Sport

Lukas Mähr im großen Exklusiv-Interview

11.08.2024 • 05:55 Uhr
Lukas Mähr im großen Exklusiv-Interview
Für Lukas Mähr ist es noch nicht ganz zu fassen, dass er Olympiasieger ist. GEPA

Lukas Mähr im Exklusiv-Interview über seinen Olympiasieg, eine beinahe schlaflose Nacht und einen emotionalen Anruf.

Wie gut schläft man in der Nacht nach einem Olympiasieg?
Lukas Mähr: Ehrlich gesagt gar nicht gut. Denn das ist der Moment, in dem es in einem so richtig zu arbeiten beginnt, das ist auch Lara so gegangen. Wir haben beide kaum geschlafen. Wobei sie länger gefeiert hat als ich, ich habe die Nacht bei meiner Familie verbracht, die ja vor Ort in Marseille war, was mir so gut getan hat. Ich bin wach im Bett gelegen und habe mir gesagt: Hey, was ist da gerade passiert? Wir sind Olympiasieger geworden! In den Tagen davor waren wir aufs Segeln konzentriert und haben alles andere ausgeblendet. Aber in der Nacht nach dem Medal Race ist es dann über mich hereingebrochen. Olympiasieger, alter Schwede, wie geil ist das denn?

Wenn man am nächsten Morgen aufwacht, fragt man sich da, ob das alles wirklich passiert ist?
Mähr: Genau so war es, der erste Blick war klassisch zur Medaille: Gibt es die wirklich? Es ist mir sehr wichtig, Ihnen bei nächster Möglichkeit die Medaille zu zeigen, sie ist so groß und schwer. Wenn man die in der Hand hat, wird einem ultraschnell bewusst, dass es Realität ist und kein Traum war.

Ihnen wurden bei der Medaillenfeier am Abend Jakobsmuscheln und Garnelenschwänze serviert.
Mähr: Wir haben unseren Koch Hakan extra nach Marseille mitgenommen, er hat uns immer fein verköstigt. Nicht mit abgehobenen Mahlzeiten, sondern im Gegenteil mit qualitativ hochwertigen, frischen Lebensmitteln aus der Region. Lara und ich sind Leute vom Meer, wir genießen die kulinarischen Köstlichkeiten des Meers, wir lieben Fisch, Muscheln und Garnelen, mit der Mahlzeit hat Hakan, der übrigens Bregenzer ist, genau unseren Geschmack getroffen.

Wie war die Medaillenfeier?
Mähr: Fein, aber relativ ruhig im kleinsten Kreis. Man hat dabei gespürt, dass allen ein Stein vom Herzen gefallen ist. Meine Familie war da, meine Eltern, die Eltern von Lara, alle waren erleichtert, dass es vorbei ist. Denn es war ja auch das Zuschauen ultraspannend und nervenaufreibend. Auch beim Segelverband ist allen ein Stein vom Herzen gefallen, sie haben viel Geld in uns investiert, sind in die Vorleistung gegangen. Lara und mir wurde so viel ermöglicht. Wenn das nicht aufgegangen wäre, dann wäre das mit Blick auf die nächsten vier Jahre nicht gut gewesen für den Verband. So hoffe ich und hoffen wir alle, dass der Segelverband das Vertrauen der Fördergeber genießen wird. Die Feier fand im Coaches-Haus statt, wie wir das Haus genannt haben, wobei ich da vielleicht etwas ausholen muss. Wir Segler wohnten in einem Athletenhaus, wir waren unter uns, damit in dem Haus immer Ruhe herrschte und es auch einen Rückzugsort für uns Athleten gab. Die Trainer und Betreuer haben in einem eigenen Haus gewohnt – und dort haben wir gefeiert. Wir haben gegessen, angestoßen, aber gar nicht so ausgiebig, weil wir wussten, dass vor dem Kitesurfer Valentin Bontus das wichtigste Rennen seines Lebens lag, und weil es uns ein Anliegen war, ihn ja nicht zu stören. Außerdem hatten wir ja selbst die freudige Erwartung, dass er auch eine Medaille holt. Diese Erwartungen hat er komplett erfüllt, dass es Gold geworden ist, ist natürlich genial.

