Politik

Marlene Engelhorn: „Man kann doch nicht nur nehmen!“

14.01.2024 • 10:17 Uhr
Marlene Engelhorn, f. Barbara Haas, v. Christoph Kleinsasser, Podcast, Kleine Zeitung Redaktion Wien, 22022022
Marlene Engelhorn, f. Barbara Haas, v. Christoph Kleinsasser, Podcast, Kleine Zeitung Redaktion Wien, 22022022

Sie ist superreich, hat sich aber über ihr eigenes Millionenerbe geärgert. Jetzt gibt sie 25 Millionen her, als „Rückverteilung“. Von einer Neiddebatte will sie nichts hören. Argumente gegen ihre Position gibt es jedoch auch. Wer hat recht?

2019 erfuhr Marlene Engelhorn, dass sie ein zweistelliges Millionenerbe bekommen würde. Seit dem will sie es loswerden, aber sie möchte nicht spenden, sondern Steuern zahlen. Doch so eine Steuer gibt es nicht (mehr). Vergangene Woche präsentierte sie eine eigene Lösung. Ein Bürgerrat soll 25 Millionen Euro zur Verfügung haben, um Projekte umzusetzen. Ihre Aktion hat auch die Frage nach Vermögens- oder Erbschaftssteuern neu entfacht, doch es gibt auch Kritik. Zwei Punkte: Man würde mit dieser Forderung eine unschöne Neiddebatte lostreten und vererbtes Geld wäre schon mehrfach besteuert worden.

Frau Engelhorn, Sie sagen, reiche Menschen seien eine Gefahr für die Demokratie. Wieso denken Sie das?

Wir haben eine Gesellschaft und die müssen wir organisieren. Das machen wir über Demokratie, eine Stimme pro Nase. Gleichzeitig ist es aber so, dass unsere Welt auch über Geld gesteuert wird und das Finanzvermögen konzentriert sich auf wenige Menschen. Ohne Rechenschaft und ohne Transparenz, es hat nur damit zu tun, in welche Familie man geboren wird. Und je stärker sich Vermögen bei diesen wenigen Menschen konzentriert, desto stärker werden diese Machtpositionen gegenüber der Demokratie. Und können diese sogar aushebeln. Über politische, wirtschaftliche oder mediale Einflussnahme. Lobbying, nennt man das. Natürlich könnte man auch Positives mit dieser Macht tun, doch wenn die Superreichen freiwillig die Welt hätten retten wollen, hätten sie es schon getan. Haben sie aber nicht. Deswegen ist dieses eine Prozent eine Gefahr für die Demokratie.

Zählen Sie sich auch zu diesem einen Prozent?

Ja, natürlich.

Sie haben 2019 erfahren, dass sie ein Erbe in zweistelliger Millionenhöhe bekommen werden. Haben Sie sich darüber gar nicht gefreut?

Nein, ich habe mich geärgert, weil ich wusste, dass es ungerecht ist und ich wusste, dass ich etwas anderes damit machen möchte. Man muss nicht vermögend bleiben, nur weil man so geboren ist.

Sie hätten das Erbe auch ablehnen können.

Das stimmt. Gleichzeitig habe ich aber überlegt, diese Verantwortung anders wahrzunehmen. Ich stelle mein Beispiel zur Verfügung für die Palette an Kritik der Superreichen. Und ich kriege viel Kritik, aber ich bekomme auch viel Zuspruch.

Bevor wir zu Ihrer Rückverteilungsaktion kommen, lassen Sie uns doch noch ansehen, woher der Reichtum Ihrer Familie kommt. Ihre Vorfahren mussten ja für das Geld auch arbeiten, oder?

Nein, eben nicht. Das ist, was wir uns gerne selbst erzählen, dass wir unser Geld wert sind, weil wir es erarbeitet haben. Aber das stimmt so nicht. Im Fall meiner Familie ist es so, dass der Verkauf von Boehringer-Mannheim dafür gesorgt hat, dass Unsummen in die Familie geflossen sind. Jene, die dafür gesorgt haben, dass es überhaupt so wertvoll wird, also die Frauen und Männer in der Forschung, haben davon nichts bekommen. Und ich selbst habe auf jeden Fall gar keine Arbeit dafür geleistet.

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2023 haben Sie gemeinsam mit 100 anderen Millionären eine Forderung eingebracht, Vermögen endlich zu besteuern. Was haben Superreiche davon?

