Mit Realismus auf dem Weg zur Traumerfüllung

Leonie Salzgeber kombiniert fußballerische mit akademischer Ausbildung.
Für mich war klar, wenn ich meine Karte auf Fußball setzen möchte, muss ich über die Grenzen von Österreich hinausblicken.“ Nun hat Leonie Salzgeber ihren Blick nicht nur in die direkte Nachbarschaft schweifen lassen, sondern gleich über den großen Teich. Seit einem Monat lebt die 18-Jährige aus Schruns ihr Abenteuer in den USA und kombiniert dort ihre sportliche Ausbildung mit der akademischen. Denn eigentlich möchte sie Profifußballerin werden, zeitgleich ist ihr aber die Absicherung mit einem zweiten Standbein wichtig. Der Start in der neuen Umgebung verlief dabei nicht ganz nach Plan.

Hohes Niveau
Zunächst machte die amerikanische Politik aufgrund der Corona-Pandemie eine zeitgerechte Abreise über den Atlantik ungewiss. Das Visum erhielt die Montafonerin erst zehn Tage vor ihrem Abflug. Und nach zwei Wochen in der neuen Stadt Mobile im Süden des US-Bundesstaates Alabama musste sie sich in Quarantäne begeben. Ihre Team- und Zimmerkollegin hatte Kontakt zu einer positiv auf das Virus getesteten Person. Dabei handelte es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme, denn Krankheitssymptome verspürt weder Salzgeber noch die Amerikanerin. Ansonsten hat sich die Auswanderin allerdings gut eingelebt. Und auch die 14-tägige Quarantäne ist mit dem morgigen Tag beendet. Dann können die jungen Frauen wieder im Training Vollgas geben.
Und in den Übungseinheiten der „Jaguars“, so der Name der Sportteams an der University of South Alabama, will sich Salzgeber behaupten. „Ich möchte mich gut ins Team einfügen und ein wichtiger Teil werden. Und wie alle Spielerinnen so viele Spielminuten wie möglich sammeln. Ich komme aber nicht mit der Erwartung her, dass ich gleich in der Stammelf stehe“, gibt sie eine realistische Einschätzung ab. Denn in der Mannschaft reicht das Alter von 18 bis 24 Jahren, und darunter sind unter anderem eine griechische Nationalteamspielerin und Nachwuchsnationalspielerinnen aus England. „Es ist ein sehr gutes Programm in der Division 1, der ersten Liga. Also ein sehr hohes Niveau“, gibt Salzgeber ihre Einschätzung ab. Zudem hat Frauenfußball in den USA einen viel höheren Stellenewert als in Europa.

Weitsicht
Zeitgleich war das hohe Niveau auch einer der Hauptgründe für die Entscheidung, den Schritt nach Alabama zu wagen. Die Harmonie mit dem Trainer von Beginn weg, die Nähe zum Meer und Spiele auf Naturrasen waren weitere Motive. Angebote hat es dabei von mehreren Universitäten gegeben.
Zum ersten Kontakt ist es bei der U17-Europameisterschaft im Mai 2019 in Bulgarien gekommen. Beim dritten Gruppenspiel gegen Deutschland beobachteten Scouts vor Ort die Leistung von Salzgeber und zeigten sich beeindruckt. Vertreter der Agentur Wagner & Woolf, welche Toptalente in die USA vermitteln, haben die Nachwuchsnationalspielerin im Anschluss kontaktiert und den Stein ins Rollen gebracht.
Und dieser Stein heißt eben Profifußball, wobei sie erst verzögert mit einem Ja auf die Frage danach antwortet. „Ich bin auf dem besten Weg Richtung Profi. Dieser Weg, den ich eingeschlagen habe, unterstützt das enorm. Es kann sowohl als auch ausgehen“, fasst es die Sportlerin in Worte. Denn trotz ihres noch jungen Alters beweist sie einiges an Weitsicht. Bei ihr herrscht ein Bewusstsein, dass es einerseits noch zahlreiche Schritte bis ganz nach oben sind und es andererseits auch schnell vorbei sein kann: „Es ist lang bis an die Spitze und alles andere als einfach. Und man muss auch sagen, als Frau ist die Spitze nicht so breit. Doch genau dort muss man sein, um davon leben zu können. Daher muss man sich immer eine zweite Option offen halten.“

Zweites Standbein
Diese Alternative heißt Studium Sportmanagement. Damit könnte die Studentin weiterhin ihrer Leidenschaft verbunden bleiben. „Ich kann auch sagen, ich hatte die Zeit meines Lebens, möchte jetzt aber direkt ins Berufsleben einsteigen. Durch mein Studium kann ich dem Fußball treu bleiben, selbst wenn es nicht als Spielerin wäre“, wirft sie einen Blick voraus ans Ende des Studiums.
Bis es soweit ist, wird der Wecker noch viele Male um 5.50 Uhr abgehen. Dann beginnt häufig der Tag für die Athletinnen. Denn vor dem Gang in den Hörsaal oder vor dem Einloggen in die Online-Kurse ab 8 Uhr steht noch eine Krafteinheit auf dem Programm. Um 14.30 bis 16.30 Uhr ist dann die reguläre Fußballeinheit auf dem Platz. Bei Regenfall sogar auf einem überdachten Feld. Individualtraining und Videoanalyse oder Hausübungen und Lernen runden den Tag ab. „Für mich ist die Uni schon sehr bedeutend. Weil im Frauenfußball ein zweites Standbein das Wichtigste ist. Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig“, gibt sich die 18-Jährige ambitioniert.
Dennoch nehmen die Professoren immerhin etwas Rücksicht. Sollte die Abgabe einer Arbeit zeitlich nicht eingehalten werden können, darf man die entsprechenden Dozenten kontaktieren, und diese drücken mitunter ein Auge zu. Geschenkt wird dennoch nichts, denn die Spielberechtigung ist an einen gewissen Notendurchschnitt gekoppelt. Daher bleiben wenig Pausen zum Verschnaufen.

Muss realistisch bleiben
Aber um Ziele zu erreichen, steckt eben viel Arbeit dahinter. Dessen ist sich Salzgeber durchaus bewusst. Und sie sieht diese Erfahrung eben auch aus beruflicher Sicht: „Mir war klar, es ist nicht nur fußballerisch eine mega Chance, sondern auch akademisch. Schlussendlich hätte ich es bereut, wenn ich es nicht genutzt hätte.“
Und so folgt sie ihrem Leitspruch „dream big“, der mittlerweile als Tattoo ihren Fuß ziert. „Man muss große Träume haben, sonst erreicht man nichts Großes“, erklärt sie ihr Motto. Doch bei all den Träumereien vergisst sie eben nicht auf eine gesunde Portion Realismus.