GEPA-20240810-101-142-0082
Olympiasieger unter sich: Lukas Mähr, Lara Vadlau und Valentin Bontus gestern bei einem Empfang im Österreich-Haus in Paris. GEPA

Haben Sie sich je vorgestellt, wie es sein würde, Olympiasieger zu sein?
Mähr: Nein, die Olympiamedaille war für mich ein Ziel, das ich verfolgt habe. Ich habe nie überlegt, wie es sein würde, wenn ich eine Medaille gewinne, sondern immer nur darüber nachgedacht, was ich dafür tun muss, um eine Medaille zu gewinnen.

Über Sie und Lara Vadlau bricht gerade vieles herein.
Mähr: Es ist total spannend, wir wurden und werden herumgereicht, das ist schön, irgendwie ist es uns fast schon zu viel, aber wenn man viele Anfragen bekommt, meine Güte, dann ist das halt so. Sie haben es in Ihrem Bericht wunderbar auf den Punkt gebracht: Wir haben mit unserem Olympiasieg Sportgeschichte geschrieben. Daher ist das Interesse an uns so groß. Außerdem ist es ja auch eine große Ehre und eine große Freude, dass wir unsere Geschichte erzählen dürfen.

Ist es ganz gut, dass man vorher nicht weiß, was für eine Wucht ein solcher Olympiasieg auslöst?
Mähr: Lara und ich waren uns einig, dass wir nicht zu viel über den möglichen Olympiasieg nachdenken. Wir haben die ganze Woche unseren Fokus darauf gelegt, am nächsten Tag wieder so weit wie möglich nach vorne zu segeln. Das war das Ausschlaggebende, wir haben, im Nachhinein gesehen, eine unfassbare Nervenstärke bewiesen und uns durch nichts aus der Ruhe bringen lassen. Wir haben letztendlich nichts anderes gemacht, als jeden Tag gut zu segeln, was unser Ziel war. Unser Trainer hat uns gesagt: Jeder, der die Ergebnisse im Blick hat, jeder, der von einer Medaille träumt, wird die Medaille wieder verlieren, weil es darum geht, an jedem Tag das beste Rennen seines Lebens zu fahren. Das schaffst du aber nicht, wenn du dich mit Zahlen, Rechnereien oder den Wünschen ablenkst, dass du eine Platzierung halten willst. Lara und ich waren ab dem dritten Tag in Führung – unsere Einstellung war aber trotzdem bis zum achten Tag: Wir wollen vom Jäger nicht zum Gejagten werden. Wir liegen zwar an der ersten Stelle, aber wir möchten unbedingt Jäger bleiben. Diese Perspektive war für uns total wichtig.

Nach großen Leistungen und Erlebnissen ist es oft wichtig, dass man einen Moment findet, um sich zu sammeln und einfach mal bei sich zu sein. Wann waren Sie nach Ihrem Olympiasieg zum ersten Mal allein – und wie war dieser Moment?
Mähr: Danke für diese Frage, denn sie zielt auf einen wirklich speziellen Moment ab. Nach dem ersten Presserummel sind wir zurück zum Boot und hatten etwa 45 Minuten Zeit zum Luftholen. Genau zu diesem Zeitpunkt hat mein ehemaliger Segelpartner David Bargehr aus Miami angerufen. Es wurde ein ganz besonderes Gespräch. David gehört für mich zur Familie, er hat mir gratuliert, was ein emotionaler Moment für mich war. Er weiß genau, was ich durchgemacht habe, wie viel Arbeit ich investiert habe. Er hat einen ganz großen Anteil daran, dass ich der Segler wurde, der ich heute bin. Natürlich, ersegelt haben es Lara und ich, aber auf meinem jahrzehntelangen Weg zu meinem Olympiasieg war er ein wichtiger Mensch. Wir waren 14 Jahre lang gemeinsam im Boot, sind als Segler seit Kindheitstagen an gemeinsam unseren Weg gegangen, haben gemeinsam viel aufgebaut, viel trainiert, viel erlebt. Von diesen Erfahrungen habe ich beim Start der Olympiakampagne mit Lara im Jahr 2021 immens profitiert.

