Vorarlberg

KHBG-Direktor zu Gehältern: „Wer sich aufregt, hat die Relationen verloren“

19.01.2025 • 09:00 Uhr
KHBG-Direktor zu Gehältern: „Wer sich aufregt, hat die Relationen verloren“
Hartinger

Gerald Fleisch, Direktor der Krankenhausbetriebsgesellschaft (KHBG), über die Personalsituation, die Zukunft der Bettentürme am LKH Feldkirch und warum die Spitalsmitarbeiter seiner Meinung nach mehr als genug verdienen.

Sind Sie gesund ins neue Jahr gestartet? Gerald Fleisch: Ja, gesund und voller Zuversicht.

Und wie gesund ist die Spitalslandschaft in Vorarlberg, die Pflege?Fleisch: Allen Unkenrufen zum Trotz sehr gesund. Vorarlberg steht hervorragend da, was die Spitalsversorgung betrifft. Wir haben restrukturiert, Abteilungen geschlossen und zusammengelegt. Ohne diese Maßnahmen wären wir in einer weitaus schwierigeren Lage. Wir haben hervorragende Mitarbeitende, quer durch alle Berufsgruppen. Zudem gewinnen wir weiterhin qualifiziertes Personal, auch bei den Primarärzten, zuletzt aus Tübingen und Ulm.

Ein Personalmangel lässt sich dennoch nicht bestreiten, oder? Fleisch: In der Gesamtzahl haben wir mehr Mitarbeitende als Dienstposten. Im ärztlichen Bereich haben wir wirklich nur in wenigen Fachbereichen einen Personalmangel , in der Pflege punktuell. Da müssen wir sicher noch nachschärfen. Wir haben begonnen, internationales Personal zu rekrutieren, etwa aus Indien, Kolumbien, Tunesien und den Philippinen. Das ist notwendig, um unser System aufrechtzuerhalten.

Befürchten Sie, dass die Rekrutierung aus dem Ausland unter einer möglichen schwarz-blauen Bundesregierung schwieriger werden könnte? Fleisch: Ich bin kein Politiker, aber da habe ich eine persönliche Meinung dazu. Ja, ich befürchte, dass das schwieriger wird. Die Thematik der Ausländerintegration ist gegenwärtig und erfordert eine ernsthafte Auseinandersetzung, jedoch sollte eine Überreaktion vermieden werden. Hier wird vieles zu naiv und zu einseitig betrachtet. Es muss alle Kraft aufgewendet werden, um solchen extremen politischen Entwicklungen entgegenzuwirken.

Zurück zum Personal. In der Unfallchirurgie sind vier von sieben Stationen geschlossen und auch nicht alle OP-Säle in Betrieb. Wie wirkt sich das auf Patienten und Mitarbeitende aus? Fleisch: Die Situation in der Unfallchirurgie war schwierig, hat sich aber inzwischen leicht gebessert und wird sich 2025 weiter verbessern. Die verbleibenden Mitarbeitenden leisten einen höheren Einsatz, wofür wir sehr dankbar sind. Durch die Zusammenführung der Primariate Bludenz und Feldkirch sowie der Fächer Orthopädie und Traumatologie konnten wir ausgleichend wirken. Trotz der intensiven Beanspruchung, insbesondere während der Wintersaison, sind derzeit keine längeren Wartezeiten auf dringend notwendige Eingriffe zu verzeichnen. Möglich ist das aber nur durch den erhöhten Einsatz des Teams.

Was tut die KHBG, um Fachkräfte langfristig an die Spitäler zu binden?Fleisch: Wir haben mehr Mitarbeitende, die zu uns kommen, als abwandern, und aktuell so viele wie nie zuvor – allein 2024 kamen 107 neue dazu. Um Fachkräfte zu binden, bieten wir ein starkes Gesamtpaket: ein hervorragendes Gehaltssystem, spannende medizinische Aufgaben und patientenorientiertes Arbeiten statt rein kennzahlengetriebenen Zielen. Wir investieren in Weiterbildung und fördern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – etwa gemeinsam mit der Diözese durch 100 neue Kindergartenplätze in Bregenz. Zusätzlich schaffen wir am LKH Feldkirch Wohnraum mit 70 neuen Wohnungen, die bald bezugsfertig sind. Wir sind auf einem guten Weg, auch wenn es immer Raum für Verbesserungen gibt.

KHBG-Direktor zu Gehältern: „Wer sich aufregt, hat die Relationen verloren“
Spitalsmanager Gerald Fleisch im Gespräch mit der NEUE am Sonntag. Hartinger

Das Gehaltsmodell wurde letztes Jahr überarbeitet. Es wird kritisiert, dass der Mittelbau nur wenig davon profitiert. Fleisch: Das sehe ich völlig anders. Mit der Ärztekammer haben wir vor Jahren ein konkurrenzfähiges Modell entwickelt und mit dem Kaderarztmodell zusätzliche Entwicklungsmöglichkeiten geschaffen, übrigens ein österreichweites Novum. Natürlich ist die Belastung gestiegen, da sich die Verweildauer der Patienten von zehn auf 3,5 Tage verkürzt hat. Trotzdem ist unser Gehaltsmodell sehr gut. Ein Turnusarzt, der bei uns die Ausbildung macht, fängt bei uns mit einem Gehalt von 100.000 Euro an, ein Oberarzt kann im Jahr 180.000 Euro und mehr verdienen. Wer sich da aufregt, hat die Relationen verloren.

