Der Zauber des Anfangs

Das Team Vorarlberg ist gerade dabei, sich neu zu erfinden. Beim Radrennstall mit Sitz in Rankweil herrscht Aufbruchstimmung, denn man steuert völlig neue Wege an.
Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“, heißt es bekanntlich in dem gleichnamigen Evergreen, der den Zauber des Anfangs in Tönen und Worten einfängt. Diese Magie des Anfangs erleben sie gerade auch beim Team Vorarlberg. Am plakativsten wird das für Außenstehende mit einem neuen Erscheinungsbild des Radstalls sichtbar: Das Team Vorarlberg ändert seine Teamfarben, das Neongelb weicht einem satten Gelb, zudem halten auch die Farben Magenta und Hellblau Einzug ins Erscheinungsbild. So ganz will Teammanager Thomas Kofler die Katze noch nicht aus dem Sack lassen, aber der neue Markenauftritt hat mit einer vertieften strategischen Partnerschaft zu tun, die das Team Vorarlberg mit der Rad-Fachmesse Eurobike eingegangen ist. In neuen Händen ist auch die Sportliche Leitung bei der Vorarlberger Radequipe: Paul Renger übernimmt von Werner Salmen die Sportliche Leitung und wird fortan zusammen mit dem bereits bewährten Cornel Enzler die sportlichen Geschicke beim Traditionsradstall aus Rankweil leiten. Auch das Betreuerteam hat bei den Mechanikern und Physiotherapeuten neue Gesichter bekommen.

Saisonplanung
„Bei uns herrscht Aufbruchstimmung. Wir gehen neue Wege, weil es gut tut, sich von Zeit zu Zeit neu auszurichten und alte Gewohnheiten aufzubrechen, das sorgt für neue Energie“, betont Team-Vorarlberg-Macher Thomas Kofler. Neue Wege gehen Kofler und Co. zum Beispiel auch bei der Saisonplanung. Startete man in den vergangenen Jahren mit der Tour of Rhodos eher gemächlich ins Rennjahr und richtete den Formaufbau auf den Sommer aus, gehen die Rankweiler in diesem Jahr gleich in die Vollen: Von 2. bis 6. April nimmt das Team Vorarlberg erstmals seit vielen Jahren wieder an der Tour of Hellas, also der traditionsreichen Griechenland-Rundfahrt, teil. Anschließend steht mit der Tour of the Alps gleich das nächste Saisonhighlight an, die Oberländer erhielten für die grenzüberschreitenden Rundfahrt über fünf Etappen von San Lorenzo Dorsino im Trentino bis nach Lienz in Osttirol eine Wildcard: Die Tour findet vom 21. bis 25. April 2025 statt. Eine Woche später, am 1. Mai, richtet das Team Vorarlberg erneut im Walgau den GP Vorarlberg aus. Diese so frühen Saisonhöhepunkte verlangen freilich auch eine andere Saisonvorbereitung, wie Kofler beschreibt: „Wir haben in den Vorjahren den Start bei der Tour of Rhodos mit einem Trainingslager in Griechenland verbunden. In diesem Jahr bereiten sich unsere Fahrer zunächst individuell vor. Einige von ihnen absolvieren ihre Vorbereitung zusammen auf Teneriffa, andere auf Gran Canaria, wieder andere in Südafrika.“
Zahlen, Daten, Fakten.

