Industrie: „Leidfaden“ als Antwort auf Bürokratie

Traditionell zum Neujahrsbeginn richtet die Industriellenvereinigung Vorarlberg konkrete Forderungen an die neue Landesregierung.
Die Alarmglocken läuten schriller denn je, es geht um den heimischen Standort und damit um die Sicherung unserer allen Wohlstands.
„Wir müssen endlich ins Tun kommen. Und wir erwarten, dass die von der neuen Landesregierung angekündigten Maßnahmen schleunigst umgesetzt werden, um eine Abwanderung von heimischen Unternehmen und den damit verbundenen Arbeitsplätzen zu verhindern“, zeigt sich Elmar Hartmann, Präsident der Industriellenvereinigung Vorarlberg im Gespräch mit der NEUE angriffslustig.
Ampel steht auf Rot
Während in den vergangenen Jahren traditionell zum Neujahrsempfang die Interessenvertretung meist Vision und Leitbild präsentiert hat, wird es heuer konkreter.
Einerseits veröffentlicht die IV einen 28 Seiten starken „Leidfaden“ unter dem Titel „Bauen für Betriebe“. „Mit dem Papier wollen wir anhand eines konkreten Beispieles zeigen, mit welchen bürokratischen Hürden ein gewerblicher Bauantragssteller in Vorarlberg konfrontiert wird. Und dass Handlungsbedarf besteht, um unsere Wettbewerbsfähigkeit aufrecht zu erhalten“, führt IV-Geschäftsführer Simon Kampl weiter aus.
Andererseits hat die Vorarlberger Industriellenvereinigung ein Monitoring für die Landesregierung erstellt. Unterschiedliche Ankündigungen der frisch formierten schwarz-blauen Landesspitze werden mittels Ampelsystem in einer „Checkliste Regierungsprogramm“ evaluiert, um eine zeitnahe Umsetzung zu überprüfen. Ein zentrales Thema ist und bleibt der Bürokratieabbau.
Kritik an Gestaltungsbeiräten.
Konkret schildert das Dokument, wie komplizierte und oft intransparente Prozesse zu erheblichen Mehrkosten und Zeitverzögerungen führen. Ein anonymisiertes Beispiel zeigt, dass durch langwierige Abstimmungen, etwa in Gestaltungsbeiräten, ein Projekt über drei Jahre verzögert und 20 Prozent teurer wurde. Die in Vorarlberg besonders hohe Dichte an Gestaltungsbeiräten hindere oft mehr, als dass sie Lösungen schaffe. Die IV fordert hier klare Regeln und standardisierte Verfahren, um Unternehmen Planungssicherheit zu geben. „Wir müssen den Eindruck vermeiden, dass Unternehmen in Vorarlberg nicht mehr willkommen sind“, so Hartmann.
„Ironischerweise wäre im Fall der Gestaltungsbeiräte mehr Regulierung sinnvoll“, merkt der Gantner-Geschäfstführer an. Unterschiedliche Vorgaben und das Fehlen einheitlicher Richtlinien führen zu erheblichen Unklarheiten. Laut IV-Recherchen gäbe es in Vorarlberg mindestens 52 solcher Beiräte, mehr als im gesamten übrigen Österreich. Politische Entscheidungsträger sollten hier Verantwortung übernehmen, klare Strukturen schaffen und mutigere Entscheidungen treffen, um die Wettbewerbsfähigkeit am Standort zu sichern.
Besonders wichtig seien Maßnahmen wie der Abbau überflüssiger Regulierungen („Gold Plating“), das „Once-Only-Prinzip“ für Datenerfassung und „Sunset-Clauses“ für das automatische Auslaufen von Gesetzen. Eine neu geplante Stelle für Bürokratieabbau soll überbordende Regelungen überarbeiten, Hemmnisse abbauen, Prozesse beschleunigen und so die Deindustrialisierung bremsen.
Nachhaltige Industrie
Angesprochen auf den oft schwierig zu bewältigenden Spagat zwischen Umwelt und Industrie zeigen sich Kampl und Hartmann guter Dinge. „Natürlich sind unsere Unternehmen daran interessiert, im Sinne der Nachhaltigkeit und unserer aller Umwelt zu agieren. Jedoch muss die Politik sicherstellen, dass die Transformation realistisch und finanzierbar bleibe“, führt Hartmann aus. Dass aber zukunftsweisenden Projekte wie etwa das geplante Reststoffkraftwerk des Frastanzer Verpackungsspezialisten Rondo Ganahl immer wieder Steine in den Weg gelegt werden würden, sei ein Paradebeispiel für die von den Industriellenvertretern formulierte Kritik. Oder auch die Lautstärke einer klimafreundlichen Wärmepumpe, das den gestrigen Baustart des neuen IV-Standorts „Haus der Zukunft“ in Bregenz verzögert habe.
Checkliste Regierungsprogramm der IV



3 Fragen an Elmar Hartmann, Präsident IV Vorarlberg
Wieso übt die Vorarlberger Industriellenvereinigung derart harte Kritik an den Gestaltungsbeiräten?
Elmar Hartmann: Ein zentraler Kritikpunkt ist die überbordende Bürokratie, die Unternehmen massiv belastet. Besonders die hohe Anzahl an Gestaltungsbeiräten in Vorarlberg führt immer wieder zu langwierigen und kostspieligen Verfahren. Es fehlen klare und einheitliche Regeln, die eine effiziente Planung ermöglichen. In manchen Fällen haben solche Verfahren Bauprojekte um Jahre verzögert und erheblich verteuert. Außerdem hat man oft den Eindruck, dass teilweise persönliche Willkür oder Diskrepanzen mit beteiligten Akteuren die Entscheidungsprozesse mitbestimmen. Das schreckt ab und vermittelt den Eindruck, dass Unternehmen in Vorarlberg nicht mehr willkommen sind.
Worin sehen Sie die größten Herausforderungen für den Standort?
Hartmann: Die Kombination aus langwierigen Genehmigungsverfahren, uneinheitlichen Baugesetzen und einem allgemeinen Gefühl von Blockade erschwert Investitionen und damit die Entwicklung der Region.
Was braucht es jetzt?
Hartmann: Wir brauchen weniger Bürokratie, klare Verfahren und eine bessere Zusammenarbeit zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Gleichzeitig muss die Transformation hin zu nachhaltigen Technologien so gestaltet werden, dass sie für die Betriebe finanzierbar bleibt. Dafür müssen wir jetzt ins Tun kommen.