Fußgängerzone Bregenz: “Zumutung” für die einen, “gute Idee” für andere

Die Erweiterung der Bregenzer Fußgängerzone spaltet die Gemüter auch zwei Jahre nach ihrem Beschluss.
Von Sophie Pitscheider und Tobias Holzer
Im März 2022 fasste der Bregenzer Stadtrat einen folgenreichen Beschluss: Durch eine Ausweitung der Fußgängerzone wurde ein Großteil der Innenstadt vom Autoverkehr befreit. Noch zu Sommerbeginn desselben Jahres wurde dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt. Jetzt, rund zwei Jahre nach dem Beschluss, hat die NEUE am Sonntag sich bei Einkäufern und Geschäftsbesitzern im Bregenzer Zentrum zur erweiterten Fußgängerzone umgehört.
Besser als in deutschen Städten
Stefanie Bremer und Ute Walter aus Deutschland sehen die Maßnahme positiv. „Es ist schöner ohne Autos“, sagt Stefanie. Ute pflichtet ihr bei: „Wir kommen aus Ulm. Dort ist es deutlich schlechter geregelt, dort rasen die Leute mit Fahrrädern durch die Innenstadt.“ Deshalb kommen die beiden Frauen gerne nach Bregenz, wie sie erzählen.

Auch Dorothea Wetz befürwortet die Maßnahme: „Ich bin dafür, dass man die Fußgängerzonen verkehrsberuhigt. Es ist netter, wenn man gemütlich vor sich hin bummeln kann, ohne Autos.“ In Wangen, wo die Lindauerin des Öfteren einkaufen geht, sei es „nicht so cool. Da kann man noch durchfahren.“

Markus und Nathalie Rieger befürworten die Entscheidung ebenfalls: „Es ist wunderschön geworden“, freut sich Nathalie über die Baumaßnahmen. „Wir wohnen in Wolfurt und sind öfter hier in Bregenz unterwegs, von daher ist es optimal, wenn man verweilen will“, pflichtet Markus ihr bei. Im Sommer fahren die Riegers oft mit dem Fahrrad nach Bregenz, berichtet er. „Da ist der Vorteil, dass man die Räder überall abstellen kann“, zählt er einen weiteren Pluspunkt der neuen Innenstadtgestaltung auf.

Vor 30 Jahren eine Hauptstraße
Lukas Aschauer, den die NEUE unterhalb des Leutbühels interviewt, erinnert sich: „Wenn man bedenkt, dass vor 30 Jahren hier noch die Bundesstraße durchgegangen ist, finde ich die Fußgängerzone eine gute Idee. Es ist viel angenehmer für die Bevölkerung. Und jetzt, mit der Energiewende, ist es wichtig, dass der Verkehr zurückgeht.“ Für die Gegner der Maßnahme hat er auch Verständnis: „Viele sagen, man muss halt zufahren können. Doch dafür gibt es eine Lieferzeit. Wenn man zu den Häusern muss, kann man diese nützen oder eine Sondergenehmigung holen.“

Schwierigkeiten für die Fahrschule Frener
Genau mit dieser Sondergenehmigung hadert Karin Hefel-Frener. Sie ist Inhaberin der Fahrschule Frener, die ihren Standort in der Rathausstraße hat – in dem Teil der Fußgängerzone, der vor der Umgestaltung 2022 noch befahren werden konnte. „Ich finde es eine Zumutung. Unsere Fahrlehrer können nicht mehr zum Standort zufahren.“ Das erschwert den Austausch von Dokumenten zwischen der Fahrschule und den Fahrlehrern, die handschriftlich unterzeichnet werden müssen. „Wir müssen jetzt jeden Tag zwei Mal zu der Garage bei der Post, wo die Fahrzeuge stehen, fahren und diese Unterlagen dort deponieren und sie am Abend wieder abholen“ erklärt Hefel-Frener.
Die erwähnte Sondergenehmigung kostet laut der Fahrschulinhaberin für einen Zeitraum von zwei Jahren 300 Euro pro Fahrzeug. „Wir haben allein sieben Pkws“, zeigt sie auf, welche enormen Kosten auf ihre Fahrschule zukommen würden.

