzdem weiß er ganz genau, dass er keine Angestellten haben will. „Die Angestellten würden ihre Arbeit machen. Ich will am Ende aber keine Arbeit gemacht bekommen, sondern Spitzenkaffees. Diese Qualität kann ich nur erreichen, wenn ich sie selber mache.“

Eigene Sorte auf Wunsch
Steinbrugger möchte nicht reich werden, sagt er. „Aber ich möchte mal mit meiner Familie was trinken gehen oder in den Urlaub fahren, ohne nachrechnen zu müssen, ohne dass es gleich eng wird. Wir brauchen nicht viel, aber das möchte ich mir leisten können.“
Im Hintergrund arbeitet seine Röstmaschine, die sieben Kilo Kaffeebohnen fasst. Industriemaschinen verarbeiten ein Vielfaches mehr zur gleichen Zeit, doch „Firmen mit großen Kaffeemarken vermischen mehrere Kaffeesorten, geben Geschmacksverstärker hinzu und rösten die Bohnen so dunkel, dass man die unreifen Bohnen nicht herausschmeckt. Und das nennen sie dann Spitzenkaffee.“
Steinbrugger kreiert für seine Kunden – Cafés, Restaurants, Firmen und Privatkunden – auf Wunsch auch eigene Kaffeesorten. Ob schokoladig, nussig, fruchtig oder säurearm – wer welchen Kaffee wie mag, ist letztendlich eine Geschmacksfrage. „Kaffee hat rund 600 Geschmacksstoffe und ist damit das komplexeste Lebensmittel, das wir haben. Wein hat bis zu 400 Geschmacksstoffe“, erklärt der Röster. Ob man den Kaffee gemahlen lang lagert oder frisch mahlt, wie sauber die Maschine ist, mit der man ihn zubereitet, mit welcher Temperatur und welchem Druck und ob, welche und wieviel Milch man hinzugibt, das alles wirkt sich auf den Geschmack aus. Aber der Ausgangspunkt sind und bleiben die Bohnen und wie sie geröstet wurden.
Steinbrugger hat ein schonendes Verfahren, bei dem die Bohnen nicht wie im Industrieverfahren in wenigen Sekunden stark erhitzt und stark wieder abgekühlt werden. Er erhitzt seine Bohnen langsam in einem ca. 20-minütigen Röstverfahren. Er erfasst seine Röstkurven von Hand, wie er auch an alles andere die eigene Hand anlegt. Bestellt wird persönlich beim Importeur seines Vertrauens. Es ist eine Wissenschaft für sich, die richtigen Bohnen zur richtigen Zeit zu kaufen, wenn der Markt noch nicht leergefegt ist und keine Dürre und kein Hochwasser die Ernte zunichte gemacht haben. „Einen kleinen Nachteil habe ich: Man will keinen anderen Kaffee als meinen mehr trinken“, fügt Steinbrugger mit einem Augenzwinkern hinzu. Das macht aber nichts, denn er hat einen Onlineshop und ist samstags auf dem Dornbirner Wochenmarkt zu finden, vor dem Dornbirner Stadtarchiv. Sein handveredelter Kaffee wird auch gerne verschenkt, denn mit gutem Kaffee kann man jedem eine Freude machen.
Weitere Infos unter:
www.epu.wko.at