Markus Fäßler: “Bürgermeisteramt ist kein Job, sondern eine Lebensweise”

Markus Fäßler (SPÖ) ist seit April neuer Bürgermeister von Dornbirn. Der 45-Jährige über seinen überraschenden Wahlerfolg, erste Weichenstellungen im Amt und die Herausforderungen der Stadtpolitik.
Kurzer Rückblick. Wie haben Sie den 30. März erlebt?
Markus Fäßler: Ein sehr emotionaler Tag – für mich persönlich und alle, die an einen politischen Wandel geglaubt haben. Die klare Entscheidung der Dornbirner Bevölkerung in der Bürgermeister-Stichwahl war ein Vertrauenssignal. Ich habe diesen Tag mit Dankbarkeit und Demut erlebt. Es war mehr als ein Wahlerfolg – ein Auftrag, Dinge anders zu machen: näher an den Menschen, offener, lösungsorientierter. Den Abend habe ich mit meinem Team verbracht – mit Freude, auch im Bewusstsein der Verantwortung.

Wie erklären Sie sich diesen Wahlerfolg, obwohl die SPÖ nur drittstärkste Kraft ist?
Fäßler: Der Erfolg erklärt sich nicht nur parteipolitisch. Viele wählten eine Haltung – Offenheit, Dialog, Bürgernähe. Als Stadtrat und Vizebürgermeister konnte ich Projekte in der Stadtentwicklung, Mobilität und Beteiligung umsetzen. Ich habe bewiesen, dass ich zuhören und gemeinsam handeln kann. Kontinuität in der Sacharbeit, verbunden mit einem neuen Stil, hat viele überzeugt.

Gab es einen Protestcharakter bei der Wahl? Oder war es ein persönliches Votum?
Fäßler: Beides. Es gab Unzufriedenheit mit Entwicklungen und dem politischen Ton. Gleichzeitig war die Bereitschaft groß, einem neuen Weg zu vertrauen. Ich habe im Wahlkampf offen kommuniziert, war präsent und transparent. Dass ich Stimmen aus allen Lagern bekam, zeigt persönliches Vertrauen über Parteigrenzen hinweg.

Haben Sie sich schon eingelebt?
Fäßler: Ja. Die ersten drei Monate waren intensiv, aber durch meine Erfahrung in der Stadtregierung kannte ich viele Abläufe. Ich konnte auf ein professionelles Team bauen und habe viele Gespräche mit Mitarbeitenden, Fraktionen und Bürgern geführt. Das Amt lebt von Nähe, nicht von Distanz. Ich sehe meine Aufgabe darin, präsent zu sein, zuzuhören und Orientierung zu geben – gerade in herausfordernden Zeiten.

Ihre wichtigsten Entscheidungen oder Initiativen bisher?
Fäßler: Ein zentraler Punkt ist die Finalisierung des neuen Gesamtverkehrskonzepts für nachhaltige Mobilität in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren – mit Fokus auf Klimaschutz und Verkehrsberuhigung. Demnächst werden wir es der Stadtvertretung zur Beschlussfassung vorlegen. Zudem starten wir den Neubau eines modernen Seniorenhauses mit 120 Plätzen. Auch im Bereich leistbares Wohnen wurden konkrete Projekte gestartet – in der Klostergasse, am Moosweg und in der Eisengasse.
Schwierige oder dringlicher als erwartete Themen?
Fäßler: Pflege ist besonders komplex – Gebäude zu planen allein reicht nicht, es braucht Personal und nachhaltige Finanzierung. Auch die finanzielle Lage der Stadt ist angespannt: stagnierende Einnahmen, steigende Fixkosten. Das engt den Spielraum für Investitionen ein. Darum müssen wir Prioritäten setzen, ohne den Blick auf Menschen zu verlieren, die besonders auf die Leistungen der Stadt angewiesen sind.

Leistbares Wohnen war ein zentrales Wahlkampfthema von Ihnen. Was wurde umgesetzt?
Fäßler: Es laufen Projekte mit über 350 neuen Wohnungen – dauerhaft gebunden, zu sozial verträglichen Mieten. Dabei arbeiten wir eng mit gemeinnützigen Bauträgern zusammen und haben bei neuen Widmungen klare Vorgaben für sozialen Wohnbau. Dabei wird auch bei der Infrastruktur wie Nahversorgung und Mobilität mitgedacht.
Zur Person
Name: Markus Fäßler
Geboren: 4. März 1980 in Dornbirn
Familienstand: Verheiratet, ein Kind
Gelernter Beruf: Schlosser
In der Stadtpolitik seit 2005: Stadtvertretung, Stadtrat, Vizebürgermeister und seit 9. April Bürgermeister
In der SPÖ seit 2006: Regionalsekretär bei der Gewerkschaft der Privatangestellten, Leiter des Renner-Instituts Vorarlberg und Organisationssekretär in der Landesgeschäftsstelle
Hobbys: Weitwandern, Kochen, Familie, Geselligkeit
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit ÖVP, FPÖ, Grünen und Neos?
Fäßler: Besser als viele erwartet haben. Es gibt keine formelle Koalition, aber eine große Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Ich lege Wert auf respektvollen Umgang und schließe niemanden aus. Das zeigt Wirkung. In vielen Bereichen konnten wir konstruktive Lösungen erarbeiten und breite Mehrheiten finden. Es geht nicht um parteipolitisches Gegeneinander, sondern um das Beste für Dornbirn.
Gab es politische Hürden oder positive Überraschungen?
Fäßler: Reibungspunkte gibt es, das ist in einer demokratischen Auseinandersetzung normal. Die größte Herausforderung ist oft die Abstimmung unterschiedlicher Positionen. Positiv überrascht hat mich der Wille zum Dialog – auch über Parteigrenzen hinweg.

