Landtag diskutiert zu Gewalt gegen Frauen: Starkes Zeichen und Unstimmigkeit um Nationalität von Tätern

Problembewusstsein bei allen Landtagsfraktionen da. FPÖ-Aussagen zu Täterherkunft sorgten für Diskussionen.
So oft es im Landtag kontrovers zugeht, so sehr bleibt dieses gemeinsame Signal in Erinnerung: Fast unisono zeigten die Abgeordneten auf Bitte der SPÖ-Frauensprecherin Manuela Auer den Hilferuf bei Gewalt per Handzeichen, um Aufmerksamkeit auf diese wichtige Geste und ein Thema zu legen, das aktueller denn je ist. Denn die SPÖ machte es passend zum Ende der 16-tägigen Kampagne “Orange The World” zum Thema in der Aktuellen Stunde, Gewalt gegen Frauen ein Ende zu setzen.

Zu Beginn ihrer Rede lieferte Manuela Auer einige schockierende Zahlen: Im Jahr 2025 gab es österreichweit bereits 15 Femizide und 37 Mordversuche an Frauen. Zudem ist jede dritte Frau in Vorarlberg von Gewalt betroffen. “Die Dunkelziffer ist weit höher”, verdeutlichte sie. “Gefährder, die eine Wegweisung erfahren, müssen in dieser Zeit verpflichtend sechs Beratungsstunden absolvieren. Die Erfahrung der Gewaltschutzstelle ist, dass diese sechs Stunden nicht ausreichen”, fordert Auer in diesem Bereich eine Nachjustierung. Sie betonte: “Oft heißt es, dass das, was zu Hause passiert, privat ist. Aber Gewalt ist nicht privat, weder psychisch noch physisch. Das geht uns alle an.” Außerdem lenkte die Sozialdemokratin den Fokus auf Gewalt an älteren Frauen, die in Rollenbildern verankert und finanziell vom Ehepartner abhängig sind. “Ein weiterer unterbelichteter Aspekt: Gewalt an Frauen und sexuelle Gewalt an Frauen sind ein Gesundheitsrisiko: Sie verkürzen die Lebenszeit und führen zu Depressionen, Geschlechtskrankheiten und bipolaren Störungen.”

Auer betonte die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Polizei, Gewaltschutzstellen und NGO’s und forderte die Einrichtung einer Gewaltambulanz im Spitalscampus. Wie Landesrätin Martina Rüscher (ÖVP) später aufzeigen sollte, ist das gar nicht so einfach: “Wir hätten gerne eine Gewaltschutz, allerdings ist das nicht möglich, weil wir derzeit keine Gerichtsmedizin in Vorarlberg haben. Wir plädieren schon lange beim Bund für eine Gesetzesänderung.”

Julia Berchtold (ÖVP) verwies auf verschiedene Initiativen und Projekte zum Gewaltschutz, brachte etwa den Bau eines neuen Frauenhauses in Dornbirn vor: “Diese und andere Maßnahmen zeigen, dass bestehende Strukturen nicht nur gesichert, sondern auch gestärkt werden.” Berchtold nahm auch die Medien in die Pflicht: “Wir müssen eine klare und verantwortungsvolle Sprache einfordern. Begriffe wie ‘Beziehungsdrama’ oder ‘Mord aus Liebe’ verharmlosen Gewalt und verschleiern die Realität.” Oft fehle medial zudem der Kontext: “Es handelt sich um ein strukturelles, in der Gesellschaft verankertes Problem.” Zudem forderte sie Gleichstellung und die Loslösung von Abhängigkeiten ein: “Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Sicherung leistbarer Kinderbetreuung und Maßnahmen gegen Altersarmut bei Frauen.”