Das heißt, Ihrer Meinung nach verdienen alle genug in den Krankenhäusern? Fleisch: Ja, derzeit.

Aber letztes Jahr war noch von einer Phase 2 der Gehaltsanpassungen die Rede. Ist das jetzt obsolet? Fleisch: Wir werden das sicher evaluieren, aber meine Aussage ist klar: Es ist genug. Wenn man von Budgetsanierung spricht, hat auch das Spitalwesen eine Aufgabe. Wir tragen hier eine Mitverantwortung.

Wie begegnen Sie der Abwanderung in den niedergelassenen Bereich? Dort verdienen Ärzte weitaus mehr und haben keine Nachtdienste. Fleisch: Das System ist sicher nicht günstig, aber ich möchte die beiden Bereiche nicht gegeneinander ausspielen. Wichtig ist, dass wir ein besseres Zusammenspiel schaffen, die Patientenflüsse effizienter steuern. Um hier Verbesserungen zu erreichen, braucht es den politischen Willen auf Bundesebene.

Themawechsel: Stimmt es, dass die beiden Bettentürme in Feldkirch nicht mehr sanierbar sind. Was ist hier geplant? Fleisch: Die Bettentürme stammen aus den 1970er-Jahren, und wir prüfen derzeit, ob eine Sanierung oder ein Neubau sinnvoller ist. Solche Entscheidungen sind bei Gebäuden dieses Alters komplex, vor allem, da Maßnahmen im laufenden Betrieb erfolgen müssen. Dass die Türme nicht sanierbar sind, stimmt nicht.

Ist man hier nicht viel zu spät dran? Gibt es keinen Masterplan? Fleisch: Das Thema war immer ein Fokus. In unserer Zielplanung fließen laufend neueste Erkenntnisse ein. Die Bettentürme sind ein massives Thema, besonders in Bezug auf Zimmergrößen und Vorschriften, die sich seit den 1970er-Jahren stark verändert haben.

In manchen Zimmern soll es im Sommer unglaublich heiß werden, da es keine Klimaanlagen gibt. Fleisch: Die fehlende Klimatisierung in den Bettentürmen ist ein großes Thema. Das Thema ist eng mit Nachhaltigkeit verbunden, die bei uns nicht nur ein Anspruch, sondern auch rechtlich verpflichtend ist. Wir müssen hier eine gute Balance finden: Ist eine Vollklimatisierung nachhaltig? Was ist für Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeitende zumutbar? Unter den Maßgaben von Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit arbeiten wir daran, eine sinnvolle Lösung zu finden.

Im Flurfunk wird über Fehlplanungen bei Neubauten berichtet. In Rankweil sollen etwa Sauerstoffleitungen vergessen worden sein. Fleisch: Solche Berichte basieren oft auf Unkenntnis. Es handelt sich nicht um bauliche, sondern um betriebsorganisatorische Themen. Unsere Aufgabe ist es, laufend zu überprüfen, ob frühere Planungen immer noch den aktuellen Anforderungen entsprechen. Dabei gibt es unterschiedliche Meinungen, aber diese Themen stehen im Fokus und werden von den Krankenhausleitungen sorgfältig betreut.

KHBG-Direktor zu Gehältern: „Wer sich aufregt, hat die Relationen verloren“
KHBG-Direktor Fleisch zu Spitalsgehältern: „Es ist genug.“ Hartinger

Sie führen die KHBG jetzt schon 21 Jahre lang. Wie lange wollen Sie noch Direktor bleiben? Fleisch: Solange wir gestalten können und die Rahmenbedingungen für mich passen. Es ist eine sehr schöne und spannende Aufgabe.

Welche Rahmenbedingungen meinen Sie genau? Fleisch: Dass man entwickeln und Haltung bewahren kann. Das ist mir sehr wichtig.

Was hat sich verändert in den letzten 20 Jahren? Fleisch: Es ist heute völlig anders als früher. Allein beim Personal hat sich vieles verändert. Zu Beginn meiner Tätigkeit gab es noch die sogenannte Ärzteschwemme, obwohl damals österreichweit nur halb so viele Ärztinnen und Ärzte tätig waren wie heute. Die Patientenzufriedenheit als auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden hat abgenommen. Das hängt oft mit den gestiegenen Ansprüchen in der gesamten Gesellschaft zusammen, die auch wir im Gesundheitswesen spüren . Der größte Fortschritt liegt in der Medizin selbst: Die Entwicklungen in den letzten 20 Jahren sind beeindruckend. Was die Medizin heute leisten kann, war früher undenkbar.