Vorarlberg

Renaturierung unter EU-Aufsicht? Pro & Contra für ein umstrittenes Gesetz

02.06.2024 • 07:00 Uhr
Maurice Shourot
Landeshauptmann Markus Wallner und Umweltlandesrat Daniel Zadra. Shourot

Vorarlberg als Vorreiter in Sachen Naturschutz? Während sich Landeshauptmann Markus Wallner klar gegen das von der EU geplante Renaturierungsgesetz stemmt, nimmt Umweltlandesrat Daniel Zadra seinen Regierungspartner in die Pflicht.

Für Unstimmigkeiten in der Vorarlberger Regierungskonstellation sorgt das kontrovers diskutierte Renaturierungsgesetz der Europäischen Union. 

Die Grünen machen sich für EU-weite Zielsetzung und Vorgaben stark, die ÖVP möchte ihre Naturschutz-Agenda wie bisher in Eigenverantwortung umsetzen. Das umstrittene Gesetz sorgt in Österreich für Wirbel. Zunächst hatte sich die Landeshauptleutekonferenz einstimmig gegen die Unterstützung der Novelle durch Umweltministerin Leonore Gewessler beim EU-Rat in Brüssel ausgesprochen. 

Schwenk der Landeshauptleute

Was zur Folge hatte, dass die Ministerin aus dem Lager der Grünen einen Alleingang, ohne Zusage der Länder in Aussicht stellte.  Der nachfolgende Schwenk der Landeshauptleute Kaiser und Ludwig aus Kärnten und Wien, dem Gesetz doch eine Zustimmung zu erteilen, sorgte vor allem bei den ÖVP-Landesleadern für Kopfschütteln, also gerade auch bei Markus Wallner.

Unverständlich für Umweltlandesrat Daniel Zadra, der die Haltung seines Regierungspartners attackiert: „Wir haben uns immer auf die Fahnen geheftet, Vorreiter in Sachen Naturschutz sein zu wollen. Dieses Gesetz formuliert EU-weite Ziele, die dann von den jeweiligen Ländern umzusetzen sind. Naturschutz bleibt Ländersache, die großen Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, können aber nur überregional bewältigt werden.“

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Außerdem habe man mit Projekten wie Rhesi oder „AMooRe“, einem Projekt zum Schutze der Feuchtgebiete genau solche Projekte in Angriff genommen. 

EU-Einflussnahme?

In dieselbe Kerbe schlägt Landeshauptmann Wallner und unterstreicht einmal mehr die Relevanz, die Naturschutz für das Land Vorarlberg einnähme – ohne das Zutun von außerhalb: „Vorarlberg setzt eine Vielzahl von Programmen und Projekte zur Sicherstellung von Natur- und Umweltschutz und der Biodiversität um. Das geht von EU-kofinanzierten über Bundes- und Landesprojekte bis hin zu Umsetzungen von und in den Gemeinden. Genau weil wir das bis dato bereits machen und diese Verantwortung auch eigenständig wahrnehmen, brauchen wir niemanden, der uns von außen erklärt, wie und was wir in Vorarlberg zu renaturieren haben. Rhesi wird grenzüberschreitend eines der größten Renaturierungsprojekte werden.“

Unrealistische Vorgaben

Der ausverhandelte und zur Abstimmung vorliegende Verordnungsvorschlag bilde nicht ab, was in der einheitlichen Länderstellungnahme rückgemeldet wurde. Im Waldmanagement oder bei städtischen Grünflächen stellt Wallner bei beidem die EU-Kompetenz in Frage. Zudem seien unverhältnismäßige inhaltliche Ziel- und unrealistische Zeitvorgaben enthalten. „Alleine die verlangte Erstellung von nationalen Wiederherstellungsplänen und die Vorlage von bestimmten Evaluierungen zwei Jahre nach Inkrafttreten verlangt einen hohen bürokratischen Aufwand“, gibt der Landeshautpmann auf Anfrage der NEUE am Sonntag zu bedenken.

