Wenn ein Traum zerstört wird

12.01.2025 • 08:00 Uhr
Wenn ein Traum zerstört wird

Interview. Klaus Stocker ist ehemaliger Trainer der Damenfußballmannschaft SPG FC Lustenau/FC Dornbirn. Trotz guter sportlicher Leistungen wurde er vor kurzem von seinem Amt freigestellt, weil nach den Geschehnissen in Dornbirn rund um einen Funktionär ein neuer Weg eingeschlagen werden soll.

Klaus Stocker erlebt gerade eine der schwierigsten Zeiten in seinem Leben. Seit 23 Jahren ist der gebürtige Kapfenberger im Sport, überwiegend in der Jugendarbeit, tätig. Vor eineinhalb Jahren hat er das Traineramt bei den Damen der Spielvereinigung FC Lustenau/FC Dornbirn übernommen.
Mit einem kleinen Trainerteam ist es auf Anhieb gelungen, mit der Mannschaft in die Frauen-Bundesliga in Österreich aufzusteigen. Trotz etlicher widriger Umstände, wie etwa ein kompletter Umbruch im Kader, haben es Stocker und seinen Kollegen geschafft, sich mit dem Team in der höchsten Spielklasse Österreichs zu etablieren. In der zweiten Saison stand man gar auf dem vierten Tabellenplatz. Die Strukturen sowie das Niveau der Mannschaft entwickelten sich immer mehr in Richtung Profibetrieb. Man blickte bei der SPG FC Lustenau/FC Dornbirn einer herausfordernden, aber auch gesicherten Zukunft entgegen. Bis Anfang Dezember des letzten Jahres der Vorfall um einen Funktionär (die NEUE berichtete) die ganze harte Arbeit zunichtemachte.
Anfang Jänner übernahm aufgrund der Geschehnisse der FC Lustenau bei der SPG das Zepter. Dort hieß es, man wolle einen neuen Weg einschlagen. Und wie sich ziemlich schnell herausstellte, wird dieser Weg ohne das Trainerteam um Klaus Stocker beschritten.

Wenn ein Traum zerstört wird
Klaus Stocker in der Redaktion der NEUE am Sonntag. Roland Paulitsch

Herr Stocker, sehen Sie einen Zusammenhang mit den Ereignissen im Dezember und ihrer Freistellung?
Klaus Stocker: Im Endeffekt ja. Diese Sache hat sehr viel ins Wanken gebracht. Als der Vorfall mit besagtem Funktionär bekannt wurde, hieß es, dass Lustenau übernehmen wird. Für uns im Trainerteam war es immer schon ein Thema, dass es schwieriger werden könnte, wenn Lustenau übernimmt. Es wurde ausgemacht, dass es uns mitgeteilt wird, aber letztendlich sind wir gar nicht gefragt worden. So geht man nicht miteinander um. Aber meines Erachtens bekommen sie jetzt sowieso die Rechnung präsentiert. Weil sie nicht wissen, wie die Mannschaft funktioniert und sie kaum Spielerinnen haben. Aber ich bin jetzt nicht mehr involviert.

Dann kam das Aus für Sie sehr abrupt?
Stocker:
Abrupt, ja. Wir waren sportlich auf einem sehr guten Weg. Darum tut das alles auch verdammt weh. Mir tut es leid um die Spielerinnen und um mein Trainerteam. Nikola Hartmann etwa, die ein Jahr als Athletiktrainerin im Fußballgeschäft war, ihren Job sehr gut gemacht hat. Auch ihr tut das Aus sehr weh. Wir hatten einen super Betreuer-Staff aufgebaut. Wir konnten mit den besten Frauenmannschaften in Österreich mithalten. Es ging alles in die richtige Richtung, wir waren auf einem großartigen Niveau. Und nochmal: darum tut das alles schon irrsinnig weh. Jetzt haben sie den ganzen Staff ausgewechselt, haben das im Hintergrund für sich beschlossen. Das ist auch legitim. Aber wenn eine Übernahme stattfindet, muss ich meiner Meinung nach auch alles übernehmen.

Wie haben Sie die Diskussionen um die ganze Situation mitbekommen?
Stocker:
Nun, dass die Situation für beide Vereine sehr unangenehm war, ist für mich klar. Auch der FC Dornbirn hatte es mit Saunameister, Hubert Domig und so weiter nicht einfach. Und der Vorfall war anders, als er dargestellt wurde. Mich persönlich wundert, dass die betroffene Person bis jetzt nicht klargestellt hat, wie es wirklich war. Nur ist es nicht meine Aufgabe, das in der Öffentlichkeit klarzustellen.

Wenn ein Traum zerstört wird
Der ehemalige Trainer der SPG FC Lustenau/FC Dornbirn sprach über seine momentane, schwierige Situation. Roland Paulitsch

Sie haben gesagt, das alles hätte Ihnen persönlich sehr viel abverlangt. Inwiefern?
Stocker
: Ja. Für viele war ich der Verdächtige, war ich der Funktionär. Man dachte, ich hätte besagten Vorfall gehabt. Ich spiele mit einigen Kollegen in meiner Freizeit Eishockey – auch dort musste ich Stellung beziehen. Es war ja tagtäglich in den Medien. Aber der Name des Verdächtigen wurde ja nie genannt, ich dagegen wurde immer namentlich erwähnt. Trotzdem war es ein großes Thema. Ich musste beim Vorarlberger Fußballverband vorsprechen. Es stand sogar eine Beurlaubung im Raum. Mich hat es nicht nur bei der Spielvereinigung FC Lustenau/FC Dornbirn erwischt, sondern auch in meinem ganzen privaten Umfeld. Das alles hat mich arg gebeutelt, ich habe wochenlang kaum geschlafen.

