In den Farben getrennt, im Rathaus vereint

Acht Stimmen Unterschied trennten Jürgen Haller und Martin Sadjak bei der Wahl – nun leiten sie als Bürgermeister und Vizebürgermeister die Geschicke in Schruns. Im NEUE-Interview sprechen sie über den Neubau der Volksschule, Sparmaßnahmen und die Causa um die Verkehrssituation.
Herr Haller, Sie haben die Bürgermeisterwahl im März mit acht Stimmen Vorsprung gewonnen. Womit konnten Sie die Schrunser Wählerschaft von sich überzeugen?
Jürgen Haller: Im Wahlkampf hatten alle Parteien dieselben Themen. Vielleicht konnte ich mit der Volksschule ein bisschen punkten. Aber acht Stimmen Unterschied ist fast gar nichts. Es war ein fairer Wahlkampf mit offenem Ausgang, wir sind uns immer auf Augenhöhe begegnet. Ich bin glücklich, dass es so ausgegangen ist.
Herr Sadjak, wie groß war die Enttäuschung bei Ihnen nach der knappen Niederlage?
Martin Sadjak: Im ersten Moment war man schon enttäuscht. Wären es 150 Stimmen Unterschied gewesen, hätten wir tatsächlich etwas falsch gemacht, aber so war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Das Ergebnis hat gezeigt, dass es der Wunsch der Bevölkerung war, dass wir zukünftig die Geschicke der Marktgemeinde zusammen führen. Damit hat sich die Enttäuschung aufgelöst.

Wie funktioniert Ihre Zusammenarbeit bisher? War es eine Herausforderung, nach dem Wahlkampf an einem Strang zu ziehen?
Haller: Eine Herausforderung war für mich, als neues Gemeindeoberhaupt erst einmal die Probleme zu begutachten – Gemeindefinanzen, Kindergarten, Volksschule Straßensanierungen, es gibt einiges zu tun. Noch sind wir in der Aufwärmphase, aber die Ausschüsse haben wir schon beschlossen und damit die einzelnen Ressourcen vergeben. Martin ist im baulichen Bereich eine Koryphäe für uns. Wichtig ist, dass wir uns immer wieder unterhalten. Natürlich gibt es das ein oder andere Mal Diskussionen. Das ist wichtig, damit man gute Lösungen findet. Wir sind auf einem guten Weg, dass wir die richtigen Entscheidungen für die Zukunft treffen können.
Für den Neubau der Volksschule gibt es einen einstimmigen Beschluss, aktuell scheitert das Vorhaben aber an der finanziellen Lage. Was ist der aktuelle Stand?
Haller: Es geht, wie im Beschluss festgehalten, darum, die beste Lösung für Schruns zu suchen. Welche Richtung es einschlägt, kann man jetzt nicht genau sagen, weil wir quasi bei Null anfangen. Wir müssen die finanziellen Ressourcen anschauen und dann entscheiden, welche Lösung am besten machbar ist. Aktuell befassen sich die Ausschüsse damit. Das Wichtigste ist eine Lösung, die in naher Zukunft umsetzbar und finanziell darstellbar ist.
Sadjak: Die Arbeit der vergangenen Jahre war nicht umsonst. Man lernt immer aus den durchführten Studien, aus diesen kann man sicher das ein oder andere herausnehmen. Jetzt gilt es, in der Arbeitsgruppe nochmal alles auf den Tisch zu bringen und eine Lösung zu entwickeln. Wie diese im Detail ausschaut, können wir im Moment noch nicht sagen.

