Dominic Zwerger: “Wir müssen uns vor niemandem mehr verstecken”

Dominic Zwerger (28) zählte beim sensationellen Erfolg des österreichischen Eishockey-Teams bei der A-WM zu den absoluten Leistungsträgern. Trotzdem sieht der Dornbirner Crack in Diensten des HC Ambri-Piotta hierzulande noch viel Luft nach oben.
NEUE am Sonntag: Mit dem Erreichen des Viertelfinales war die diesjährige Weltmeisterschaft eine der erfolgreichsten seit Jahrzehnten für das österreichische Nationalteam. Wie haben Sie dieses Turnier persönlich erlebt?
Dominic Zwerger: Es war einfach unglaublich. Zum ersten Mal seit über 30 Jahren standen wir im Viertelfinale, und wir haben drei Spiele gewonnen – das gab es seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr. Noch bemerkenswerter ist, dass wir sogar vier Gruppenspiele für uns entscheiden konnten. Das war ein echtes Ausrufezeichen. Man merkt einfach, was wir als Mannschaft geleistet haben. Selbst heute bekomme ich noch Gänsehaut, wenn ich daran denke. Überall sprechen mich Menschen darauf an, gratulieren – ich glaube, wir haben ganz Österreich mitgerissen.

NEUE am Sonntag: Blicken wir auf das Spiel gegen Lettland zurück, um den Einzug ins Achtelfinale? Welche Bedeutung hatte die Partie und ihr Treffer, direkt aus der Strafbox kommend, für Sie?
Zwerger: Wir wussten im Vorfeld, dass das unser Finale war. Nur ein Sieg mit voller Punkteausbeute würde reichen. Also mussten wir nach 60 Minuten als Sieger vom Eis gehen. Wir waren mental so gut vorbereitet wie nie zuvor. Ich habe eine Strafe abgesessen und in Unterzahl hat das Team einen Schuss mit dem Knöchel geblockt. Dann sprang der Puck genau richtig, als ich aus der Box kam. Und der Abschluss hat einfach gepasst, der Moment hat auch den Druck von uns genommen. Aber am wichtigsten war, wie geschlossen und stark die Mannschaft über das gesamte Turnier aufgetreten ist. Ich würde sagen, wir haben in keinem Spiel enttäuscht. Darauf können wir stolz sein.

NEUE am Sonntag: Besonders auffällig bleibt der hohe Anteil an Vorarlberger Spielern. Wie bewerten Sie die Rolle des Vorarlberger Eishockeys in diesem Erfolg?
Zwerger: Wir sind sehr stolz darauf, dass so viele starke Spieler aus Vorarlberg stammen. Das zeigt, wie gut die Nachwuchsarbeit dort funktioniert hat. Aber am Ende ist es egal, ob jemand aus Wien, Salzburg oder eben aus Vorarlberg kommt: Wir sind Team Österreich.
NEUE am Sonntag: Im Nationalteam zeichnet sich ein Generationenwechsel ab. Marco Rossi, Marco Kasper oder David Reinbacher wirbeln die NHL auf. Was macht die österreichische Nachwuchsarbeit derzeit richtig?
Zwerger: In den vergangenen drei Jahren wurden drei Österreicher in der ersten Runde des NHL-Drafts gezogen, das ist herausragend. Natürlich können wir uns noch einiges von der Schweiz abschauen. Die haben nicht nur zahlreiche NHL-Spieler, sondern auch echte Stars wie Timo Meier, Nico Hischier oder Kevin Fiala hervorgebracht. Trotzdem: Wir sind auf dem richtigen Weg. Wenn wir so weitermachen, wird sich noch einiges bewegen.
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NEUE am Sonntag: Nach dem Turnier wurde Kritik laut – unter anderem an der medizinischen Betreuung und der materiellen Unterstützung durch den Verband. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Zwerger: Ganz ehrlich: Ich habe erst im Nachhinein mitbekommen, dass einige Teamkollegen das angesprochen haben. Es stimmt schon, dass es Verbesserungspotenzial gib, zum Beispiel, dass die Ärzte erst ab Donnerstag zu den Spielen dazustoßen, aber nicht während der Trainingswoche dabei sind. Oder dass andere Nationen bei der Verpflegung besser aufgestellt sind. Bei unseren Mahlzeiten haben wir hatten etwa nur Wasser inklusive, weitere Getränke müsste man aus der eigenen Tasche bezahlen. Aber ich will den Verband gar nicht schlechtreden. Es hat sich viel getan in den vergangenen Jahren. Ich denke, mit dem Viertelfinale haben wir einen weiteren Impuls gesetzt, der hoffentlich dazu führt, dass künftig noch mehr in die Mannschaft investiert wird.