Sie werden also nicht mehr verfolgen, wie es mit der SPG weitergeht?
Stocker:
Doch, im Hintergrund schon. Von Berufswegen muss ich das auch. Ich habe derzeit auch privat eine Sonderkonstellation. Ich habe im September nach 21 Jahren meine Arbeitsstelle verloren. Bis Ende Jänner bin ich noch angestellt, das ist mit dem Arbeitsamt so ausgemacht. Der Plan wäre gewesen, dass ich bis Mai keinen Job mehr annehme und dann die Frauenmannschaft Vollzeit betreue. Wir sind ja schon so gut wie im Profibetrieb gewesen. Ich habe das bisher noch nebenbei machen können, in diesem Jahr wäre ich voll eingestiegen und wir hätten schauen können, wo die Reise hingeht. Diese Möglichkeit gibt es für mich jetzt auch nicht mehr. Darum verfolge ich die ganze Sache. Bei den Damen von LASK Linz ist der Trainer nach Ingolstadt gegangen, dort habe ich mich beworben und war dritter Kandidat. St. Pölten hat eine interne Lösung gefunden und bei Altach bewegt sich nichts. Selber hingehen und mich anbieten kann ich nicht. Ich habe jetzt über einen Manager versucht, dort ein wenig anzustoßen. Das wäre wirklich eine gute Chance.

Sie möchten also im Fußballgeschäft bleiben?
Stocker:
Ja, das möchte ich. Wenn sich irgendwo etwas ergibt, hier in Vorarlberg, im Schweizer oder im süddeutschen Raum, wäre ich auf jeden Fall für alles offen. Ich habe zwei, drei lose Angebote. Ansonsten muss ich wieder in einen „normalen Job“ zurückgehen. Ich bin jetzt 58 Jahre alt und brauche schon noch drei, vier Jahre bis zur Pension.

Wenn ein Traum zerstört wird
Für Stocker und seine Mannschaft hatten die Geschehnisse rund um den Fussballfunktionär in Dornbirn schwerwiegende Folgen. Roland Paulitsch

Jetzt heißt es also nach vorne schauen. Haben sie mit der ganzen Situation abgeschlossen?
Stocker:
Ich habe immer gesagt, wir sind auf einer Reise unterwegs. Die Liga ist gegenüber der letzten Saison viel enger geworden, wir haben trotzdem gute Ergebnisse erzielt. Darum ist es sehr schade, dass jetzt dieser Cut gekommen ist. Was wir erleben durften, war gigantisch. Wir haben in den besten Stadien Österreichs gespielt. In der Generali-Arena, auf der hohen Warte, im Hoffmann-Stadion. Das sind Highlights für die Spielerinnen. Aber ich habe für mich einen Haken darunter gemacht. Ich denke nicht mehr darüber nach, ob noch Spielerinnen da sind und ob sie eine Mannschaft haben. Das geht mich nichts mehr an.

Was ziehen Sie für ein Resümee über ihre Zeit als Trainer bei der SPG FC Lustenau/FC Dornbirn?
Stocker:
Ich bin sehr stolz auf das, was wir erreicht haben. Mit den Spielerinnen und dem Trainerteam. Mit Erwin Wawra, Teammanager Wolfgang Thies, mit Nikola Hartmann, die eine hervorragende Athletiktrainerin ist. Wir hatten zum Beispiel in den eineinhalb Jahren, in denen ich dabei war, keine einzige Muskelverletzung. Wir waren körperlich auf einem Top-Niveau, haben uns mit der Trainingssteuerung auf höchstem Level bewegt. Mit einem sehr kleinen Team, wohlgemerkt. Wir haben in Österreich sehr viel Anerkennung bekommen, uns einiges erarbeitet. Für mich war natürlich der Aufstieg in die Bundesliga das absolute Highlight. Ich muss sagen, was ich in den letzten zwei Jahren mit dieser Mannschaft erlebt habe, war unglaublich. Wir hatten immer wieder zu kämpfen. Mit Verletzungen, mit Abgängen von Spielerinnen. Letzten Herbst mussten wir eine komplett neue Mannschaft zusammenstellen. Trotzdem waren wir auf einem richtig guten Weg. Es ist einfach schade um alles. Unser Ziel war in der Liga zu bleiben, das hätte ganz sicher funktioniert. Wir hatten Spielerinnen, bei denen es vom Niveau her in Richtung Nationalmannschaft gegangen ist. Also müssen wir schon einiges richtiggemacht haben. Vor allem in dieser kurzen Zeit.

Ist für Sie und ihre Spielerinnen ein Traum zerstört worden?
Stocker:
Ich muss sagen, dass sich der Funktionär für sich viel kaputt gemacht hat, sein Lebenswerk ist zerstört. Es war ein Privileg für uns, dass wir Bundesliga spielen durften. Nochmal: Wir waren auf einem sehr guten Weg, und das mit sehr wenig Personal. Andere Teams haben acht oder mehr Leute im Trainerteam, wir waren zu viert und haben uns trotzdem auf einem hohen Level bewegt. Und das macht noch immer mächtig stolz. Nun ist alles, ja ein Traum zerstört worden, und das tut wirklich verdammt weh und wird noch Zeit brauchen.