Reiche Menschen profitieren von einer guten Infrastruktur, einem gesicherten Rechtssystem für ihre Unternehmen, dem Schul- und Bildungssystem, das Fachkräfte hervorbringt, den Straßen, der Gesundheitsversorgung und so weiter. All diese Dinge werden von der gesamten Gesellschaft getragen, mehrheitlich von Menschen, die arbeiten. Aber warum können nicht wir als Vermögende auch etwas von dieser Last schultern, eben durch Steuern auf Erbschaften, auf Vermögen oder Schenkungen. Dann könnte man vielleicht auch den Faktor Arbeit steuerlich entlasten. Man kann doch nicht immer nur nehmen.

Ihre Kritiker sagen, dass vor allem bei Erbschaft das Geld bereits mehrfach besteuert wurde. Und dass eine hohe Steuer sich vor allem gegen den Mittelstand richten würde. Können Sie die Sichtweise nachvollziehen?

Nein, denn Fakt ist doch erst einmal, dass wir gerade keine Erbschaftssteuer haben. Könnte man aber eine gestalten, die sinnvoll ist? Ja, bestimmt. Man kann über Freibeträge reden und über viele Details, da gibt es weitaus bessere Expertinnen, als mich. Spannend ist doch folgendes: Geld wird bei jeder Transaktion besteuert, außer eben beim Erben. Und das bedeutet, nicht bei reichen Menschen. Und beim Vorgang des Erbens selbst stellt sich auch noch eine Frage: Wer wird besteuert, denn wenn ich erbe, dann habe ich als Person eben noch nie Erbschaftssteuer bezahlt.

In Österreich gibt es weder Erbschafts-, noch Vermögenssteuer, politisch fällt gerade die SPÖ mit der Forderung einer Wiedereinführung auf, Grüne und NEOs sind unter bestimmten Umständen dafür, ÖVP und FPÖ aber dagegen. Im Sommer fuhr die SPÖ eine Kampagne gegen den Red Bull-Erben Mark Mateschitz. Tenor: Hätte er Erbschaftssteuer bezahlt, dann könnte man in Österreich Kinderarmut abschaffen. Es gibt keine Steuer, ist die Tonalität hier nicht unfair?

Nein, das ist nicht unfair, Mark Mateschitz wäre auch danach noch immer Multimillionär. Es zeigt nur, was möglich wäre. Das Modell der SPÖ ist zudem ein total konservatives, denn dort würden die Beträge aus den Renditen auf Vermögen bezahlt. Und das heißt, dass die Reichen nach wie vor jedes Jahr reicher werden würden. Ich weiß wirklich nicht, was daran unfair sein sollte.

Es gibt eine pointierte englische Redewendung: „Eat the Rich“, und mit dieser generellen Ablehnung geht auch eine Neid-Debatte einher. Wenn plakativ gegen Reichtum angegangen wird, könnte man übersehen, dass Leistung in Vermögen steckt. Befeuern Sie eine Neid-Debatte?

Also ich bin doch superreich, also wie sollte ich da neidisch sein. Ich glaube, Menschen, die nicht fähig sind, ein Gegenargument zu finden, weichen gerne auf grobe Keulen aus. Die Neiddebatte ist eine solche Keule. Wir streiten ja auch nicht über Einkommenssteuer. Ok, es gibt jene, die viel verdienen und sie zu hoch finden, aber niemand sagt: Schaffen wir doch die Einkommenssteuer ab. Aber Reiche muss man vorher offenbar fragen und ihr Einverständnis erbeten, ehe man sie besteuern darf. Sonst ist es eine Neiddebatte. Das Argument sehe ich nicht.

Sollte man eine Gesellschaft zwingen, gerecht zu sein?

In dem Moment, wenn eine Person sagt, etwas sei nicht gerecht, muss man ehrlicherweise die Gerechtigkeitsfrage stellen. Insofern ist völlige Gerechtigkeit eine perfekte Utopie, die man nicht erreichen kann, doch wir können uns annähern. Nehmen wir das Frauenwahlrecht. Das war doch nicht die Idee der herrschenden Männer. Oder die 40-Stunden Woche. Nicht die Unternehmer, sondern die Arbeiterinnen und Arbeiter haben dafür gekämpft. Immer dann, wenn Gesellschaft sagt: „Wir wollen das so nicht mehr!“ ändert sich etwas. So wird es auch bei diesen Steuern sein.

Wie ist der Fahrplan für Ihre 25 Millionen?

Von März bis Anfang Juni gibt es eine Diskussion zur Verteilungsfrage, danach werden Ergebnisse präsentiert, was mit den 25 Millionen passiert. Ich bin stolz auf das Team und aufgeregt, was dabei herauskommt.

Und wie viel Geld bleibt Ihnen jetzt noch zum Leben?

Ich hab einen Puffer, aber ich habe mit meiner Familie vereinbart, dass ich keine konkreten Zahlen sage, weil das nicht nur meines ist.