„Wir haben immer versucht, eine Lösung auf einem anderen Weg zu erreichen, aber es passiert einfach nichts“, sagt die Fahrschulinhaberin. Eine Unterschriftensammlung mit mehr als 7000 Signaturen habe keine Wirkung gezeigt, Einsicht in den Verordnungsakt der Stadt wurde Hefel-Frener nicht gewährt. Der letzte Ausweg: Eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof gegen die Rechtmäßigkeit der Fußgängerzone. Ein Urteil ist frühestens in einem halben Jahr zu erwarten.
Keine Bürgerbeteiligung
Werner Braun, der Inhaber der Stadtapotheke, bringt einen weiteren Kritikpunkt auf: „Unter dem alten Bürgermeister (Markus Linhart) gab es einen Bürgerbeteiligungsprozess, was auch notwendig ist. 2018 ist da herausgekommen, dass es keine Fußgängerzone und keine Einbahnstraße in der Kirchstraße geben soll, sondern eine Begegnungszone.“ Diese sei auch umgesetzt worden, doch der neue Bürgermeister Michael Ritsch habe die Straße endgültig verkehrsfrei machen wollen.
„Alles musste so schnell gehen, dass man den ganzen Prozess abgekürzt hat. Normalerweise hätte es noch einen Bürgerbeteiligungsprozess gebraucht, man hätte ein Ermittlungsverfahren machen müssen und ein Verkehrsgutachten hätte es geben sollen, man hat aber nur ein Verkehrskonzept gemacht. Und da sind die Bürger und die Geschäfte übergangen worden“, kritisiert Braun.

Ihm ist wichtig zu betonen: „Wir sind ja nicht gegen die gesamte Fußgängerzone, wir sind gegen jene in der Kirchstraße und Römerstraße. Weil man dadurch nicht zu uns fahren kann, was vor allem im Nachtdienst blöd ist.“ Vor seiner Apotheke ist zwar eine Ladezone, doch: „Alles, was man unter dem Arm tragen kann, ist keine Ladetätigkeit“, erklärt er.
Mehr Frequenz dank Fußgängerzone
Martina Homann-Dellantonio hat ihr Schokoladengeschäft ebenfalls in der Kirchstraße. Die Betreiberin von „Xocolat“ steht der Fußgängerzone positiv gegenüber: „Es ist mehr Frequenz, vor allem Richtung Wochenende. Man wird als Geschäft auch anders wahrgenommen. Als Autofahrer achtest du nur darauf, dass du schnell durchfährst. Ein Fußgänger schaut viel mehr und wechselt auch Mal die Straßenseite, wenn es coole Schaufenster gibt.

Die Begegnungszone empfand sie als störend: „Die Autofahrer sind da viel zu schnell gefahren. Das ist jetzt besser geworden.“ Verbesserungspotenzial sieht sie dennoch: „Der Bus fährt hier noch recht schnell durch.“ Auch manche Autofahrer würden sich in die Kirchstraße verirren, wenn sie das entsprechende Verkehrszeichen übersehen. „Dann stehen sie plötzlich vor dem Poller (in der Kirchstraße) und warten, bis das Licht dort grün wird“, lacht Homann-Dellantonio. Daher wünscht sie sich, dass ein solcher Poller auch in der Römerstraße angebracht wird.
Steigerung der Aufenthaltsqualität
Kerstin Laubmann von der Boutique Karin in der Rathausstraße empfindet ebenfalls eine Steigerung der Aufenthaltsqualität: „Es ist ein Unterschied, ob man vorbeifährt oder läuft. Früher war das eine Durchfahrtsstraße und hier waren ein paar Parkplätze, die immer voll waren.“ Den Ärger über weitere Wege kann sie nicht nachvollziehen: „Bregenz ist ja nicht so groß, dass man zehn Kilometer umherlaufen muss.“ Ihre Meinung zur erweiterten Fußgängerzone: „Man muss allem eine Chance geben.“

erweiterung der fußgängerzone in bregenz
2022 wurden die Römerstraße und die Kirchstraße zwischen der Montfortstraße und der Thalbachgasse zur Fußgängerzone umgestaltet. Auch die Rathausstraße, die Schulgasse, die Anton-Schneider-Straße und die Maurachgasse gehören seitdem Fußgängerzone.