Vorarlberg

Millionenprojekt in Wolfurt auf der Kippe

20.12.2024 • 07:00 Uhr
Wolfurt Sozialzentrum
Bei der europaweiten Ausschreibung des Projekts wurden offenbar mehrere Punkte aus der Bebauungsvereinbarung nicht berücksichtigt. Hartinger, WPA

Im Zentrum des Konflikts stehen umstrittene Vereinbarungen, Verzögerungen, Kostensteigerungen und mangelnde Transparenz.

Das geplante Sozial- und Handelszentrum (SHZ) in Wolfurt steht zunehmend unter Druck. Das Projekt, ursprünglich mit 50 Millionen Euro budgetiert, ist nicht nur durch massive Kostensteigerungen belastet – aktuell wird von bis zu 80 Millionen Euro gesprochen –, sondern auch durch einen Rechtsstreit, der das Vorhaben ins Stocken bringt. Chris Alge, ein benachbarter Grundstückseigentümer, sieht die Bebauungsvereinbarung verletzt und hat Klage eingereicht. Der Ausgang dieses Konflikts könnte entscheidend für die Zukunft des Projekts sein.

Ambitioniertes Projekt

Das Sozial- und Handelszentrum (SHZ) soll das Zentrum von Wolfurt neu gestalten und stärken. Geplant sind ein Pflegeheim mit 78 Betten, Tagesbetreuung, Hauskrankenpflege, Geschäfte und eine Tiefgarage. Mit seiner zentralen Lage an der Lauteracher Straße/Bützestraße ist das Projekt ein Herzstück der Gemeindeentwicklung.

Sozialzentrum Wolfurt

Die Grundlage für das Projekt bildet eine Bebauungsvereinbarung vom Jänner 2022, die zwischen der Gemeinde und dem Grundstückseigentümer Chris Alge geschlossen wurde. Diese enthält 16 verbindliche Punkte, darunter klare Vorgaben zu Bauhöhen, Abstandsregelungen und der Nutzung einer gemeinsamen Tiefgaragenrampe. Das Gebäude der Gemeinde sollte maximal vier Geschosse (E + 3) haben, während Alge ein Gebäude mit bis zu 2,5 Geschossen errichten dürfte. Die Vereinbarung, unterzeichnet vom damaligen Bürgermeister Christian Natter, der heutigen Bürgermeisterin Angelika Moosbrugger (damals Vizebürgermeisterin) und Chris Alge, wurde durch den Bauamtsleiter Wolfgang Dittrich begleitet. Sie sollte den rechtlichen Rahmen für das Projekt und den dazugehörigen Grundstückstausch bilden.

Verletzung der Vereinbarung

Der Konflikt begann im März 2023, als das Siegerprojekt eines Architektenwettbewerbs vorgestellt wurde. Dieses sieht ein fünfstöckiges Gebäude vor und weicht damit von der Vereinbarung ab. Chris Alge fühlt sich hintergangen und hat Klage eingereicht, um den Grundstückstausch rückgängig zu machen. Sollte er Erfolg haben, würde das gesamte Projekt in seiner aktuellen Form nicht umsetzbar sein.

Millionenprojekt in Wolfurt auf der Kippe
Bürgermeisterin Angelika Moosbrugger in der Sitzung der Gemeindevertretung. Hartinger

In einer Stellungnahme betonte Bürgermeisterin Moosbrugger, dass die Gemeinde weiterhin an der Einhaltung der Vereinbarung festhalte. Gleichzeitig räumte sie ein, dass bestimmte Klauseln greifen, da die gemeinsame Tiefgaragenrampe bis Ende 2024 nicht fertiggestellt werden kann. Die entsprechenden Regelungen würden eingehalten. Chris Alge und andere Kritiker werfen der Gemeinde jedoch vor, wesentliche Aspekte der Vereinbarung, insbesondere die Geschosshöhen, nicht berücksichtigt zu haben. Die Gemeinde argumentiert, dass sich der angesprochene Punkt 6 der Vereinbarung vom 21.01.2022 ausdrücklich nur auf die Liegenschaft Alge beziehe.