Wo sehen Sie Einsparungspotenzial, um finanziellen Spielraum für dieses und andere Projekte zu schaffen?
Haller: Zuerst wollen wir die ganze Situation in Ruhe durchleuchten, damit befasst sich der Finanzausschuss. In der Gemeinde ist es nicht so einfach, irgendwo den Hebel massiv anzusetzen.
Und in welchen Bereichen sollte keinesfalls gespart werden?
Haller: Im sozialen Bereich: Kindergarten, Volksschule – da müssen wir eher mehr investieren. Das Budget für dieses Jahr ist da, hier muss man sehen, wie das abgeschlossen wird. Im nächsten Budget klären wir die Frage, in welchem Bereich man wirklich einsparen kann.
Sadjak: Das ist kein Thema, das rein die Marktgemeinde Schruns betrifft. Auf Bundes- und Landesebene wird der Sparstift ebenfalls angesetzt. Hier wird man schauen müssen, wie sich das auf die Gemeinden auswirkt. Dann gilt es zu prüfen, wo man in der Gemeinde den Sparstift ansetzen kann und welche Dinge auf Landes- und Bundesebene einfach umgesetzt werden müssen.
Welche Wünsche haben Sie hier an Land und Bund?
Haller: Wir wissen, dass große Förderungen für schulische oder soziale Projekte immer schwieriger werden. Nichtsdestotrotz dürfen Land und Bund in diesem Bereich auf keinen Fall sparen. Das wäre für die Kommunen ein schlechtes Zeichen. Auch in schwierigen Zeiten müssen wir die Kraft einer Marktgemeinde weiter stärken. Stillstand wäre das Schlimmste. Wir müssen in der Gemeindepolitik aktiv sein, was Infrastruktur und Projekte betrifft. Die kann man jetzt schon ausarbeiten und dann gleich umsetzen, wenn die finanziellen Mittel da sind.

Nach dem Rückzug von Jürgen Kuster fand sich mit Tobias Kieber schnell ein Nachfolger, dieser zog sich kurz vor der Wahl jedoch wieder zurück. Herr Sadjak, wie war es für Sie, kurzfristig in die Bresche zu springen?
Sadjak: Jedem ist selbst überlassen, wie lange er das Amt des Bürgermeisters ausüben möchte. Beim Vorgänger Kuster hat sich privat einiges getan. In die Bresche springen ist vielleicht ein wenig falsch formuliert. Die Fraktion hat jemanden gesucht, also bin ich im November auf sie zugegangen und habe Interesse bekundet, mich für die Gemeinde einzubringen. Ich bin seit sechs Jahren als Bauamtsleiter der Marktgemeinde tätig und kenne die Abläufe daher recht gut. Im Januar haben wir den Beschluss gefasst, dass ich als Spitzenkandidat ins Rennen gehe. Dann gab es einen kurzen, fairen Wahlkampf. Mir ist es wahrscheinlich nicht ganz gelungen, mich in dieser Form bekannt zu machen. Jürgen kennt man in Schruns sehr gut. In der Funktion des Vizebürgermeisters werde ich politisch viel dazulernen. Wir sind gespannt, wie es in fünf Jahren aussieht.
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Wie würden Sie beide nachträglich die Amtszeit von Jürgen Kuster bewerten?
Haller: Für mich war es meine erste Legislaturperiode im Gemeindevorstand, dadurch habe ich gelernt, wie Kommunalpolitik funktioniert. Mit Jürgen hatte ich immer ein gutes Verhältnis. Für uns war es etwas schwieriger, weil die ÖVP die absolute Mehrheit hatte. Trotzdem waren wir bei den Kernthemen immer einer Meinung.
Sadjak: Man muss sich nur anschauen, wie sich das Schrunser Zentrum in den letzten Jahren entwickelt hat. Dahinter steckt ein großer Entwicklungsprozess. Jürgen hat einen guten Job gemacht.
Auf dem letzten touristisch gewidmeten Grundstück im Zentrum will die Silvretta Montafon ein Hotel bauen. Wie sehen die konkreten Pläne aus?
Sadjak: Im letzten Jahr wurde mit einem kooperativen Planungsverfahren eine mögliche Bebauung erarbeitet. Drei Planungsbüros wurden beauftragt, um die bestmögliche Lösung für den Standort zu finden. Da ist ein spannendes Projekt entstanden, das den Ort nicht überfordert. Die Silvretta Montafon ist derzeit auf der Suche nach einem Investor und Betreiber.
Haller: Als touristischer Ort ist es wichtig, dass wir unsere Qualitätsbetten ausbauen. Aber auch mit dem Abschluss dieses Hotelprojekts haben wir weniger Kapazitäten als in den 80er- und 90er-Jahren.
Sadjak: Wir lassen keine abgeschlossenen Ressorts zu. Bei so einem Projekt muss immer ein Mehrwert für die Bevölkerung da sein, indem etwa im Erdgeschoss kleine Geschäfte oder Restaurants untergebracht sind. Wir wollen einen Betrieb, der sich im Ort einfügt.