NEUE am Sonntag: Haben Sie also den Turniererfolg tatsächlich nur mit Wasser gefeiert?
Zwerger: Ja, tatsächlich (lacht). Nach dem Spiel gegen die Schweiz gab es dann aber doch ein paar Kaltgetränke, selbstverständlich vom Verband spendiert. Es war auch verdient, auch wenn wir das Spiel verloren haben. Allzu lange konnten wir aber ohnehin nicht feiern. Um drei Uhr in der Früh ging schon der Transfer zum Flughafen.
NEUE am Sonntag: Sie spielen in der Schweiz, kennen viele Spieler der dortigen Nationalmannschaft persönlich. Wie war es für Sie, beim WM-Spiel gegen die Eidgenossen auf dem Eis zu stehen?
Zwerger: Sehr speziell. Für uns war das fast ein Derby. Wir kannten viele Spieler gut und wussten, wie stark sie sind. An diesem Tag waren sie in Topform – dazu kamen viele Strafen gegen uns. Das Ergebnis fiel dann etwas zu hoch aus, finde ich. Aber wir können uns dennoch auf die Schulter klopfen. Wir haben bei der WM gegen jede Mannschaft gut ausgesehen.

NEUE am Sonntag: Als gebürtiger Dornbirner haben Sie vom früheren System profitiert, in dem Vorarlberger Spieler mit Schweizer Nachwuchsausbildung nicht als Ausländer gezählt wurden. Wie blicken Sie heute auf diese Zeit?
Zwerger: Für uns war das Gold wert. Ich habe nahezu das komplette Nachwuchsprogramm in der Schweiz durchlaufen. Wer dort aufgewachsen ist und ausgebildet wurde, sollte auch das Recht haben, wie ein Einheimischer zu spielen. In Österreich war das anders. Da spielten Klubs mit zwölf oder mehr Ausländern. Das bremst die Entwicklung heimischer Talente. Die Schweiz hat mit ihrem Modell sicher viel richtig gemacht. Was auch zwei Silbermedaillen bei den Weltmeisterschaften deutlich belegen.
NEUE am Sonntag: Ein Blick zurück ins Ländle: Aktuell ist nur noch ein Vorarlberger Klub in der höchsten Spielklasse vertreten. Woran liegt das, Ihrer Meinung nach?
Zwerger: Das ist wirklich schade. Wenn man daran denkt, dass bereits Derbys in der Nationalliga 6000 Leute in die Hallen bringen, sieht man, welchen Stellenwert der Sport im Land genießt. Das fehlt heute. Es müsste wieder mehr investiert werden, damit wir mehr Vorarlberger Klubs in der höchsten Liga sehen. Das Potenzial wäre da. Und Vorarlberg ist ein Eishockey-Land.

NEUE am Sonntag: Inwiefern ist hier auch die Politik gefordert, die Unterstützung ist im Vergleich zu König Fußball nahezu nicht vorhanden?
Zwerger: Definitiv. Ich sage immer: Wenn man 200 Millionen Euro für den Bau eines Einkaufszentrums ausgeben kann, sollte es auch möglich sein, 30 Millionen für eine ganzjährig bespielbare Eishalle bereitzustellen. Die Nachfrage ist riesig. Nicht nur bei den Profis, auch bei Hobbyspielern. Eine moderne Halle wäre durchgehend ausgebucht, da bin ich mir sicher. Wenn man sieht, wie viele Vorarlberger Cracks nach Herisau oder Romanshorn ausweichen müssen, ist das ein Armutszeugnis. Auch Marco Rossi und ich nützen diese Möglichkeit, wenn wir hier trainieren. Wenn man den Werdegang dieser goldenen Eishockey-Generation aus dem Ländle betrachtet, ist es eigentlich nur noch traurig, ein solches Potenzial im Land nicht zu fördern.