Ein gemeinsames Trainingslager steht Anfang März in Kroatien an, das man mit Rennstarts in Kroatien und Istrien verbindet. Den ersten Formcheck in der Rad-Bundesliga gibt es Ende März in Leonding. Neu beim Team Vorarlberg ist die Position des Performance Managers, die Ex-Team-Vorarlberg-Profi Moran Vermeulen übernommen hat. Der Steirer, der im Vorjahr seine Karriere beendet hat, betreibt datenbasierte Leistungsdiagnostik, steht im engen Austausch mit den Athleten, Trainern und Betreuern. Vermeulens Analysen sollen nicht nur die Leistungen in der Spitze verbessern, sondern auch die Entwicklung der Vorarlberger Jungprofis vorantreiben. „Manchmal ist es gerade bei jungen Radprofis so, dass die Entwicklung steckenbleibt. Dank der Leistungsdiagnostik von Moran können wir ab sofort anhand von Daten belegen, welche Anpassungen es im Trainingsalltag braucht.“ Wichtig für das Team ist auch, dass Jürgen Schatzmann wieder zum Fixpunkt wird – der Organisationsleiter arbeitete im Vorjahr fast ausschließlich als Ö-Tour-Organisator. Schatzmann ist sozusagen ein neuer alter. Ebenso neu ist, dass das Team Vorarlberg sich, im wahrsten Sinne des Wortes, auf das Terrain der Gravelrennen wagt. Das sind Radrennen auf größtenteils unbefestigtem Untergrund. Die gefahrenen Distanzen entsprechen dabei in etwa dem der Straßenrennen. So startet das Team Vorarlberg am 6. April mit einer Delegation bei einem Gravelrennen am Wörthersee und wird 2025 auch an der EM und WM teilnehmen. Nicht mehr im Rennkalender der Oberländer findet sich die knapp zweiwöchige Portugal-Rundfahrt. Die Kosten für die Teilnahme waren schlichtweg zu hoch, denn die Teuerungen und finanziellen Unwägbarkeiten machen auch nicht vor dem Team Vorarlberg halt. „Die Portugal-Rundfahrt war eine großartige Plattform und ein Erlebnis für unser Team. Mit dem Rundfahrtsieg bei der Premierenteilnahme im Jahr 2023 durch Colin Stüssi und dem zweiten Platz im Vorjahr ebenfalls durch Stüssi haben wir große internationale Aufmerksamkeit erhalten. Wir haben dadurch auch den ein oder anderen Partner gewonnen, weil wir mit unserem Mut Eindruck gemacht haben“, verdeutlicht Kofler, sagt aber: „Die Portugal-Rundfahrt passt in diesem Jahr weder finanziell noch sportlich in unsere Saisonplanung.“
Denn die anhaltende Kostenexplosion stellt den Vorarlberger Radstall natürlich vor Herausforderungen. Wie sehr die Spritteuerung bei mit den Begleitautos zurückgelegten rund 300.000 Fahrtkilometern ins Gewicht fällt, lässt sich leicht erahnen. Enorm wichtig ist da, dass dem Team Vorarlberg die Illwerke vkw als Partner erhalten bleiben. Dennoch mussten die Oberländer von 15 auf 12 Fahrer reduzieren.
Zweite Etappe
Nach dem GP Vorarlberg am 1. Mai starten die Rankweiler gewissermaßen eine zweite Etappe bei der Saisonvorbereitung und trimmen sich für die Oberösterreich-Rundfahrt und vor allem für die Tour Austria, die Anfang Juli stattfinden wird. Die heimischen Radsportfans dürfen sich dabei große Hoffnungen machen, dass die Österreich-Rundfahrt wie schon bei der Neuauflage 2023 wieder in Vorarlberg gastiert. Aufgrund der geografischen Lage kommt dabei fast nur die Start- oder Zieletappe infrage, da 2023 die Tour in Dornbirn startete, könnte dieses Mal die Ö-Tour in Vorarlberg enden, wenn auch eher nicht in Dornbirn. „Ich kann da noch nicht zu viel verraten“, bittet Thomas Kofler um Geduld, lässt dann aber doch tief blicken, wenn er sagt: „Wir befinden uns in den abschließenden Gesprächen, sobald es etwas zu verkünden gibt, werden wir das tun.“ Klar ist hingegen schon, dass das Team Vorarlberg im August an der Czech Tour, also der Tschechien-Rundfahrt, teilnimmt. Mit dem Radkriterium in Rankweil am 23. August biegt die Saison der heimischen Radequipe mit einem weiteren großen Highlight in den Endspurt ein. Was aufzeigt: Der Rennkalender der Oberländer kann sich sehen lassen. „Ich bin der Meinung, dass wir noch nie so ein anspruchsvolles Rennprogramm wie in diesem Jahr hatten“, bringt es auf Kofler auf den Punkt. Interessant ist dabei auch, dass das Team Vorarlberg mit Rennrädern in die Saison gehen, die, man kann es nicht anders ausdrücken, ein wahres Wunderwerk der Technik sind. Die Räder werden zum Besten gehören, was der Peloton-Rennsport in diesem Jahr zu bieten hat, vergleichbar mit dem Material, das beim UCI-Pro-Team Tudor verwendet wird. „Ich will es mal so ausdrücken“, sagt Kofler schmunzelnd, „am Material wird es in diesem Jahr nicht scheitern.“ Auf die Fahnen heften darf sich das Chefmechaniker Johannes Kofler, unübersehbarer Zwillingsbruder des Teammanagers.
Personal
Bleibt natürlich noch die Frage nach den Radprofis, die diese Räder bewegen und die Rennplanungen mit Leben erfüllen sollen. Mit Pirmin Benz, Alexander Konychev, Lukas Meiler, Jannis Peter, Felix Stehli und nicht zuletzt dem schon erwähnten Teamkapitän Colin Stüssi konnten fast alle ausländischen Leistungsträger gehalten werden. Nachsatz zu Stehli: Der Schweizer hat sich bei einem Treppensturz das Syndesmoseband oberhalb des Sprunggelenks gerissen. Stehli musste sich operieren lassen, wird aber Anfang April in das Renngeschehen einsteigen können. Als einziger Top-Fahrer hat Lukas Rüegg die Oberländer verlassen. Dafür konnte Teammanager Thomas Kofler mit dem 22-jährigen Iren Liam Crowley einen angriffslustigen Fahrer gewinnen, der in seinem ersten Profijahr vor allem bei Klassikern seine Stärken einbringen soll. Hochinteressant sind nicht zuletzt zwei österreichische Fahrer, die neu beim Team Vorarlberg sind: Zum einen ist das Emanuel Zangerle. Der 24-jährige Tiroler kommt vom Team Felt-Felbermayr und war 2024 WM- und EM-Starter. Zum anderen kehrt der 35-jährige Dornbirner Daniel Geismayr zum Team Vorarlberg zurück und will speziell an den schweren Eintagesrennen und Rundfahrten seine Klasse beweisen. Geismayr war schon von 2017 bis 2020 beim Rankweiler Profiradteam, in diesen vier Jahren glänzte der eigentliche Mountainbiker, der bei den MTB-Marathon-Weltmeisterschaften Silber und Bronze holte, stilecht als Edelhelfer in den Bergen.
Noch bleiben dem Team Vorarlberg knapp vier Wochen bis zum Saisonauftakt Zeit, in diesen vier Wochen kommt Performance Manager Vermeulen eine besondere Bedeutung zu. Er koordiniert die Vorbereitung und wertet fortlaufend die Daten aus. Außerdem passen Kofler und Co. in den nächsten Wochen noch ihren Markenauftritt an das neue Erscheinungsbild an. „Es wird ein cooles Rennjahr“, ist sich Kofler sicher, der es kaum mehr erwarten kann, bis die Saison losgeht. „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“, heißt es in dem bekannten Evergreen, der den Zauber des Anfangs in Tönen und Worten einfängt. Diesen Zauber erleben sie gerade auch beim Team Vorarlberg, wo sie mit neuen Experten, neuen Ausrichtungen und neuen Ideen völlig neue Wege gehen. Respekt!