Leerstehende Immobilien und selten genutzte Zweitwohnsitze sind auch im Montafon immer wieder ein Thema. Wie ist die Situation in Schruns?Sadjak: Es gibt immer wieder einmal einen Fall, wo eine Wohnung unrechtmäßig genutzt wird. Dagegen sind wir sehr bestrebt: Im Schnitt stellen wir deshalb jedes Jahr 4-5 Anzeigen an die Strafabteilung Bludenz, wobei es schwierig ist, dem Problem Einhalt zu gebieten. Die gesetzliche Lage lässt einiges zu, etwa mit der Auskunft vom Netzbetreiber, aber um jemanden wirklich dranzubekommen, muss man großen Aufwand betreiben. Trotzdem kommen wir dem Auftrag nach, unzulässiger Nutzung Einhalt zu gebieten.
Besonders zu Stoßzeiten und in der Hauptsaison im Winter wird das hohe Verkehrsaufkommen zum Problem. Mit welcher Lösung kann das Montafon verkehrstechnisch entlastet werden?
Haller: Wenn man das wüsste, wäre die Lösung schon längst umgesetzt. Eine große Lösung wäre natürlich, noch mehr Betten zu haben, da wir vermehrt Tagesgäste im Montafon haben. Aber die Problematik haben Sölden, Ischgl oder das Zillertal auch. Wenn man in der Talschaft Skifahren geht, gibt es irgendwo immer ein Nadelöhr und Stauzonen. Wir können die Straße nicht vierspurig ausbauen.
Sadjak: An den Spitzentagen ist es sicherlich unangenehm, aber diesen Winter war das zwei Mal der Fall. Dann schauen wir auch mit gezielten Straßensperren im Ortskern, dass der Gast auf der L188 bleiben muss und keine Umfahrung durch Schruns machen kann.

Die Wahl des Standesrepräsentanten sorgte in den letzten Wochen für viel Wirbel. Nach der Wahl des Gaschurner Bürgermeisters Daniel Sandrell ortete sein St. Antöner Kollege Helmut Pechhacker ein „abgekartetes Spiel der ÖVP“. Wie blicken Sie, Herr Haller, als parteifreier Bürgermeister auf diese Causa?
Haller: Schwierige Situation. Ich bin zum ersten Mal im Stand Montafon vertreten, die Hintergründe kenne ich nicht genau. So, wie es aussieht, gab es ein Kommunikationsproblem. Natürlich war es keine gute Aktion. So war es ein schwieriger Start, aber jetzt muss man sich zusammenraufen, um gemeinsam die Region zu stärken. Für mich, der einen offenen und ehrlichen Umgang mit allen pflegen will, bringt das keine Freude auf.
Herr Sadjak, wie antworten Sie als ÖVP-Vizebürgermeister auf den Vorwurf von Pechhacker?
Sadjak: Ich war bei den Abläufen nicht dabei. Wenn zu Beginn der Sitzung zwei Kandidaten feststehen, ist das eigentlich gar kein Thema. Es war sicherlich unglücklich kommuniziert.

Hintergrund
Gastronom Jürgen Haller (49) von der parteifreien Liste „metnand för Schru“ gewann die Bürgermeisterwahl in Schruns am 16. März mit 50,22 Prozent gegen den Bauamtsleiter und ÖVP-Kandidat Martin Sadjak (33), der 49,78 Prozent einfuhr. In der Gemeindevertretung hat die ÖVP mit elf Mandaten knapp die Nase vor Hallers Liste (zehn Mandate).