Vorarlberg

„Wir haben bei uns alle Möglichkeiten“

03.02.2024 • 23:00 Uhr
Dr. Patrick Clemens<span class="copyright">Nussbaumer, KHBG</span>
Dr. Patrick ClemensNussbaumer, KHBG

Patrick Clemens ist geschäftsführender Oberarzt in der Radioonkologie am LKH Feldkirch. Als Leiter des Krebsregisters spricht er zum Weltkrebstag über die jüngsten Entwicklungen.

Heute ist Weltkrebstag. Ein Tag, der für die Krankheit sensibilisieren und Gleichberechtigung im Hinblick auf Behandlung fördern soll. Sie sind Leiter des Krebsregisters Vorarlberg. Wie gestaltet sich Ihre Rolle?

Patrick Clemens: Prinzipiell besteht das Team aus mehreren Kolleginnen und Kollegen. Ein Teil des Teams erhebt in naher Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern, insbesondere mit der Pathologie, die Daten. Der andere Teil des Teams besteht aus wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie nehmen die Auswertungen vor. Ich als Leiter des Krebsre­gisters koordiniere und evaluiere die Daten und diskutiere sie gemeinsam mit dem Team. Außerdem veröffentliche ich die Daten im Land und gebe sie an Statistik Austria weiter, damit wir eine solide Datengrundlage haben, auf deren Grundlage gesundheitspolitische Entscheidungen getroffen werden.

Sie geben die Zahlen nicht nur an Entscheidungsträger in der Gesundheitspoliik heraus, sondern veröffentlichen sie auch in den Medien. Vor welchem Hintergrund geschieht das? Zur Sensibilisierung für die Krankheit und das Thema?

Clemens: Klar. Klar. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass man alle Menschen erreicht und sie sensibilisiert. Dadurch kann man besser Präventivmaßnahmen fördern. Das ist das Wichtigste gegen Krebsdiagnosen: präventiv handeln, sprich auf gesunde Ernährung achten, sportliche Betätigung fördern, aber auch Risikofaktoren wie etwa das Rauchen minimieren. Zudem ist es wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass regelmäßige Präventiv-Screenings wie etwa bei Brust- oder Darmkrebs von großer Bedeutung sind. Wir leben in einem aufgeklärten, modernen Land. Ich glaube, da ist es zudem wichtig, Daten, die vorliegen, auch öffentlich zu diskutieren und sie nicht geheim zu halten.

Es gibt zwei Krebsarten, die besonders vorherrschend sind. Bei Frauen der Brustkrebs, bei Männern der Prostatakrebs. Woran liegt es, dass speziell diese Erkrankungen derart verbreitet sind?

Clemens: Das hat mit der Anatomie beziehungsweise mit der Genetik zu tun. Prinzipiell ist aber erst einmal gut, dass beide Krankheiten sehr gut beforscht sind und es mittlerweile erfolgreiche Vorsorgeuntersuchungen gibt. Insbesondere beim Brustkrebs ist die Früherkennung von großer Bedeutung. Mammografien sind daher wichtig und können die Heilungschancen enorm beeinflussen. Denn bei jedem Krebs gilt, je früher er erkannt wird, desto besser ist er therapierbar und desto größer sind die Chancen auf Heilung. Den Erfolg dessen kann man gut der Statistik entnehmen. Die Krebsarten dominieren zwar die Daten, bei den Krebstoten aber fallen die beiden Krebsarten nicht führend ins Gewicht. Insbesondere, weil sie gut erkennbar sind, lassen sich diese Karzinome gut behandeln.

Welche großen Errungenschaften gab es in der Krebsforschung in den vergangenen Jahren?

Clemens: In den letzten Jahren hat sich einiges entwickelt. Einerseits haben sich die Chemotherapien verändert. Dort sind Systemtherapien hinzugekommen, die bessere Erfolge ermöglichen. Insbesondere die Immuntherapie ist hier erwähnenswert, die vor einigen Jahren sogar den Nobelpreis erhalten hat. So langsam spiegeln sich deren Erfolge auch in der Statistik wider. Andererseits haben sich die zielgerichteten Therapien stark weiterentwickelt, so etwa bei der Behandlung von Lungenkrebs. Das bedeutet, es finden deutlichere Differenzierungen in der Tumor-Diagnostik statt, die dann eine zielgerichtetere Behandlung mit spezifischen Therapien, speziell auf den Einzelfall und die Situation zugeschnitten, ermöglichen. Als dritte Säule der Krebstherapie hat sich auch die Strahlentherapie enorm weiterentwickelt. Mittlerweile lässt sich dort sehr viel genauer und zielgerichteter behandeln, als es etwa vor 15 Jahren der Fall war. Das Schöne ist, dass wir in Vorarlberg alle modernen Therapieformen sehr gut anwenden können und über gute und moderne Gerätschaften dafür verfügen.