An der Stelle gilt es zu wissen, dass im Jahr 2021 das 470er-Format auf einen Mixedbewerb geändert wurde und das Duo Bargehr/Mähr auseinander gehen musste.
Mähr: Genau. Auch darum hat es mich so bewegt, dass mich David angerufen hat und sich so ehrlich für mich mitgefreut hat.

GEPA-19011870129
Lukas Mähr bildete über ein Jahrzehnt lang ein Team mit David Bargehr. GEPA

Sie sind der erste Vorarlberger Olympiasieger bei Sommerspielen seit 1960 Hubert Hammerer in Rom und stehen nun in einer Reihe mit Legenden wie Othmar Schneider, Egon Zimmermann, Toni Innauer oder Hubert Strolz. Das sind riesige Dimensionen.
Mähr: Es ist gewaltig. Ich bin zu jung, um diese Siege miterlebt zu haben und kenne daher nur vom Nachlesen die Geschichten dazu. Aber die Namen, die Sie da aufgezählt haben, das sind alles Legenden, dass ich jetzt plötzlich in einer Reihe mit diesen Größen stehe, bekomme ich noch nicht so recht zu fassen. Für mich sind das alles Sportler, die deutlich mehr erreicht haben als ich.

Wie haben Sie die Siegerehrung und speziell die Hymne erlebt?
Mähr: Es war unglaublich cool, ein atemberaubendes Spektakel, alles war so gut getimt. Das Ambiente am Meer war so stimmig, die österreichische Nationalflagge wehte für uns im Wind, das waren Gänsehautmomente. Ganz besonders war natürlich, als die Hymne gespielt wurde – ich war so stolz, die Emotionen waren überwältigend. Lara und ich schwörten und vor der Siegerehrung ein, dass wir uns beide bemühen, bei der Siegerehrung nicht loszuweinen.

ABD0166_20240808 – PARIS – FRANKREICH: Gold fŸr Lara Vadlau und Lukas MŠhr (AUT) am Donnerstag, 08. August 2024, wŠhrend der Siegerehrung zum Medal Race zur 470er-Klasse anl. der Olympischen Sommerspiele 2024, bei Marseille. – FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
Vadlau/Mähr bei der Siegerehrung. APA

Als Ulrike Meyfarth 1972 mit 16 Jahren in München den Hochsprung gewann, ging es ihr genauso: Sie wollte unbedingt vermeiden, dass sie bei der Siegerehrung drauflos heult und hat dann während der deutschen Hymne die deutsche Fahne angestarrt – dadurch hatte sie einen ganz ernsten Gesichtsausdruck.
Mähr: Sie war erst 16? Wow. Ganz so unter Kontrolle wollten Lara und ich uns nicht haben, aber wir wollten das Bild vermeiden, dass wir so richtig drauflos heulen. Was offen gestanden gar nicht so einfach war, denn es war schon sehr ergreifend.

Lassen wir die Olympiaregatta Revue passieren, die mit einem Fehlstart für Sie begann, was Sie extrem unter Druck brachte. War im Anschluss die zweite Wettfahrt der neuralgische Punkt der Regatta – und war der fünfte Rang, den Sie in dieser Wettfahrt erreichten, das richtungsweisende Erlebnis?
Mähr: Im Nachhinein hat der Fehlstart unsere Sinne geschärft, aber das ist wirklich nur eine Einschätzung in der Retrospektive. Der Fehlstart war ein ordentlicher Schubser, das Wasser ist uns danach bis zum Hals gestanden, wir durften uns keinen Fehler mehr erlauben. Das war genau der Start in die Olympia-Regatta, den wir nicht haben wollten, aber wir haben dem Druck standgehalten – und der war, völlig richtig, vor allem vor der zweiten Wettfahrt riesig.

Ab wann hatten Sie und Lara Vadlau das Gefühl, dass wirklich was drinnen liegt – nach dem souveränen Wettfahrtsieg am zweiten Tag bei Rennen vier?
Mähr: Der zweite Tag war extrem wichtig. Es hatte deutlich mehr Wind, was uns happy gemacht hat – weil wir wussten, dass wir bei diesen Bedingungen richtig schnell sind. Das macht mich auch so stolz auf unsere Leistungen: An Tagen, an denen wir uns gesagt haben, dass das unsere Bedingungen sind und wir diese Verhältnisse nützen müssen, waren wir auch wirklich stark. Das ist gar nicht so einfach. Weil du an solchen Tagen den Erwartungen gerecht werden und dringend performen musst, weil eben deine Lieblingsbedingungen herrschen. Das ist uns wirklich überragend gelungen. Wir wurden am zweiten Tag Dritte und Erste, das hat uns schon sehr viel Mut gemacht.