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Zadra: “Wir brauchen dieses Gesetz unbedingt!”

Dem widerspricht sein Umweltlandesrat vehement: „Wir brauchen dieses Gesetz unbedingt. Auch um zu beweisen, dass unsere Bemühungen in Vorarlberg verstärkt werden müssen. Das Gesetz öffnet natürlich auch Türen zu EU-Mitteln, die wir dringend gebrauchen könnten. Und weil natürlich alle anderen Länder das auch machen sollen. Somit bekommen wir einen verbindlichen Rahmen für alle EU-Mitgliedstaaten. Darum finde ich es auch etwas befremdlich, wenn Vorarlberg genau am eigenen Ast sägt. Und noch einmal, die Umsetzung bleibt in Länderhand.“

Zwangsenteignung aufgrund von EU-Vorgaben?

Ein Begriff, mit dem wohl kein Politiker in Zusammenhang gebracht werden möchte, ist der allseits gefürchtete Terminus der Zwangsenteignung.

„Kritiker sprechen in Zusammenhang mit dem Gesetz davon, dass die EU heimische Grundbesitzer zwangsenteignen könnte. Ich weiß zwar nicht, welche Version der Landeshauptmann hier kennt, das ist aber längst entkräftet“, informiert Zadra weiter. 

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Was der Landeshautpmann so nicht unterschreibt und seine Bedenken äußert: „Im äußersten Fall kann der Staat durch die Verordnung gezwungen werden, Grundeigentümer zu enteignen. Im Verordnungstext steht zwar, dass die ‚Wiedervernässung von Flächen‘ für den Grundeigentümer selbst freiwillig ist. Das nützt aber nichts, wenn der Staat eine Verpflichtung hat und sich dann nur mit Enteignungen weiterhelfen kann.“ Deswegen könne er den Schwenk seiner Kollegen in Wien und Kärnten nicht nachvollziehen, über die Gründe könne man angesichts des Zeitpunkts nur spekulieren.

Maurice Shourot
Daniel Zadra zeigt sich kämferisch.Shourot

Gefährdete Existenz

„Die jüngsten Krisen haben uns gezeigt, wie wichtig es ist, sich zu einem bestimmten Grad selbst versorgen zu können. Da geht der Verordnungsvorschlag in die komplett falsche Richtung. Man müsste wohl sehr produktive Böden wiedervernässen und dadurch unbrauchbar machen. Für Teile der Vorarlberger Landwirtschaft wäre das existenzgefährdend, der Selbstversorgungsgrad würde leiden“, gibt Wallner außerdem zu bedenken. 

Was wiederum Zadra nicht nachvollziehen kann, denn gerade dem Klimaschutz müsse in Zusammenhang mit Existenzgefährdung oberste Priorität eingeräumt werden: „Die Wirkungsanalyse bestätigt, dass der Nutzen, die Natur zu schützen, zwölfmal so hoch ist, wie die Kosten für die Wiederherstellung. Intakte Böden und sauberes Wasser bilden die Grundlage für Ernährungssicherheit. Eine intakte Natur bildet den effektivsten Schutz bei Hochwasser- oder Schadensereignissen. Und dies wird durch dieses Gesetz gewährleistet.“

Interview Markus Wallner
Markus Wallner zeigt wenig Verständnis für das neue Gesetz.Hartinger

„Die vorgeschlagene Verordnung würde weitere Vorgaben zu bestehenden EU-Regelungen hinzufügen. Und vollkommen unrealistische und unverhältnismäßige Ziele setzen, was zusätzlichen bürokratischen Aufwand mit sich bringt, der niemandem weiterhilft“, schließt der Landeshauptmann. 

Wahlkampf oder Positionierung, in den Farben getrennt, in der Sache vereint oder politisches Kräftemessen – man darf gespannt sein, wie sich Umweltministerin Gewessler bei der am 17. Juni stattfindenden Abstimmung im EU-Rat verhalten wird.

(NEUE)