Was für und gegen eine Anstellung spricht

Landesrätin Wiesflecker zieht Entlastung pflegender Angehörige einer Anstellung vor. Arbeiterkammer hat ein Modell für Anstellung erarbeitet.
Die Stadt Graz will pflegende Angehörige ab 2024 anstellen. Im Burgenland, wo das Land den Angehörigen seit drei Jahren eine Anstellung bietet, wird das Modell ab dem neuen Jahr auf Freunde und Nachbarn ausgedehnt. In Vorarlberg indes bekräftigte – wie gestern berichtet – die zuständige Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) am Mittwoch bei einer Pressekonferenz ihre ablehnende Haltung zur Anstellung von pflegenden Angehörigen. Die NEUE hat dazu genauer nachgefragt.
Die Landesrätin sagt, dass ihr dieses Modell alleine aus feministischer Sicht missfällt: „Aus dem Burgenland wissen wir, dass die meisten, die sich anstellen ließen, Frauen zwischen 50 und 60 sind. Ich möchte keine Maßnahmen setzen, Frauen mit 50 aus dem Erwerbsleben herauszuholen, insbesondere, da sie in den restlichen Berufsjahren oft Erwerbszeiten sammeln sollten.“ Manfred Brunner, Pflege- und Gesundheitsreferent der Arbeiterkammer, die 2021 ein Modell für derartige Anstellungen erarbeitet hat, versteht diese Argumentation nicht: „Jetzt ist die Situation so, dass viele Frauen wegen der Pflege zuhause bleiben und dadurch nichts verdienen. Mit der Anstellung, die auch eine Kranken- und Pensionsversicherung beinhaltet, würde sich das zum Positiven verändern.“
Eine weitere Befürchtung Wiesfleckers ist, dass durch eine Anstellung eine Person allein die ganze Last der Pflege und Betreuung tragen würde nach dem Motto: „Du wirst dafür bezahlt, jetzt kannst du alles tun.“ Das wäre dann oft die Tochter oder die Schwiegertochter, so die Landesrätin. Brunner von der Arbeiterkammer versteht das in Ansätzen: „Diese Sorge ist nicht unberechtigt.“ Jedoch, so hält er fest: Das Modell der AK sehe als Voraussetzung für die Anstellung vor, zuvor eine Familienbetreuungsvereinbarung zu erarbeiten – gemeinsam mit Fachpersonen wie dem Case Management oder der Hauskrankenpflege. Darin soll festgelegt werden, wer aus der Familie was macht und was im Fall der Erkrankung der oder des Angestellten ist. „Außerdem ist es auch jetzt oft so, dass nur oder vor allem eine Person für die Pflege zuständig ist. Da wäre die Anstellung mit dieser Vereinbarung eine Verbesserung.“
Andere Bundesländer
Wie die APA am Mittwoch berichtete, schließen einige Bundesländer Anstellungen kategorisch aus: Wien, Kärnten, Niederösterreich und Salzburg. Auch wenn in Vorarlberg das Modell zurzeit abgelehnt wird, ist Wiesflecker dennoch offen für das Thema. Sie will die Evaluierung des Burgenlandes anschauen, jedoch lässt diese auf sich warten. Die Grün-Politikerin hat einige offene Fragen, etwa bei arbeitsrechtlichen Themen: „Das sind wichtige Aspekte, wenn die öffentliche Hand in Anstellung gehen sollte“, erläutert sie. „Die angestellten Angehörigen haben keine Pflegeausbildung und dürfen aus rechtlicher Sicht nur betreuen, aber nicht pflegen.“ Zur Pflege zählen etwa Körperpflege oder die Versorgung von Wunden. Auch die Nacht- und Wochenendregelungen müssten noch geklärt werden, so Wiesflecker.
Außerdem gibt sie zu bedenken: Die knapp 300 Personen, die im Burgenland angestellt sind, würden einen monetären Aufwand von 6,5 Millionen Euro bedeuten. „Wir haben aber 10.000 Menschen in Vorarlberg, die Angehörige pflegen. Mit 6,5 Millionen Euro erreichen wir nur einen kleinen Teil dieser 10.000.“
Günstigere Mohi-Tarife
Für Wiesflecker ist es deshalb sinnvoller, das Geld in die Entlastung von Pflegenden zu investieren. In Kärnten würde genau das gemacht: „Dort werden die Tarife des Mobilen Hilfsdienstes um ein Drittel reduziert. Damit erreicht man 10.000 Menschen und nicht wenige Hundert.“ Zudem solle das Geld besser in Unterstützungsangebote fließen wie die am Mittwoch präsentierte neue Plattform, durch die Informationen, persönliche Beratung und Begleitung ermöglicht werden. „Die Entlastung von Angehörigen, die bitter nötig ist, ist mein Ansatz, und nicht die Anstellung“, sagt Wiesflecker.
Brunner von der AK hebt indes hervor: „Oft übernehmen Frauen die Pflege, die nebenbei arbeiten müssen, weil der Erwerbsdruck momentan hoch ist. Dabei ist ein Job und gleichzeitig die Pflege das Allerschlimmste. Für diese Personengruppe wäre die Anstellung gedacht und hilfreich.“ Zudem sei aus dem Burgenland bekannt, dass dort bis zu 25 Prozent der Angestellten Männer sind. „Dieses Modell ist auch ein Anreiz, dass mehr Männer in die Pflege gehen.“
Zur Finanzierung sagt Brunner: „Durch eine Anstellung können teure Plätze in Pflegeheimen eingespart werden, das haben wir ausgerechnet.“ Natürlich aber, so fährt er fort, würde eine Anstellung ihren Preis kosten. „Wenn ein pflegender Angehöriger durch die Belastung krank wird, kostet das jedoch auch.“