Weihnachten im Pflegeheim: So feiern Pfleger Fabian Rapaic und Bewohner das Fest der Liebe

Fabian ist Pfleger auf einer Demenzstation. Trotz Arbeit an Weihnachten freut er sich auf das Fest mit seiner „Teilzeit-Familie“ im Altenheim. Außerdem erzählt er, wie Weihnachten auf einer Demenzstation abläuft und warum es besser ist, die Liebsten im Pflegeheim zu besuchen.
Weihnachten hier ist fast wie Weihnachten in der Familie zu feiern“, sagt Fabian Rapaic. Er ist einer von denen, die an Weihnachten arbeiten müssen. Fabian ist Pfleger im Pflegeheim Höchsterstraße in Dornbirn. „Bei uns muss jeder entweder an Weihnachten oder an Silvester arbeiten“, erklärt der Hohenemser. Weil er noch jung sei und keine eigenen Kinder habe, sei es für ihn in Ordnung, am Heiligen Abend zu arbeiten. „Dafür kann ich dann mit meinen Freunden Silvester feiern“, freut er sich.
Weihnachten oder Silvester
Dienst an Weihnachten bedeutet im Pflegeheim, das Pflegepersonal muss an einem der drei Feiertage arbeiten. „Natürlich wäre ich auch gerne bei meiner Familie und würde gerne das schöne Weihnachtsessen mit meiner Familie genießen. Das kann ich dann aber ja am ersten oder am zweiten Weihnachtstag machen.“ Auf das Weihnachtsessen muss er außerdem nicht gänzlich verzichten. Die Pflegerinnen und Pfleger kochen gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern.

Rapaic erzählt, eigentlich laufe der 24. Dezember im Pflegeheim ganz ähnlich ab wie auch in vielen Familien. Am Vormittag schmücken alle gemeinsam den Baum, singen dann alte Weihnachtslieder und lesen Gedichte. Solche Abläufe sind auf seiner Station besonders wichtig. Rapaic arbeitet auf der „Erinnerungsstation“. Dort sind ausschließlich Menschen, die schwer an Demenz erkrankt sind. Tage oder gar Jahreszeiten zuzuordnen, fällt den meisten von ihnen schwer. Erinnerungen an frühere Weihnachtsfeste, insbesondere aus Kindheitstagen, sind bei vielen Demenzkranken aber tief verwurzelt. „Man muss dazu wissen, dass Demenz in erster Linie das Kurzzeitgedächtnis betrifft. Was ich also jetzt erzähle, ist im nächsten Moment vergessen. Alte Erinnerungen, Liedtexte oder aber auch Geschmäcker und Gerüchte sind tief abgespeichert und können wieder hervorgeholt werden“, erklärt der Pfleger.
Heimweh nach der Familie
An Weihnachten merken die meisten Bewohnerinnen und Bewohner also gleich, welches Fest ansteht. Für viele sei es aber auch eine schwierige Zeit, denn wer Familie hat und sich an sie erinnert, vermisst seine Liebsten häufig. „Daher ist es uns wichtig, dass wir ein so familiäres Fest gestalten wie eben möglich“, erklärt Rapaic die Intention hinter dem Tagesprogramm. Viele würden im nächsten Moment sowieso vergessen, mit wem sie sonst Weihnachten feiern würden, und vielmehr im Hier und Jetzt leben. Von der Idee, die Angehörige oftmals haben, die Bewohnerinnen und Bewohner nach Hause zu holen, hält der Pfleger nichts. „Es ist für die alten Menschen mehr Stress, als dass es ihnen Freude bereitet. Und auch die Angehörigen bürden sich damit wahnsinnige Arbeit auf: All die pflegerischen Tätigkeiten, die Gefahr, dass den Seniorinnen und Senioren daheim etwas passiert oder sie stürzen – das ist es nicht wert“, stellt er klar.