ABD0046_20240806 – MARSEILLE – FRANKREICH: ++ HANDOUT ++ ZU APA0352 VOM 6.8.2024 – Die Segler Lara Vadlau/Lukas MŠhr fŸhren bei den Olympischen Spielen vor dem entscheidenden Medal-Race die Wertung der 47oer Klasse weiter an. Im Bild:Das šsterreichische Duo bei ihrer Wettfahrt am Dienstag, 06. August 2024 vor Marseille. – FOTO: APA/WORLD SAILING/LLOYD IMAGES – ++ […]
Die angehenden Olympiasieger überließen nichts dem Zufall: Vadlau/Mähr hatten jedes Detail im Blick. World Sailing

Mein Eindruck war, dass Sie und Lara Vadlau zwar viel kommuniziert haben, aber in den Aktionen immer überlegt waren und immer Ruhe ausgestrahlt haben.
Mähr: Das kann ich nur bestätigen. Diese Ruhe hatten wir, die hat uns auch geholfen, ab dem zweiten Rennen fehlerfrei durch die Tage zu kommen.

Ihre Rennstarts waren danach viel defensiver, dadurch waren Sie des Öfteren in der Situation, das Feld von hinten aufrollen zu müssen – so wie das dann später ja auch im Medal Race der Fall war.
Mähr: Wir mussten nach dem ersten Tag unsere Strategie umstellen, uns war klar, dass wir im ersten Rennen bei dem Fehlstart zu viel Risiko eingegangen sind. In Kurzfassung haben wir mit unserem Coach besprochen, wie wir konservativ starten können, um auf gar keinen Fall einen weiteren Frühstart zu produzieren, dafür aber eine Rennstrategie zu finden, die während der Wettfahrt an sich etwas risikoreicher ist. Wir wussten, dass wir schnell sind, wir hatten dank unserer Meteorologin Elena einen super Überblick auf die Wetterlage, dadurch waren wir so stabil.

Es gab aber auch Tage mit Vorwind und Leichtwind, was nicht so nach Ihrem Geschmack ist – auch an diesen Tagen war Ihre Leistung, um es mit Ihren Worten zu sagen, sehr stabil.
Mähr: An diesen Tagen hat sich unser hartes und konsequentes Training vom Frühjahr in der Olympiabucht ganz besonders bezahlt gemacht. Wir konnten dadurch bei allen Bedingungen zumindest super mithalten, bei manchen Verhältnissen waren wir sogar deutlich schneller als die anderen.

Wie lief ein Wettkampftag ab?
Mähr: In der Früh stand ein Wettermeeting an, dabei wurden wir meteorologisch auf den Tag vorbereitet. Danach fand eine Strategiebesprechung mit unserem Trainer statt – anschließend sind wir immer aufs Wasser. Wir waren eigentlich jeden Tag die Ersten am Wasser, weil wir immer die Zeit nutzen wollten, um uns einzusegeln und ein Gefühl für die Situation zu bekommen. Dann kamen die Wettfahrten, nach den Rennen haben wir zunächst unser Boot kontrolliert und startklar für den nächsten Tag gemacht, hinterher folgten Nachbesprechungen mit der Meteorologin und dem Trainer sowie Physiotherapie und eine Einheit mit unserem Sportpsychologen. Danach gab es noch das Abendessen, anschließend war Nachtruhe. Das Tagesprogramm dauerte von 8 bis 22 Uhr.

