Politik

Die Rückkehr eines Entrückten

16.01.2024 • 19:10 Uhr
Donald Trump feierte einen historischen Sieg <span class="copyright">AP/harnik</span>
Donald Trump feierte einen historischen Sieg AP/harnik

Donald Trumps Machtdemonstration bei den Vorwahlen in Iowa sollte seinen Gegnern zu denken geben.

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gibt es scheinbar genau zwei Möglichkeiten. Joe Biden oder Donald Trump. Das ist das Fazit nach den Vorwahlen in Iowa. Mit historischem Abstand entschied der Ex-Präsident, der neben seinen unzähligen Gerichtsterminen 2024 auch wahlkämpft, das Rennen für sich. Er holte über 50 Prozent der Stimmen. Im Jahr 2000 galten die 41 Prozent von George W. Bush – mit einem Abstand von 10 Prozent – noch als einmalige Machtdemonstration. Nun beträgt der Abstand zum Zweiten Ron DeSantis und zur Dritten Nikki Haley rund 30 Prozent. Trump bewies, dass er keineswegs bloß Galionsfigur einer einsamen Parallelgesellschaft ist. Arbeiter und Akademiker, Jung und Alt, Frauen und Männer gaben ihm den Vorzug. Die Nominierung als republikanischer Präsidentschaftskandidat scheint unausweichlich. Willkommen in der Ära „Trump 2.0“. Der Entrückte ist zurück. Vorerst.

Die republikanische Anhängerschaft hatte Alternativen. Streng-konservative noch dazu, denn weder Haley noch DeSantis wagten es, sich als liberale Option zu inszenieren. Doch am Ende entschieden sich die meisten für das Original – Donald Trump. Dass dieser Mann von Migranten als Ungeziefer spricht, die das Blut der Bevölkerung vergiften, scheint kein Hindernis zu sein.

Die verpasste Chance

Das Momentum ist Trump wohlgesonnen. Und das hat der Millionär auch seinen Gegnern zu verdanken. Sie haben es verabsäumt, Trump vom Sockel des Märtyrertums zu holen. Nach den Halbzeitwahlen 2022 wäre die Chance dafür gewesen. Trump-Müdigkeit legte sich über die USA, die Demokraten bremsten die Republikaner im Senat aus.

gefährliche optische Täuschung

Immer neue Anläufe, ihn von einer weiteren Wahl fernzuhalten, spielen Trump in die Karten. Von der Aushöhlung der Demokratie zu warnen, treibt die Aushöhlung der Demokratie erst recht voran. Trump, der wegen mittlerweile 91 Straftatbeständen – unter anderem wegen seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner, Dokumenten- und Wahlfälschung – angeklagt ist, kann sich derweil als Verfolgter inszenieren. Und weil er juristisch verfolgt wird – so seine Auslegung – darf er auch die Verfolgung der Anderen fordern. Die Realität erfährt eine gefährliche optische Täuschung. Zwei Drittel seiner Anhänger in Iowa glauben nach wie vor, Trump wäre zu Unrecht nicht mehr Präsident. Das verwundert kaum, hat man Trumps scheinbare Verbindung nach Washington nie gekappt. Und Gegen-Päpste gab es in der Geschichte genug. Im Land der Western ist das „Most Wanted“-Image eine Auszeichnung. Da ist dieses Gefühl, dass alles besser werden könnte, dass Trump in seinem Amt gestört wurde. Biden, alt und gebrechlich, hat auf der anderen Seite wenig entgegenzusetzen. Seine Wirtschaftserfolge schafft er nicht zu verkaufen, Klima und Außenpolitik interessieren in Anbetracht der Migrantenströme und Geldentwertung kaum.

Fast schon wie ein ferner Traum wirkt da die Aufnahme eines Wahlkampfauftritts des Republikaners John McCain im Jahr 2008. Als eine Frau im Publikum rassistisch-verschwörerisch über seinen Konkurrenten Barack Obama spricht, nimmt McCain seinen Gegner in Schutz. „Nein, Ma’am, er ist ein anständiger Bürger, mit dem ich nur zufällig in grundlegenden Fragen nicht übereinstimme“. Doch es bleibt Hoffnung. Die Demokratie ist beständiger als der Wählerwille. Obama hat damals die Vorwahlen im weißen Iowa als erster schwarzer Präsident für sich entschieden. Damals gab es noch Gemeinsamkeiten, nicht nur Angst. Und zu den Vorwahlen am Montag kamen trotz brutaler Schneestürme und Wetterwarnungen 100.000 Menschen zusammen – diskutierten und wählten. Die Demokratie, sie lebt. Trotz allem.