Es erkranken in Vor­arl­berg jährlich rund 2000 Menschen neu an Krebs. Das entspricht in etwa 0,5 Prozent der Bevölkerung. Das klingt nach nicht so viel, oder?

Clemens: Na ja, man muss die Zahl in Relation setzen. Wir reden dabei wirklich nur von den Neuerkrankungen. Es gibt aber bedeutend mehr Menschen, die über viele Jahre hinweg – teilweise auch länger als fünf Jahre – mit der Krankheit kämpfen müssen. Insgesamt sind rund 20.000 Menschen im Land an Krebs erkrankt. Das entspricht rund fünf Prozent der Vorarlberger Bevölkerung. Die Zahl ist nicht gesichert nennbar, da nur alle drei Jahre ein Bericht darüber veröffentlicht wird. Zuletzt waren es rund 18.000 Erkrankte. Die Zahlen steigen aber stetig. Deshalb ist die Zahl, auch wenn sie erst einmal nicht riesig klingt, von großer Bedeutung und nicht klein. Viele Krebserkrankungen kann man mittlerweile durch die neuen Therapien weit herauszögern, sodass die Menschen mit dem Krebs länger leben können und aber auch müssen. Umso wichtiger ist deshalb, dass man auch speziell diese Patientinnen und Patienten beachtet und deren Bedürfnisse berücksichtigt. Die Strukturen in Vorarlberg mit den Landeskrankenhäusern und der Krebshilfe sind sehr gut, sodass wir sicher sein können, dass die Betroffenen hier eine gute Betreuung erfahren.

Was muss sich in Ihren Augen insbesondere im Hinblick auf das kommende Jahr tun? Welche Herausforderungen sehen Sie und wie können sie gelöst werden?

Clemens: Ich glaube, das Wichtigste ist, dass wir mit allen Trägern in Vorarlberg die Präventivmaßnahmen forcieren. Das sollte sowohl mit Energie als auch mit Kosten getragen werden. Insbesondere die Vorbeugung ermöglicht es, dass weniger Menschen mit einer Krebsdiagnose leben müssen. Andererseits erachte ich es für durchaus wichtig, die Therapien weiter auszubauen und zu verbessern. Wir sehen bereits die Erfolge der Entwicklungen der vergangenen Jahre, da wäre es schön, diese weiter auszubauen. Ich muss aber gleichzeitig auch betonen, dass ich davon überzeugt bin, dass wir diesbezüglich in Vorarlberg bereits sehr gut aufgestellt sind. Alle Träger arbeiten gut zusammen, und es gibt nahezu jede Therapieform bei uns. Auch die Zusammenarbeit der verschiedenen Häuser gelingt uns bereits sehr gut. Wir besprechen jeden Patienten und jede Patientin auf Tumorboards gemeinsam, beraten uns und arbeiten interdisziplinär. Ich glaube aber, das Wichtigste ist es, dass wir genug Leute finden, die die moderne Medizin auch hier in Vorarlberg praktizieren können. Das wird eine Herausforderung in den kommenden Jahren. Ich muss aber auch betonen, dass ich davon überzeugt bin, dass wir in Vorarlberg auf einem sehr guten Weg sind, Patientinnen und Patienten hier auf das System vertrauen können und ich der Zukunft optimistisch entgegenblicke.

Weltkrebstag

Darum geht es
Der Weltkrebstag, jährlich am 4. Februar, ist ein internationaler Tag zur Sensibilisierung für Krebs. Er zielt darauf ab, Prävention, Früherkennung und Behandlung von Krebs zu fördern und Mythen sowie Fehlinformationen zu bekämpfen. Er betont die Gleichberechtigung im Zugang zur Krebsversorgung und die Notwendigkeit der psychosozialen Beratung und Betreuung.