Eigentlich hätte das Medal Race nicht erst am Donnerstag, sondern schon am Mittwoch stattfinden sollen. Am Mittwoch herrschte allerdings Flaute respektive Leichtwind. Wie erleichtert waren Sie, dass das Medal Race nicht bei Leichtwind durchgeführt wurde – bei solchen Bedingungen kann ja wirklich alles passieren?
Mähr: Das war uns schon sehr recht, denn bei diesen schlechten Bedingungen wäre der Zufall ein Faktor geworden. Die allermeisten Segelteams haben im Vorfeld der Regatta mit dem Veranstalter gesprochen und gebeten, die Rennen nicht bei miserablen Bedingungen durchdrücken zu wollen. Das haben die Veranstalter wirklich beherzigt, wir sind immer bei sehr guten Bedingungen gesegelt.

ABD0151_20240807 – MARSEILLE – FRANKREICH: ++ HANDOUT ++ ZU APA0400 VOM 7.8.2024 – Die Medal Race der 470er-Segler mit Vadlau und MŠhr wurde auf Donnerstag, 8. August 2024 vertagt. Im Bild: Lukas MŠhr und Lara Vadlau, im Rahmen der Olympischen Sommerspiele, aufgenommen am Mittwoch, 7. August 2024, in Marseille. – FOTO: APA/…OC/MICHAEL MEINDL – ++ […]
Am Mittwoch gingen Lukas Mähr und Lara Vadlau unverrichteter Dinge wieder zur Unterkunft: Das Medal Race musste auf den nächsten Tag verschoben werden. APA

Trotzdem mussten Sie am Mittwoch ja stundenlang am Strand sitzen und auf die Entscheidung warten, ob das Medal Race doch stattfindet oder abgesagt wird. Abgesagt wurde ja erst nach mehreren Verschiebungen, zwischendurch ging eine andere Klasse an den Start, da war zumindest möglich, dass Ihr Medal Race gefahren wird. Wie schwer war es während dieser Wartezeit, nicht doch über die große Medaillenchance nachzudenken?
Mähr: Es war unmöglich, in all diesen Stunden nie darüber nachzudenken, aber ich hatte meine Gedanken schon im Griff. Schwierig war, das richtige Maß zu finden zwischen aktiviert bleiben und nicht müde zu werden. Wenn du ständig startbereit bist, zehrt das an den Kräften, dann bist du irgendwann erledigt. Du darfst aber auch nicht müde rumsitzen, dann schaffst du es nämlich nicht mehr, dich zu aktivieren. Für solche Situationen habe ich mit Martin Rinderer vom Olympiazentrum Vorarlberg Strategien ausgearbeitet, daher wusste ich, welche Elektrolytgetränke an diesem Nachmittag gut für meinen Energiehaushalt waren. Manuel Hofer vom Olympiazentrum Vorarlberg hat mir Übungen an die Hand gegeben, mit denen ich mich auch nach einer Wartezeit aktivieren konnte. Das Olympiazentrum Vorarlberg war ein wichtiger Partner auf meinen Weg zum Olympiasieg, ich hatte selbst vor Ort in Marseille noch per Whatsapp Kontakt mit meinen Vertrauenspersonen, obwohl wir eigentlich schon alle Strategien ausgearbeitet hatten, wie ich mich bei Hitze oder eben bei Wartezeiten verhalten soll. Das alles waren Vorbereitungen auf die Spiele, die Jahre gedauert haben.

Als moralische Unterstützung war bestimmt auch wichtig für Sie, dass Ihre Familie und Ihre Eltern vor Ort in Marseille dabei waren.
Mähr: Ja, weil es das Schönste ist, wenn man einen Erfolg mit seiner Familie teilen kann und nicht nur am Telefon mit ihnen darüber spricht. Es hat mir sehr viel Kraft gegeben, dass meine Familie da war, obwohl wir wenig Kontakt hatten. Sie mussten bei der Hitze in der Fanzone sein und haben uns von dort die Daumen gedrückt, nach den Rennen konnten wir uns sehen, aber immer nur kurz.