Das Budget ist sicher eine große Herausforderung: Wo sehen Sie Konsens, wo Konfliktlinien?
Fäßler: Das Thema Budget betrifft derzeit alle Städte. Auch Dornbirn steht vor der Herausforderung, steigenden Kosten in vielen Bereichen mit stagnierenden Einnahmen gegenüberzustehen. Die Ertragsanteile des Bundes liegen spürbar unter den Erwartungen, gleichzeitig steigen Ausgaben für Personal, Energie, Bauprojekte oder die soziale Infrastruktur. Konsens gibt es darüber, dass wir achtsam wirtschaften und Mittel effizient einsetzen müssen. Schwieriger wird es bei Kürzungen. Sparen darf aber nicht bei den Schwächsten beginnen. Zugleich müssen wir weiterhin in die Zukunft investieren – in Bildung, Pflege, Klimaresilienz, leistbares Wohnen. Das verlangt Mut und Dialogbereitschaft.
Stichwort Krankenhaus Dornbirn?
Fäßler: Das Krankenhaus Dornbirn ist die wichtigste Gesundheitsversorgungseinrichtung für unsere Region und gleichzeitig ein wirtschaftlich gewichtiger Faktor im städtischen Haushalt. Wir haben 2024 ein besseres Ergebnis erzielt als ursprünglich budgetiert: Der Abgang konnte um über acht Millionen Euro reduziert werden. Wir investieren laufend, zuletzt in die Radiologie.

Wie schaut die Auslastung aus?
Fäßler: Die Auslastung ist hoch. Allein im letzten Jahr gab es über 15.000 stationäre und über 180.000 ambulante Behandlungen. Das zeigt: Unser Krankenhaus ist unverzichtbar. Als Stadt bekennen wir uns klar zur Trägerschaft und zu einer qualitativ hochwertigen, wohnortnahen Versorgung. Gleichzeitig bringen wir uns auch konstruktiv, aber wachsam, in die landesweiten Reformüberlegungen ein.

Dornbirn wächst. Wie verhindern Sie soziale Spannungen?
Fäßler: Eine der wichtigsten Aufgaben von Stadtpolitik ist es, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Dornbirn wächst, wird vielfältiger, urbaner. Das bringt viele Chancen, aber auch Spannungen. Wir begegnen dem mit einer Vielzahl an Maßnahmen: vom Ausbau der sozialen Infrastruktur über die Förderung leistbaren Wohnraums bis hin zu gezielten Projekten im öffentlichen Raum, wie am Bahnhof. Wichtig ist dabei die Beteiligung der Bevölkerung – bei Stadtteilentwicklungen und Großprojekten. Das schafft Verständnis und Identifikation.

Wie stehen Sie zur geplanten Messepark-Erweiterung? Die Baupläne wurden eingereicht.
Fäßler: Die Stadt begrüßt das Projekt – es bringt Arbeitsplätze und nutzt vorhandene Fläche. Die Planung wird intensiv begleitet, insbesondere hinsichtlich Verkehr, Umwelt und dem Zusammenspiel mit der Innenstadt. Die Bauverhandlung ist für Mitte Juli anberaumt. Unser Ziel ist, die Standortchancen zu nutzen, ohne andere Strukturen zu gefährden.
Aktuell steht die SPÖ Vorarlberg unter Druck wegen Vorwürfen zu Sexismus und Mobbing. Wie stehen Sie dazu?
Fäßler: Solche Vorwürfe müssen konsequent, offen und unabhängig aufgeklärt werden – ohne Wenn und Aber. Als Bürgermeister und Sozialdemokrat stehe ich für einen respektvollen, wertschätzenden Umgang – sowohl innerhalb der Partei als auch darüber hinaus. Jede Organisation, auch die Politik, muss bereit sein, aus Fehlern zu lernen, Strukturen zu überprüfen und Verantwortung zu übernehmen. Ich halte nichts davon, Vorwürfe kleinzureden – sondern viel davon, offen zu reflektieren und Konsequenzen zu ziehen, wenn nötig.

Zum Abschluss: Was hat sich persönlich für Sie verändert?
Fäßler: Das Bürgermeisteramt ist kein Job, sondern eine Lebensweise. Verantwortung ist allgegenwärtig. Private Zeit ist kostbarer geworden. Aber ich empfinde es als Privileg, gestalten zu dürfen – und ich bekomme viel zurück: an Vertrauen, Begegnung und Dialog. Und genau dafür bin ich angetreten.