Anwaltliche Einschätzung

Eine anwaltliche Einschätzung des Sachverhalts, die der Redaktion vorliegt, stützt Alges Position. Darin heißt es: „Im Zuge der Verhandlungen wurden auch die Geschosshöhen der zu errichtenden Gebäude festgelegt. Chris Alge wird seinerseits ein Gebäude mit +2,5 Geschossen, die Marktgemeinde Wolfurt ein Gebäude mit +3 Geschossen errichten. Dies wurde mehrfach ausdrücklich besprochen und in der Folge auch in den Planunterlagen des Architekturbüros Schneider so berücksichtigt. Dies wird auch vom Vertragsverfasser Dr. Bickel bestätigt.“

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Auch Chris Alge wohnte der öffentlichen Sitzung am vergangenen Mittwoch bei. Hartinger

Die Aussage der Bürgermeisterin, es gebe „keine Versprechen an Chris Alge“ in der gestrigen Sitzung der Gemeindevertretung, steht somit im Widerspruch zu den vorliegenden Dokumenten. Besonders brisant: Der Bauamtsleiter wird von Kritikern dafür verantwortlich gemacht, die Vereinbarungspunkte nicht vollständig in die Architektenwettbewerbsunterlagen aufgenommen zu haben. Dadurch seien Planungen entstanden, die nicht den Vorgaben entsprächen. Auch diesem Vorwurf wird seitens der Gemeinde widersprochen: „Die Vereinbarung wurde auch, soweit ihre Punkte das Sozial- und Handlungszentrum direkt betreffen, in den Architektenwettbewerb aufgenommen, so u.a. die Planung der bereits angesprochenen Tiefgaragenrampe“, heißt es in der Stellungnahme.

Öffentlicher Unmut

Zusätzlich zu den rechtlichen Streitigkeiten belasten die steigenden Kosten das Projekt. Ursprünglich mit 50 Millionen Euro veranschlagt, ist aktuell von bis zu 80 Millionen Euro die Rede. Eine erste Kostenschätzung wurde in der Gemeindevertretungssitzung am 1. Juli 2024 vorgestellt. Konkrete Maßnahmen zur Kostenbegrenzung bleiben jedoch vage.
Die Verzögerungen und die mangelnde Transparenz sorgen für zunehmenden Unmut in der Bevölkerung. Bürger kritisieren die Kommunikation der Gemeinde und fordern Konsequenzen. Besonders die Rolle des Bauamtsleiters steht in der Kritik. „Die Vereinbarungspunkte waren klar definiert. Warum wurden diese nicht konsequent in die Planung eingebracht?“, fragt ein besorgter Anwohner.

Gemeinde verhandlungsbereit

Die Gemeinde zeigt sich weiterhin gesprächsbereit. In ihrer Stellungnahme erklärt sie, dass Chris Alge verschiedene Lösungsvorschläge unterbreitet habe, die jedoch nicht mit den Grundsätzen einer ordentlichen Verwaltung und Finanzgebarung vereinbar seien. Stattdessen bietet die Gemeinde an, das Grundstück von Alge zu einem gerichtlich festgelegten Preis zu erwerben. Ob dies die Situation entschärfen kann, bleibt fraglich. Alge wiederum hat mehrfach betont, dass er das Projekt nicht verhindern wolle, sondern lediglich die Einhaltung der Vereinbarung erwarte.

Zukunft unklar

Die Zukunft des Projekts in Wolfurt hängt davon ab, wie die Klage entschieden wird und ob eine einvernehmliche Lösung gefunden werden kann. Dabei steht vor allem die bauliche und finanzielle Umsetzung des Sozial- und Handelszentrums im Fokus. Die Kommunikation und die Transparenz in der weiteren Projektplanung werden ebenfalls eine zentrale Rolle spielen. Eine Klärung der rechtlichen und planerischen Fragen ist essenziell, um das Vorhaben zukunftssicher und wirtschaftlich tragbar zu gestalten.