Das Medal Race konnte dann am Donnerstag bei idealen Bedingungen durchgeführt werden. Allerdings wurden Sie beim Start von den Spaniern Xammar/Brugman, die in der Gesamtwertung an der zweiten Stelle lagen, völlig unverhohlen blockiert. Das hat Ihr Rennen maßgeblich beeinflusst.
Mähr: Sehr sogar. Wir sind eigentlich vor dem Rennen prinzipiell davon ausgegangen, dass speziell die hinter uns Klassierten ihren Fokus auf sich selbst legen, um ihre Medaille nicht zu riskieren. Die Teams hinter uns hatten ja noch weniger Vorsprung auf ihre Verfolger als wir. Deshalb waren wir schon überrascht, dass die Spanier mit einem solchen Startmanöver so ins Risiko gegangen sind – und doch waren wir vorbereitet, dass so etwas passieren kann. Nach der Attacke der Spanier war es für uns beide schwierig, wir waren beide nach dem Start relativ weit abgeschlagen. Aber uns war nach den Erfahrungen aus der ganzen Woche klar, dass wir eine super Geschwindigkeit haben und dass wir, wenn wir uns nicht ganz blöd anstellen, noch ein paar Boote überholen, um uns eine Medaille zu sichern. Wir konnten diese Aufholjagd dann auch starten und durch den Vorsprung, den wir uns über die gesamte Woche erarbeitet hatten, reichte uns im Medal Race ein siebter Platz für den Olympiasieg. Ich verstehe es noch immer nicht, warum sich die Spanier zu dieser Aktion beim Start hinreißen haben lassen. Das war äußert unklug und hat ihnen auch nichts gebracht. Im Gegenteil. Sie sind dadurch selbstverschuldet vom zweiten auf den vierten Platz zurückgerutscht. Sie wollten alles, sie wollten Gold gewinnen und haben alles verloren.

ABD0054_20240808 – PARIS – FRANKREICH: Lukas MŠhr und Lara Vadlau (AUT) am Donnerstag, 08. August 2024, wŠhrend. des Medal Race zur 470er-Klasse anl. der Olympischen Sommerspiele 2024, bei Marseille. – FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
In diesem Augenblick war Vadlau/Mähr klar, dass sie Olympiasieger sind. APA

Von außen hatte man das Gefühl, dass Sie und Lara Vadlau selbst noch die Ruhe bewahrten, als Sie zu Beginn des Medal Race mit mehreren Bootslängen Rückstand Letzter waren. Vadlau meinte sogar nach der ersten Wende zu Ihnen: Lass sie fahren.
Mähr: Ja, wir sind ruhig geblieben, weil wir eben gewusst haben, wie oft wir das Feld schon von hinten aufgerollt hatten. Wir sind ja bei der Olympia-Regatta fast nie vorneweg gefahren.

Nach der Zielankunft war dann für Sie auf dem Boot mehrere Minuten unklar, welche Medaille Sie gewonnen haben. Bis dann ­irgendwann Lara Vadlau sagte: We have Gold, warum sagt uns das keiner?
Mähr: Es war echt kompliziert. Wir wussten, dass die Spanier in der Gesamtwertung sicher hinter uns liegen, weil sie im Medal Race nicht mehr aufholen konnten. Wir haben auch gewusst, dass die Schweden in der Gesamtwertung nicht vor uns sind. Also war klar, dass wir sicher Silber hatten, aber wir wussten nicht, auf welcher Position die Japaner ins Ziel gekommen sind – weil wir auf unser Rennen fokussiert waren. Wenn die Japaner das Medal Race gewonnen hätten, wären sie Olympiasieger gewesen. Wir waren deshalb sehr zurückhaltend, wir wollten auf keinen Fall zu früh über Gold jubeln.

Sie wirkten in diesen Augenblicken fast ein wenig überwältigt.
Mähr: Ich war schon gelöst, denn wir wussten, dass wir eine Medaille hatten. Die Frage war einfach, welche Farbe sie hatte. Es war so konfus. Neben uns trieben Boote mit so vielen Presseleuten, die haben uns fotografiert, doch keiner konnte uns sagen, was Sache war. Auch unser Trainer hat mehrfach nachgerechnet, weil er sich ganz sicher sein wollte. Das war und ist unser Teamspirit: Wir wollen bodenständig sein. Wir haben dann sogar selbst angefangen zu rechnen auf dem Boot. Nach ein paar Minuten war es dann klar, und wir konnten jubeln.

Bleibt zum Schluss noch eine Frage: Olympiasieger Lukas Mähr – wie klingt das?
Mähr: Mega, immer noch nicht ganz real. (lacht)