Wahlplakate zwischen Ästhetik und Aussagekraft: Ein Design-Check

Sigi Ramoser von Sägenvier kommentiert die Wahlplakate der kommenden Gemeindewahlen aus Sicht eines Kommunikationsgestalters.
Sie hängen überall. Die Wahlplakate für die anstehenden Gemeindewahlen sind landauf- landab nicht und nirgends mehr zu übersehen.
Sigi Ramoser von Sägenvier, einem Büro für DesignKommunikation in Dornbirn, nimmt sich der Aufgabe an, die Wahlplakate zu kommentieren. „Ich möchte betonen, dass meine Kritik mit der jeweiligen Person, den Personen oder den Parteien nichts zu tun haben. Ich habe mich entschieden, nicht auf die einzelnen Sujets direkt einzugehen, sondern möchte, dass meine Gedanken frei zuordenbar sind“, schickt Ramoser voraus.
„Es wird immer wieder diskutiert, ob Plakate für die Wahlwerbung noch Sinn machen. Neben all den anderen Informationsquellen, wie Social Media, Veranstaltungen, Medienberichten, Giveaways, Programm-Informationen, Schwerpunkten etc. dient das Plakat auf der Straße allgemein zur Stimmung, zur Atmosphäre“, führt Ramoser aus. „Jetzt ist bald Wahltermin, geht wählen, wählt mich oder uns. Dies stimmt lautstark ins Thema ein und man ist am Ende dann auch wieder froh, wenn die Werbemittel von der Straße abmontiert werden. Das geht den Politikerinnen und Politikern sicher auch so, nicht nur den Wählerinnen und Wählern.“

Etwas zu viel Photoshop?
Auch zu der Art, wie sich die Vertreter und Vertreterinnen der einzelnen Parteien ablichten lassen haben, oder dazu, wie die Parteien für ihre Wählerschaft werben, hat Ramoser eine klare Meinung. „Es ist interessant, wie sich die einzelnen Wahlkandidatinnen und Wahlkandidaten darstellen. Von schnell abfotografiert, liebevoll portraitiert bis hin zu etwas zu viel Photoshop. Es ist alles eine Frage der Haltung und der Ausstrahlung.“
Doch Ramoser fällt dabei etwas auf. „Vorwiegend geht es um die Personen im Gemeindewahlkampf. Dies spricht für die Portraits. Einige versuchen, Themen oder Botschaften in kurzen Headlines zu platzieren. Wenige geben noch inhaltlich wirklich was zu lesen“, findet der Kommunikationsgestalter. Gerade wegen seiner Profession nimmt Ramoser die Plakatierung in einem sehr besonderen Blickwinkel wahr. „Lassen Sie mich aus Sicht eines Gestalters und Kommunikationsberaters doch einen hinkenden Vergleich ziehen: Werbung ist wie flirten. Man stellt sich vor, zeigt sich von seiner besten Seite. Schaut, dass ein bisschen Überlegung und Ausstrahlung vermittelt wird. Es geht dabei nicht darum, eine Mogelpackung zu präsentieren. Beim Flirt wäre es wie in der Disco. Man putzt sich heraus, alles glänzt und dann kommen der Alltag und die wahren Charaktere ans Tageslicht. Jetzt hinkt mein Vergleich gleich nochmals, da momentane Macht-Politiker und Politikerinnen nicht wegen ihrer Frisur gewählt werden – ich muss dies nicht detaillierter aufklären, oder?“

Über den Tellerrand blicken
Doch Ramoser führt seine Überlegungen diesbezüglich noch weiter aus. „Also geht es nicht um das Äußere. Da kann auch nicht jeder oder jede punkten. Es geht aber vielleicht schon um eine gewisse Bemühung, die Portraits eben zu gestalten. Wie ist die Kleidung? Wo wird das Portrait gemacht? Hintergrund, alleine oder im Team, oder mit ‚Wählergruppen‘ freundlich lachend gemeinsam? Je nach Parteiprogramm – wirkt die Person energisch, verbindend, sympathisch, kraftvoll, einladend?“
„Was steht auf dem Sujet? Die Ausgangspartei wird teilweise sehr still bis gar nicht platziert. Die Sprüche sind kurz und bündig und je nach politischer Lage zielgerichtet auf Sicherheit. Wobei einzelne doch noch anbieten, mit richtig gut überlegten Texten auf Inhalte und Haltungen einzugehen.“
Aber genug der Kritik, auch Positives findet Ramoser an der breitgefächerten Wahlwerbung. „Aus der Sicht des Gestalters möchte ich den kreativeren Umgang mit guter Gestaltung und Vermittlungs-Ansprüchen bei einzelnen Wahlkampagnen loben. Dies suggeriert mir zumindest, dass hier vermittelt werden möchte, dass gut reflektiert und mit Lust am Gestalten auch in der Politik über die Tellerränder und mit Mut und Zuversicht auf die herausfordernden ernsten Themen reagiert werden kann. Mit weißer ‚Weste‘ oder mit morgendlichen Grüßen“, sagt Ramoser.
„Diesen Anspruch vermisse ich als Bewohner. Die Freude am Tun. Die Konsequenz im Handeln. Die klare und zielgerichtete Gestaltungshaltung mit Bedacht und Umsicht. Es geht ja immerhin um die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und ihre Teams, die uns regieren werden. Und letztlich geht es um Gestaltung in der Politik“, führt er aus. „Wie können wir zusammen die Welt ein bisschen schöner und lebenswerter gestalten? Das fängt doch beim Nachbarn an.“

Verwirrende Kommunikation
„Grundsätzlich finde ich es spannend, wie die einzelnen Inszenierungen der Parteien aufeinandertreffen. Achten Sie darauf, da geschieht teilweise lustige, aber auch verwirrende Kommunikation. Ein Mitbewerber wirbt praktisch für das Wählen und darunter noch lauter die andere Partei.“ Abschließend formuliert der Gestalter noch einen Appell. „Politik ist sicher kein Konsumprodukt, aber ein bisschen auf die Ausstrahlung achten, würde mir persönlich Vertrauen und Liebe zum Detail vermitteln. Man sollte doch mögen, was man ‚kauft‘, oder eben wählt.“