Weglauftendenzen
Eines der typischen Symptome einer Demenzerkrankung ist eine Weglauftendenz. Wenn sie mobil genug sind, haben die alten Menschen einen Bewegungsdrang. Mögliche Ursachen dafür sind innere Anspannung oder Nervosität, die oftmals durch krankhafte Veränderungen im Gehirn hervorgerufen werden. Außerdem ist es häufig der Wunsch nach Autonomie, der die Menschen dazu veranlasst, sich zu bewegen. Das bedeutet, sie gehen Gänge auf und ab, suchen den Weg nach draußen – und verirren sich dabei mitunter. Um dem Raum zu geben, dennoch aber mögliche Gefahren von den Dementen abzuwenden, ist an die Erinnerungsgruppe im Pflegeheim ein Demenzgarten angeschlossen. Dort können die Menschen sich in gesicherter Umgebung nach draußen begeben, frische Luft atmen, das Gefühl von Freiheit spüren, und sie sind trotzdem wohlbehütet und keiner Gefahr ausgesetzt.
Feiern in der Pflegeeinrichtung
An den Weihnachtsfeiertagen sei es daher besser, die Liebsten in ihrer gewohnten Umgebung, dem Pflegeheim, zu besuchen. „Das freut sie genauso“, versichert Rapaic. Außerdem habe das den Vorteil, die Angehörigen könnten, wenn es den Pflegebedürftigen zu viel und zu anstrengend wird, wieder gehen und ihnen die nötige Ruhe schenken.

Auch wenn sein Job anstrengend ist, liebt Fabian Rapaic die Arbeit im Pflegeheim. Sein Berufswunsch war das aber nicht immer. „Ich habe meinen Zivildienst in der Pflege abgeleistet und dabei festgestellt, wie viel Freude mir das bereitet.“ Daheim kümmert er sich um seine Oma. Der Umgang mit alten Menschen war ihm daher nicht fremd. In seiner Ausbildung hat er aber nicht nur Altenpflege gelernt. „Ich war auch im Krankenhaus und könnte dort auch weiterhin arbeiten.“ Dennoch schätzt er die Arbeit im Altenheim und wünscht sich so schnell keine Änderung. „Abgesehen davon, dass wir hier ein super Team haben und sich viel für uns und die Bewohner eingesetzt wird, gefällt mir vor allem, dass man zu den Bewohnern eine Verbindung aufbaut“, erzählt er. Anders als im Spital könne er sich Zeit nehmen, mit den Menschen Bilder anzuschauen, zu singen oder auch einfach ihren Geschichten zuzuhören. „Bei uns auf der Demenzstation ist das auch noch mal ein Spezialfall. Wir haben nur zehn Bewohnerinnen und Bewohner. Wir können wirklich auf alle eingehen“, meint er. In anderen Heimen ginge es durchaus stressiger zu. Aber im Vergleich zum Krankenhaus bleibt mehr Zeit für Zwischenmenschlichkeit. „Weil unsere Dienste so lang sind, arbeiten wir ja keine 20 Tage im Monat wenn wir Vollzeit angestellt sind, sondern eher 12 bis 14“, erklärt er. Im Krankenhaus komme es daher schnell vor, dass im nächsten Dienst komplett andere Menschen auf der Station sind. Das sei mitunter stressig.
Neue Herausforderungen
Ob es für immer die Altenpflege bleibt, weiß er trotzdem nicht. „Ich bin ja noch jung, vielleicht möchte ich noch mal etwas anderes ausprobieren“, lacht er. Damit meint er aber keinen Branchenwechsel, auch wenn er von seinen Freunden oft belächelt wird. „Die sagen oft so Dinge wie ‚Ich würde ja keinen Alten den Hintern abwischen wollen‘. Es ist immer schwierig zu erklären, dass das nicht alles ist.“ Davon lasse er sich aber nicht unterkriegen. „Wer mich gut kennt, weiß, wie viel Spaß mir mein Beruf macht, und akzeptiert das einfach“.
Mit dieser positiven Einstellung will er auch in den Dienst am Heiligen Abend starten. Er sei schließlich nicht der Einzige, der heuer arbeiten muss. „Ärztinnen und Ärzte, andere Pflegerinnen und Pleger, Mitarbeitende bei der Polizei oder im Sozialdienst oder auch die Feuerwehren und Müllabfuhr, alle sind im Dienst.“ Das gehöre in manchen Berufsgruppen ganz einfach dazu. Feiern kann er im Gegensatz zu anderen aber trotzdem – mit seiner kleinen Teilzeit-Familie im Pflegeheim. Und die anderen Tage genießt er dann umso mehr im Kreise seiner Liebsten daheim. Denn die hat er frei. Dann bekommt er zurück, was er sonst immer gibt.