“Alle Formen der Gewalt sind immer im Lichte der strukturellen Gewalt zu sehen”, hielt Eva Hammerer (Grüne) fest. “Diese Formen der Gewalt treffen oft gemeinsam auf die Frauen.” Aufholbedarf, so Hammerer, liege darin, dass Polizei und Justiz die Vorzeichen von Gewalt erkennen. “Das Wichtigste”, betonte sie, “liegt darin, die Ursachen der Gewalt zu bekämpfen.” Hauptursachen seien fehlende Gleichstellung und “das tief sitzende, patriarchale Denken.” Abschließend mahnte sie: “Dass wir politisch in der Bekämpfung der Gewalt noch nicht viel weiterkommen, ist ein Stück weit verantwortungslos von uns.”

Auch Katharina Fuchs (Neos) betonte die strukturelle Form der Gewalt gegen Frauen: “Es geht nicht um Einzelschicksale, sondern um Strukturen, in denen Frauen benachteiligt sind und Männer zu wenig Verantwortung zeigen.” Als “zentralen Baustein” sieht sie die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen: “Die Freiheit von Gewalt beginnt in der eigenen Geldbörse.” Fuchs forderte mit Hinblick auf eine AK-Studie, wonach Vorarlberg auf dem letzten Platz bei der Kinderbetreuungsquote liegt, ein “Rollenbild, das Männern ermöglicht, Verantwortung und Care-Arbeit gerecht aufzuteilen.” Gewaltschutz sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Eine Kontroverse brachte FPÖ-Frauensprecherin Nicole Feurstein-Hosp in die bis dahin ruhig geführte Debatte ein: “Wenn wir Gewalt gegen Frauen beenden wollen, müssen wir alle Faktoren ansprechen – auch, wenn sie Manchen politisch nicht ins Konzept passen.” Überdurchschnittlich oft werde sie von “Täter mit langer Gewaltgeschichte” und von “Menschen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft begangen.” Über Rollenbilder zu sprechen, reiche nicht: “Es braucht konsequente Strafmaßnahmen, Gewalttäter müssen aus dem Verkehr gezogen werden.” Es gebe kulturelle Hintergründe, in denen Frauen keine Rechte haben. “Wenn Menschen mit solchen Vorstellungen nach Österreich kommen, müssen wir klare Regeln vermitteln. Wer Frauenrechte ernst nimmt, muss hier handeln.”

Eva Hammerer widersprach: “Das Justizministerium hat die Zahlen zu allen Femiziden zwischen 2016 und 2020 ausgewertet. 67 von 100 Tätern sind Österreicher.” Joachim Fritz (FPÖ) zog aus diesem Datenmaterial einen anderen Schluss: “Die Wahrscheinlichkeit einer Tatbegehung für diese Deliktsart ist für einen Afghanen 16 Mal höher.” SPÖ-Klubobmann Mario Leiter konterte: “Es gibt keine Diskussion über irgendwelche Nationalitäten. Jede Frau ist zu schützen, egal welcher Täter – der gehört weg.” Frauenlandesrätin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP) befand zu dieser Debatte: “Ob der Umgang importiert ist oder sich hier kuturell verfestigt hat, ist gar nicht so wichtig.” Um den “Teufelskreis” zu durchbrechen, brauche es Aufklärung, Bildung, ausgewogene Geschlechteraufteilung in Führungsrollen, ein Ende des Gender Pay Gaps und finanzielle Unabhängigkeit für Frauen, so Schöbi-Fink.

Sicherheitslandesrat Daniel Allgäuer (FPÖ) benannte das Gewaltproblem ebenfalls als strukturell. Er lieferte weitere Zahlen: 540 Betretungs- und Annäherungsverbote wurden in diesem Jahr in Vorarlberg schon ausgesprochen. Zudem gibt es rund 1200 Fälle häuslicher Gewalt pro Jahr im Land. “Diese Zahl ist seit Jahren auf kostant hohem Niveau. Es ist ein beständiges, weitreichendes Sicherheitsproblem”, so Allgäuer, der betonte: “Wer Gewalt ausübt, muss gestoppt werden.” Mit dieser Feststellung sind alle Fraktionen d’accord.