Mit Gottes Segen in die Abo-Falle

Ein geschäftstüchtiger Werbeartikel-Verkäufer soll zahlreiche Handwerker in langfristige Verträge gelockt haben. Wer nicht zahlte, bekam eine Klage. Kürzlich stand der Vorarlberger selbst vor dem Richter.
Seine Mails schloss er stets mit den Worten: „Mit freundlichen Grüßen und Gottes Schutz und Segen“. Doch für viele Handwerker und Kleinunternehmer, darunter auch einige aus Vorarlberg, brachte das Geschäft mit dem Werbeartikel-Verkäufer alles andere als Segen: Sie fanden sich – laut eigenen Angaben ungewollt – in fragwürdigen Verträgen wieder, aus denen sie kaum mehr herauskamen. Wer sich weigerte zu zahlen, wurde geklagt. Einige zahlten beträchtliche Stornogebühren oder stimmten außergerichtlichen Vergleichen zu, um sich aufreibende Gerichtsprozesse zu ersparen. Ein Handwerker etwa zahlte nach seinen eigenen Angaben eine vierstellige Summe, ohne jemals einen Meterstab mit seinem Firmenlogo gesehen zu haben.
Doch das Blatt wendete sich: Der gebürtige Vorarlberger, der seine Kunden regelmäßig vors Gericht zerrte, sieht sich nun selbst mit einer Anklage konfrontiert. Der Vorwurf: schwerer gewerbsmäßiger Betrug. Vergangene Woche musste er sich deshalb vor dem Landesgericht Innsbruck verantworten. Rund die Hälfte der im Strafantrag genannten Zeugen stammt aus Vorarlberg – einfache Handwerker, die teilweise Tausende Euro verloren haben sollen.
Dass der Angeklagte durch und durch Verkäufer ist, zeigte sich gleich zu Beginn der Verhandlung. Während der Aufnahme seiner Personalien öffnete der Mittfünfziger im Glanzanzug seinen Musterkoffer und präsentierte dem Richter ungefragt seine Werbeartikel. Es habe fast so gewirkt, als wollte er den Gerichtssaal zu einem Verkaufsraum umfunktionieren, schildern Prozessbeobachter die skurrile Szene.
Verkaufsmasche
Wie zahlreiche vermeintliche Vertragspartner bei Einvernahmen schilderten, ging der Geschäftsmann bei seinen Verkaufsgesprächen oft nach dem gleichen Schema vor. Er erschien unangekündigt auf Baustellen oder meldete sich kurz davor telefonisch an, um seine Werbeprodukte – Feuerzeuge, Meterstäbe, Kugelschreiber und Regenschirme – zu präsentieren. Seine potenziellen Kunden dürfte er dabei gezielt unter Druck gesetzt haben. Viel Zeit zum Überlegen blieb nicht, die Verträge waren schnell unterschrieben. Dabei soll der Verkäufer immer darauf hingewiesen haben, dass man sofort zuschlagen müsse, um den Vorteilspreis zu sichern.
Die meisten Kunden gingen nach dem Verkaufsgespräch davon aus, dass es sich um eine einmalige Bestellung handle und nicht um mehrjährige Verträge. Verwunderte Kunden, die auf Anweisung selbst deutlich höhere Stückzahlen ins Formular eintragen mussten als ausgemacht, sollen auf Nachfrage die Erklärung erhalten haben, dass sie bis zu dieser Menge jederzeit zum gleichen Preis nachbestellen könnten, wenn sie dies wünschten. Tatsächlich jedoch erhielten sie neue Vorkasserechnungen, ohne je Ware nachbestellt zu haben – noch dazu mit diversen Zusatzkosten, die in den Verträgen zwar niedergeschrieben, aber laut Kunden so nie vereinbart wurden. Was ebenfalls niemandem auffiel: Die Firmen des Werbemittelverkäufers haben ihren Sitz im Vereinigten Königreich (UK). Auch die allgemeinen Geschäftsbedingungen lasen die meisten erst, als es bereits zu spät war.
5000 Feuerzeuge, bald Pension
So erging es auch dem staatlich geprüften Baumeister Peter Wachter, der eine Einmann-Firma in Bludenz betreibt. Laut Kaufvertrag bestellte er vor zwei Jahren 5000 Stück Werbefeuerzeuge, mit einer jährlichen Teilmenge von 500 Stück. „Das macht überhaupt keinen Sinn, dann müsste ich mit 70 Jahren und längst in Pension immer noch Feuerzeuge kaufen“, sagt der 62-Jährige im Gespräch mit der NEUE am Sonntag. Er habe geglaubt, dass er einmalig 500 Feuerzeuge bestellt habe. Auch der Verkäufer habe ihm das so versichert. Umso größer die Verwunderung, als die zweite Rechnung bei ihm eintrudelte. „Die habe ich dann nicht mehr gezahlt“, sagt Wachter. Die Klage folgte, wie in so vielen anderen Fällen, auf den Fuß. Das Verfahren ist nach wie vor am Bezirksgericht Klagenfurt anhängig. Es geht um 1500 Euro.

