Nachhaltig gewürzt: Lustenauer Senf baut seine Zukunft

Seit Generationen prägt Lustenauer Senf den Geschmack der Region. Mit einem modernen Neubau und bewährter Handwerkskunst führt die Familie Bösch ihre Traditionsmarke in die kommenden Jahre.
Wenn in Vorarlberg von Senf die Rede ist, fällt unweigerlich ein Name: Lustenauer Senf. Seit mehr als hundert Jahren produziert der Familienbetrieb aus Lustenau, was längst einen Fixplatz in der regionalen Esskultur eingenommen hat. Vieles hat sich verändert – die Produktionsmengen, die Arbeitsprozesse, die Gebäude. Doch das Wesentliche blieb: ein überliefertes Rezept, eine besondere Gewürzmischung und eine Familie, die entschlossen weitermacht.

Gründer Richard Bösch
1911 beginnt die Geschichte: Gründer Richard Bösch startete in der Rheinstraße, damals Lustenaus „Prachtstraße“, mit der Produktion. Rühren, Kochen, Abfüllen: alles Handarbeit. Nur ein zwei Meter großer Mühlstein aus Granit sorgt für maschinelle Unterstützung. Mit jeder Generation wächst der Betrieb weiter, besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Lebensmittelhandel boomt. Über ein Jahrhundert später folgt dann der wohl größte Einschnitt: der Neubau im Glaserweg, den der Betrieb seit eineinhalb Jahren nutzt. Das alte Gebäude wurde zu eng und die Substanz zu schlecht. „Der Neubau war schon länger angedacht und die größte Investition unserer Firmengeschichte“, sagt Felix Bösch, der gemeinsam mit Cousin Stefan Bösch und Cousine Denise Bösch den Betrieb leitet. Zu diesem Trio zählt noch ein weiterer Mitarbeiter. Ein kleines, aber feines Team, das den ganzen Laden am Laufen hält.

Warm, natürlich, bodenständig
Heute steht am neuen Standort ein Holzbau, der selbst zu einer kleinen Attraktion geworden ist: Mit dem Vorarlberger Holzbaupreis 2025 ausgezeichnet und für den Staatspreis Architektur 2025 in der Kategorie „Industrie und Gewerbe“ nominiert. Geplant von Architektin Julia Kick und Bauingenieur Martin Hämmerle ist das neue Gebäude ein bewusst naturverbundener Holzriegelbau aus heimischer Fichte. „Uns war wichtig, dass das Gebäude unseren Produkten entspricht – warm, natürlich, bodenständig“, sagt Felix Bösch.

Umweltkonzept
Doch der Neubau ist mehr als nur eine schöne Hülle. Er ist ein Plusenergiehaus: Photovoltaik auf dem Dach, Erdwärme über Tiefensonden. „Wir brauchen relativ viel Warmwasser, sowohl für die Senfproduktion als auch für die Reinigung. Da ist die Kombination aus Erdwärme und Photovoltaik ideal“, führt der 45-Jährige aus. „Weiters ist das Dach sowohl extensiv als auch intensiv begrünt, was zusätzlichen ökologischen Nutzen bringt. Maßnahmen zur Versickerung und Entsiegelung des Bodens ergänzen das Umweltkonzept. Im Grunde haben wir alles umgesetzt, was möglich war“, so ein sichtlich stolzer Felix Bösch. Perfekt ist auch die Lage: im Gewerbegebiet Heitere, mit idealer Anbindung an die Autobahn – ein großer Vorteil gegenüber dem früheren Standort mitten in der Marktgemeinde Lustenau.

Der neue Standort bietet neben der Produktionsfläche auch einen Laden mit allen Senfsorten und weiteren ausgewählten Produkten sowie einen Erlebnisrundgang („Dem Senf auf der Spur“), bei dem die Herstellung und die Geschichte des Lustenauer Senfs sicht- und erlebbar gemacht werden. „Viele kennen die Marke, aber nicht, wie Senf entsteht. Das wollen wir zeigen.“ Alles läuft mittlerweile sehr gut. „Der Umzug war eine große Umstellung, aber nach eineinhalb Jahren sind wir eingespielt. Führungen und der Verkauf sind gut angelaufen.“

Herausforderungen
Wirtschaftlich steht der Betrieb mit rund einer Million Euro Jahresumsatz sehr solide da. „Der Markt selbst wächst derzeit nicht stark, es sind wirtschaftlich doch schwierige Zeiten. Aber Senf ist kein Luxusprodukt, sondern ein Lebensmittel, das die Leute weiterhin kaufen.“ Zu den größten Herausforderungen zählt der 45-Jährige die Rohstoffpreise. „Die steigen kontinuierlich, und wir haben wenig Einfluss darauf. Dazu kommen verändertes Konsumverhalten und höhere Kosten generell. Aber insgesamt sind wir gut aufgestellt. Wir bleiben am Ball, reagieren auf neue Trends und bewahren doch gleichzeitig die Tradition.“

70 bis 80 Prozent der Produktion bleiben in der Region Vorarlberg, Ostschweiz, Süddeutschland und Tirol. Doch es gibt auch Überraschungen: ein Importeur aus Singapur, Vorarlberger in Wien oder anderswo, die ihren Heimatgeschmack nicht missen wollen. Produziert werden 250 bis 300 Tonnen Senf pro Jahr. Dafür werden 60 Tonnen Senfsaat benötigt – der Ertrag von rund 60 Hektar Anbaufläche. Ein Teil kommt aus Österreich, der Rest aus Osteuropa und Süditalien.

Großes Sortiment
20 Sorten umfasst das Sortiment, vom klassischen scharfen und milden Senf über Krensenf bis hin zu Feinkostkreationen im Glas. Und obwohl im neuen Gebäude vieles automatisiert ist, bleibt die Manufaktur spürbar. „Beim Abfüllen der Gläser ist Handarbeit sogar schneller als Maschinen“, so Bösch, für den die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung sehr wichtig ist. „Wenn jemand eine neue Idee hat, probieren wir einfach aus.“ Man kocht, mischt, verkostet. Manchmal kommen die Inspirationen auch von Kundinnen und Kunden. Die Gewürzmischung jedenfalls bleibt eines der bestgehüteten Geheimnisse – und entscheidend für den typischen Geschmack des traditionellen Produkts.

Flexibel
Lustenauer Senf ist heute nach wie vor ein Familienunternehmen: drei Familienmitglieder und ein Mitarbeiter. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen, jeder hilft überall mit. „Bei Bedarf kann jeder überall einspringen.“ Die Struktur ist klein, aber stabil – und sie gibt dem Unternehmen jene Unabhängigkeit, die Bösch wichtig ist: „Wir gehören nicht zu einem Konzern. Das macht uns flexibel und hält die Qualität hoch.“

Tradition weiterführen
Auf die Frage nach der Zukunft antwortet der Lustenauer pragmatisch: „Wir wollen den Alltag stabilisieren, gute Ware liefern, punktuell neue Produkte entwickeln und im Handel präsent bleiben.“ Zudem wünscht er sich natürlich auch, dass die Tradition und das Vermächtnis seines Urgroßvaters Richard Bösch erhalten bleiben und die nächste Generation weitermacht. „Interesse ist da, aber sie brauchen noch Zeit.“ Bleibt noch eine Frage: Welcher Senf ist sein persönlicher Favorit? Felix Bösch lächelt. „Der klassische scharfe Lustenauer. Er ist vielseitig, nicht zu dominant, einfach ein Grundprodukt, das immer passt.“
Weitere Infos wie Öffnungszeiten und Produktpalette auf www.lustenauer-senf.at.