NEUE am Sonntag: Sie haben Ihren Teamkollegen Marco Rossi erwähnt, ein enger Freund von Ihnen. Wie sehen Sie seine derzeitige Situation?
Zwerger: Wir sprechen oft miteinander, aber was seine Vertragssituation betrifft, lasse ich ihn in Ruhe. Es ist eine schwierige Phase, da braucht man keine zusätzlichen Fragen. Marco weiß, was er kann, und er wird seinen Weg machen, ob in Minnesota oder woanders.
NEUE am Sonntag: Sie selbst hatten einst auch die Chance auf eine NHL-Karriere, Ihr Weg führte Sie aber zum HC Ambri-Piotta ins Tessin. Haben Sie das jemals bereut?
Zwerger: Nein, überhaupt nicht. Natürlich war die NHL immer ein Traum. Aber ich bin sehr dankbar für meine Karriere in der Schweiz. Es ist eine der besten Ligen der Welt, und ich hatte viele tolle Momente, etwa den Spengler-Cup-Sieg mit Ambri im Jahr 2022. Vor den Augen der Fans eines solchen Traditionsclubs in Davos. Das war neben dem Viertelfinale mit Österreich sicher eines meiner Highlights. Hoffentlich bleibe ich gesund und habe noch einmal viele weitere Jahre vor mir.

NEUE am Sonntag: Apropos Ambri: Die vergangene Saison verlief für Sie nicht optimal. Bei der WM haben Sie wieder aufgezeigt. Wie steht es um Ihre aktuelle Vertragsposition?
Zwerger: Ich habe bei der Weltmeisterschaft bewiesen, dass ich Eishockey spielen kann. Und ich habe in Ambri über viele Jahre gezeigt, welche Qualität mein Spiel aufweist. Jetzt konzentriere ich mich zu 100 Prozent auf die Vorbereitung und darauf, fit in die neue Saison zu starten. Was die Zukunft bringt, wird sich zeigen. Über Ambri möchte ich öffentlich nicht allzu viel sagen. Der Klub ist mir sehr wichtig und ich hoffe, dass ich die Leistungen, die ich bei der Nationalmannschaft gezeigt habe, auch bei Ambri wieder aufs Eis bringe und mich damit für einen neuen Vertrag empfehlen kann.
NEUE am Sonntag: In Ihrer Karriere gab es auch bittere Momente, ich denke an die schwere Gehirnerschütterung, die fast das Ende Ihrer Laufbahn bedeutet hätte. Ist das inzwischen verarbeitet?
Zwerger: Ja, zum Glück. Damals war es eine sehr schwierige Zeit, aber ich hatte unglaubliche Unterstützung von Familie, Freunden und dem Verein. Heute ist alles wieder gut. Ich gehe ohne Angst aufs Eis und spüre keine Nachwirkungen mehr.

NEUE am Sonntag: Aktuell sind Sie noch mit Ihrer Familie in Vorarlberg. Wie bekommen Sie neben Training und Spielen das Familienleben unter einen Hut?
Zwerger: Das ist eine Herausforderung, aber meine Frau Erica und ich organisieren uns gut. Wir verbringen jede freie Minute mit unseren Kindern Liam und Ella. Dann noch zwei Hunde. An manchen Tagen ist das Training intensiv, aber an anderen habe ich den Nachmittag frei und kann Zeit mit der Familie verbringen. Der Sommer ist kurz, im Juli beginnt schon wieder die Vorbereitung, aber wir genießen die Zeit gemeinsam, mal in Vorarlberg, mal in Ambri. Und die Kinder wachsen im Tessin mehrsprachig auf. Englisch von der Mama, Italienisch im Kindergarten und natürlich Dornbirnerisch, wenn wir hier sind (schmunzelt).
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(NEUE am Sonntag)