Ein weiteres Opfer ist Matthias Weichinger aus dem Montafon. Er betreibt eine kleine Erdbaufirma mit drei Angestellten. Unter Zeitdruck und quasi beim Baggern auf der Baustelle bestellte er Feuerzeuge und Kugelschreiber. Auch er dachte, er könnte auf Wunsch nachbestellen. Die erste Rechnung über 3000 Euro bezahlte er noch – doch als weitere Forderungen kamen, wurde er stutzig. „Als ich einem Bekannten die Feuerzeuge zeigte und ihm sagte, wer sie mir verkaufte, grinste er nur und sagte: ‚Glückwunsch, jetzt bist du in der Abo-Falle.‘

Da Weichinger vergangene Woche nicht im Zeugenstand erschien, wurde das ihn betreffende Faktum aus dem Verfahren ausgeschieden. Ob die Staatsanwaltschaft Innsbruck die Sache weiterverfolgt, ist offen. Im Zivilprozess – auch Weichinger wurde natürlich geklagt – ficht dessen Anwältin Sabine Gantner-Doshi jetzt den Kaufvertrag an. Ihrer Meinung nach wurde für die Ware mehr als das Doppelte ihres eigentlichen Wertes bezahlt. „Dazu wird jetzt gerade ein Gutachten erstellt“, berichtet die Feldkircher Rechtsanwältin.
Die Beharrlichkeit einer weiteren Anwältin aus Feldkirch, Emelle Eglenceoglu, dürfte nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass dem Verkäufer nun der Prozess gemacht wird. Sie zeigte den Mann bei der Staatsanwaltschaft an und entdeckte Unstimmigkeiten zwischen den in den Kaufverträgen und Vorkassenrechnungen angegebenen Firmennamen und Registrierungsnummern. Die Klage gegen ihren Mandanten, einem Handwerker aus Frastanz, hat sie erfolgreich abgewehrt.
Eine Verschwörung?
Die erste Sachverhaltsdarstellung, datiert mit 23. Mai 2023, stammt allerdings von den Wirtschaftskammern der Bundesländer Tirol und Kärnten, wo der Beschuldigte ebenfalls auf Kundenfang war. In der umfassenden Anzeige wurde detailliert dokumentiert, wie der Beschuldigte zahlreiche Handwerker mit seinen fragwürdigen Geschäftspraktiken getäuscht haben soll. Vielleicht auch deshalb präsentierte sich der Angeklagte vor Gericht als „Opfer einer Verschwörung der Wirtschaftskammern“. Ihm selbst könne jedenfalls kein Vorwurf gemacht werden. Er betonte zudem, dass es sich bei seinen Kunden um Unternehmer handle, von denen man erwarten könne, dass sie genau wissen, welche Verträge sie abschließen. Nur so sei ein funktionierendes Geschäftsleben überhaupt möglich.
Dabei war es nicht sein erster Strafprozess. Bereits 2021 wurde der Vorarlberger am Landesgericht Feldkirch wegen einer ganz ähnlichen Geschichte verurteilt. Damals erhielt er eine Geldstrafe von 8000 Euro, die zur Hälfte bedingt ausgesprochen wurde. Dieses Mal kam er nicht so glimpflich davon. Das Gericht qualifizierte seine Verkaufsmasche als schweren gewerbsmäßigen Betrug. Die Strafe: Zwei Jahre Haft, davon 16 Monate bedingt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte seine Kunden nicht darüber aufklärte, dass sie mit ihrer Unterschrift nicht nur eine einmalige Bestellung tätigten, sondern sich zu wiederkehrenden jährlichen Lieferungen und Zahlungen verpflichteten. Der Angeklagte hat volle Berufung angemeldet, weshalb das Urteil nicht rechtskräftig ist und nach wie vor die Unschuldsvermutung gilt. Ob ihm Gottes Schutz und Segen in der zweiten Instanz helfen wird, bleibt abzuwarten.