Wo alle Eigenschaften Talente sein können

Am Sunnahof findet ab Montag die Frühlingswoche statt. Es ist ein Hof mit besonderem Konzept der Inklusion.
Der Sunnahof in Göfis ist kein gewöhnlicher Bauernhof. Denn Ziel des Hofes ist nicht nur die Herstellung von diversen Produkten in der Landwirtschaft, Gärtnerei und Tischlerei. Die täglichen Arbeiten wie etwa Ausmisten, Einsammeln der Eier oder das Fertigen von Holzkisten werden dort von Menschen mit Beeinträchtigungen erledigt. Begleitet werden sie je nach Unterstützungsbedarf von ausgebildeten Mitarbeitern.

Doch der Hof soll keineswegs die Endstation der Beschäftigten darstellen. Es soll die Menschen mit Beeinträchtigungen darauf vorbereiten, später am Arbeitsmarkt tätig zu sein. „Inklusion heißt, Teil des Ganzen zu sein“, so Inklusionsleiter Benno Scherrer. „Jeder Mensch hat das Recht drauf, mittendrin, so wie er ist, einen Platz zu finden.“

Für diesen nächsten Schritt soll der Sunnahof eine Schule sein. „Wir versuchen Grundlagen zu vermitteln, die man überall braucht, wie etwa Pünktlichkeit und Teamarbeit“, erläutert Scherrer. Er versucht dann Firmen zu suchen, wo vorhandene Talente abseits von schematischen Berufsbildern wie Tischler oder Gärtner eingesetzt werden können. Viele Tätigkeiten seien etwa sinnvoll, obwohl sie im ersten Moment von außen nicht attraktiv erscheinen würden, erklärt Scherrer. Dabei geht es darum, bestimmte Eigenschaften als Chance zu sehen. So holt etwa einer der Beschäftigten, der die Fähigkeit der Langsamkeit mit sich bringt, am Sunnahof einen Blinden meist vom Bus ab. Die Begleitung einer blinden Person erfordert nämlich Entschleunigung und Geduld. „So ist die Langsamkeit zum Talent geworden“, führt Scherrer aus.

Mehr Können als gedacht
Durch ein spezielles Mobilitätstraining sollen die Mobilität und Selbstständigkeit der Beschäftigten gefördert werden. Viele Beschäftigten könnten ohne dieses Angebot nicht zum Sunnahof kommen, da nicht alle abgeholt werden können und teilweise andere Einrichtungen näher zu ihrem Wohnort wären. Durch das Mobilitätstraining lernen sie erst unter Begleitung, dann später alleine, den Sunnahof mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Geschäftsführer Christian Zangerle will auf diese Weise vermitteln, dass die Beschäftigten mehr können. „Oft sind es nicht sie, die es nicht selbst können. Angehörige blockieren teilweise aus Angst.“

Wenn die Beschäftigten dann am Hof angekommen sind, gehen sie unterschiedlichen, täglich anfallenden Aufgaben nach. Auf dem Hof wird auf natürliche Prozesse und das selbst Erzeugen und Tun gesetzt. Sowohl der Mist als auch die Erde für die Setzlinge etwa stammen von den Tieren. Die Kühe werden vom Stier in der Herde anstatt künstlich befruchtet. Es leben je nach Saison etwa 400 bis 500 Tiere am Sunnahof. Darunter sind Gänse, Ziegen, Schweine, Hühner und Schafe.

Arbeit mit Sinn
Die Tiere müssen gefüttert und auf die Alp begleitet oder ihre Ställe ausgemistet werden. Damit die Beschäftigten wissen, wie diese Aufgaben gehen, hängen etwa im Hühnerstall eine Schritt-für-Schritt-Anleitung mit Bildern, wie die Eier entnommen, gestempelt und in die Schachtel gegeben werden. Die Anleitung behält in sechs Schritten sogar Tätigkeiten wie Umziehen. Es gibt diverse Bereiche, von der Landwirtschaft, über den Hofladen, Gastronomie und den Gärnterbetriebs bis zur Tischlerei.

Bei den Aufgaben geht es keineswegs nur um Beschäftigung, sondern um Selbstverwirklichung und Erfolge. Die Beschäftigte füllen etwa Bierkisten mit neuen Flaschen aus neuen Gebinden – eine Arbeit, die Maschinen nicht bewältigen können. Dann sehen die Beschäftigten am Abend ein Ergebnis, etwa wie viele Paletten sie geschafft haben, wie Zangerle erzählt. Auch bauen sie Holzkisten für eine Brauerei. „Wenn der Lkw herfährt und die Holzkisten abholt, rennen alle her und freuen sich“, so Scherrer. „Es gibt eine andere Wertigkeit, wenn die Arbeit einen Sinn hat.“ Die Arbeit mit lebendigen Tieren bringt laut Zangerle zudem eine größere Verantwortung und somit auch Wertschätzung und Stolz als die Arbeit ausschließlich mit Materiellem mit sich. Außerdem können die Tiere auch eine therapeutische Wirkung haben. „Die Arbeit mit Tieren bringt eine gewisse Ruhe mit sich“, sagt der 46-Jährige.

Wenn das Ziel erreicht ist und die Beschäftigten in anderen Firmen beginnen zu arbeiten, bringt dies laut dem Dornbirner und Scherrer auch positive Veränderungen unter den dortigen Mitarbeitern mit sich. Etwa würden diese beobachten, dass die Hilfsbereitschaft untereinander größer werde. „Es geht dann nicht darum, wie viel die Person an einem Tag geleistet hat, sondern wie sie die Firma positiv beeinflusst hat“, so Scherrer. Besuche der Kooperationsfirmen am Sunnahof würden auch zum Hinterfragen des eigenen Jobs anregen.

Derartige Einblicke in den Hof können alle vom 24. bis 29. April bei der Frühlingswoche haben. Kinder können etwa beim Begleiten zum Füttern, Eiersammeln oder Spaziergang mit Esel Eindrücke in den Alltag bekommen. Sonst werden eigene Produkte angeboten: samenfeste Setzlinge, Käsefladen, Lauchstrudel oder Würstchen etwa.
Der Sunnahof ist ein Kooperationspartner der NEUE am Sonntag.