Politik

VKW-Streit: „Dann ist schon Feuer am Dach“

06.08.2021 • 20:33 Uhr
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Wolfgang Urbantschitsch ist Vorstand der E-Control. e-control/wilke

Urbantschitsch über Regulierungsanforderungen und Kritik an Illwerken VKW.

In Vorarlberg ist in den letzten Wochen viel über den Einstieg der Illwerke vkw in den Fotovoltaikanlagenbau diskutiert worden. Vertreter der Branche haben dabei zum Teil schwere Vorwürfe erhoben, die auch die Entflechtung von Netzbetrieb und Energievertrieb betreffen. Hat es in der Angelegenheit schon Beschwerden bei der E-Control gegeben?
Wolfgang Urbantschitsch: Nein. Wir verfolgen natürlich aufmerksam die Medienbericht­erstattung, es gibt aber dazu bei uns keine unmittelbaren Beschwerden und wir führen in dem Zusammenhang auch kein Verfahren. Hier tritt ein Unternehmen in einen Bereich ein, in dem es vorher noch nicht tätig war. Das sorgt natürlich für Reaktionen der Mitbewerber, aber womöglich auch für einen zusätzlichen Wettbewerb. Wenn aber ein Projektant der Meinung ist, er wird in irgendeiner Weise von den Vorarlberger Netzen benachteiligt, kann er sich an unsere Schlichtungsstelle oder an die E-Control direkt wenden. Wir schauen uns jeden Sachverhalt genau an.

Wie sehen die Vorgaben zur Entflechtung genau aus? Ist es etwa zulässig, dass dieselbe Person das Telefon abhebt, wenn man einmal beim Netzbetreiber und einmal beim Energievertrieb anruft?
Urbantschitsch:
Es gibt Entflechtungsvorschriften, wonach der Netzbetreiber vom übrigen Unternehmen getrennt arbeiten muss. Das bedeutet unter anderem, dass es keine Informationsflüsse vom Netzbetreiber zum vertikal integrierten Unternehmen, also zum Erzeugungs- und Lieferbereich geben darf. Wenn sichergestellt ist, dass diese Informationen über das Callcenter ausschließlich beim Netzbetreiber landen und dort auch bleiben, ist diesen Vorschriften genüge getan. Aber wenn jemand den Verdacht hat, dass es einen Informationsfluss vom Netzbetreiber zu anderen Unternehmensteilen gibt, und diesen auch belegen kann, wäre das eine schwerwiegende Angelegenheit. Die informatorische Trennung ist von zentraler Wichtigkeit, um die Neutralität des Netzbetreibers zu sichern. Er darf einem anderen Konzernunternehmen keinen Vorsprung verschaffen, indem er an dieses Informationen weiterreicht. Aber auch hier gibt es im Zusammenhang mit den Vorarlberger Netzen aktuell kein Verfahren.

Hat es in der Vergangenheit Beschwerden im Hinblick auf die Entflechtung der Vorarlberg Netz vom Mutterkonzern Illkraftwerke vkw gegeben?
Urbantschitsch:
Solche Beschwerden sind mir nicht bekannt.

Wenn nur wenige Stunden, nachdem der Anschluss einer Fotovoltaikanlage beim Netzbetreiber beantragt wurde, ein Anruf des Konzernvertriebs beim Kunden erfolgt und diesem ein besseres Angebot gemacht wird: Reicht das bereits für ein Verfahren oder ist das nur ein Indiz?
Urbantschitsch: Wenn ein Unternehmen bei der Netzgesellschaft eine Photovoltaikanlage anschließen möchte und ein paar Stunden oder Tage später meldet sich „zufällig“ der Erzeugungsbereich des Elektrizitätsunternehmens unaufgefordert bei dessen Kunden, ist schon Feuer am Dach. Das wäre ein starkes Indiz aber noch kein Beweis, dass hier unzulässige Informationsflüsse stattfinden. Dem würden wir entsprechend nachgehen und prüfen, wie die Systeme beim Energiekonzern aufgebaut sind und wie der Zugriff darauf geregelt ist. Dabei lässt sich auch nachvollziehen, wer wann welche Informationen abgerufen hat. Es hat bei anderen Unternehmen immer wieder Fälle gegeben, bei denen es in diesem Bereich zu einem unzulässigen Informationsaustausch gekommen ist. Dem sind wir dann auch nachgegangen.

Es ist doch möglich, dass ein Mitarbeiter des Netzbetreibers schnell das Büro wechselt und den Kollegen vom Vertrieb sagt: Übrigens, da und dort plant die Firma XY eine neue Fotovoltaikanlage. Sind diese Informationsweitergaben nicht extrem schwer zu beweisen?
Urbantschitsch: Ein Zuruf von Informationen ist natürlich schwer nachweisbar. Die schlichte Weitergabe von Informationen, bei der ein Netzmitarbeiter seinem befreundeten Vertriebsmitarbeiter über anstehende Projekte berichtet, kommt meiner Einschätzung nach aber kaum vor. Hier wird besonders aufgepasst, weil hohe Sanktionen für die Geschäftsführung, aber unter Umständen auch für die einzelnen Mitarbeiter drohen. Ein unaufgeforderter Anruf des Konzernvertriebs beim Kunden eines anderen Unternehmens hat außerdem noch datenschutzrechtliche und telekommunikationsrechtliche Aspekte. Das sogenannte „cold calling“, also der unaufgeforderte Anruf eines Unternehmens bei einem Nichtkunden, ist in der Regel unzulässig. Auch hier würde sich ein Unternehmen einem Risiko aussetzen, wenn der Kunde nicht Vertragspartner des Vertriebsunternehmens ist. Deshalb glaube ich auch nicht, dass solche Praktiken an der Tagesordnung sind.

Welche Probleme sind bei anderen Elektrizitätskonzernen bei der Entflechtung von Netz und Vertrieb entstanden?
Urbantschitsch: Vor einigen Jahren gab es noch sehr offensichtliche Verstöße. Da hatte beispielsweise ein Netzmitarbeiter, der einen Anschluss hergestellt hat, den Lieferantenvertrag des Vertriebsunternehmens dabei. Hier sind wir eingeschritten und haben eine Anzeige eingebracht, die letzten Endes auch zu einer Verwaltungsstrafe für den Geschäftsführer des Unternehmens geführt hat. Dann gab es auch den Fall, dass auf einer Rechnung des Netzbetreibers auch das Logo des Vertriebsunternehmens zu finden war. Solche Verstöße kommen heute kaum mehr vor. Es gibt aber natürlich auch komplexere Sachverhalte. So ist es zum Beispiel nicht zulässig, dass Verbraucher administrative Nachteile beim Netzbetreiber haben, wenn sie den Stromanbieter wechseln. Wir achten auch darauf, dass die IT-Systeme von Netzbetreibern und Vertriebsunternehmen ordentlich getrennt sind. Außerdem darf es beim Netzausbau keine Bevorzugung anderer konzerneigener Unternehmen geben. Man darf bei alldem aber nicht vergessen, dass gerade die Landesenergieversorger in den Ländern stark verwurzelt sind und nicht in jedem Fall eine Bevorzugung durch den Netzbetreiber vorliegen muss. Es kann beispielsweise auch allgemein bekannt sein, dass an einer Stelle ein Ortsentwicklungsgebiet entsteht.