Vorarlberg

„Für die einen Müll, für andere ein Schatz“

20.03.2025 • 08:00 Uhr
„Für die einen Müll, für andere ein Schatz“
Vanessa Weiß (16) besucht den Jugendtreff seit vielen Jahren. Hartinger (

Die OJA (Offene Jugendarbeit) Götzis hat mit ihrer offenen Telefonzelle ein Upcycling-Projekt der besonderen Art ins Leben gerufen.

Grau in Grau, wolkenverhangen und regnerisch. So gibt sich Götzis am Tag des Lokalaugenscheins der NEUE, bei der OJA (Offene Jugendarbeit). Der Grund für den Besuch der NEUE fällt dabei sofort ins Auge: Eine leuchtend bunte Telefonzelle, die fröhlich auf dem Grundstück des Jugendtreffs steht. Bei der Telefonzelle geht es um ein Projekt der besonderen Art, das vom Team an Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern gemeinsam mit den Jugendlichen umgesetzt wurde.

„Für die einen Müll, für andere ein Schatz“
Der “offene Kaschta” steht für alle zur Verfügung.

Die Telefonzelle funktioniert nach demselben Prinzip, wie ein offener Kühlschrank, nur nicht mit Nahrungsmitteln, sondern mit Gegenständen. Dabei können Dinge, die nicht mehr benötigt werden und noch in brauchbarem Zustand sind, in der Telefonzelle abgegeben werden. Im Gegenzug dafür kann man sich etwas aussuchen.
Man könne aber auch lediglich etwas bringen oder nur etwas mitnehmen, erklärt Madlen Behrle, Jugendsozialarbeiterin. Abgegeben werden können Bücher, Spiele, Geschirr, Kleidung, Deko und Haushaltsgegenstände. „Alles, was sauber, funktionstüchtig und noch nutzbar ist“, wenn es nach dem Regelwerk geht, das in der Telefonzelle hängt.

„Für die einen Müll, für andere ein Schatz“


Nicht erlaubt sind Müll oder kaputte Gegenstände, Lebensmittel oder verderbliche Waren und Gefahrstoffe, wie beispielsweise Chemikalien oder Waffen. Auch eine Kleiderstange findet sich in der Zelle. „Die Idee dazu gibt es eigentlich schon sehr lange“, erzählt Behrle. „Das erste Mal angedacht haben wir die Telefonzelle bereits 2023. Wie das in der Jugendarbeit aber oft ist, fängt man Projekte an und dann kommt etwas dazwischen.“ Den Startschuss für die endgültige Umsetzung setzte dann Mia Walter, eine Praktikantin der FH Vorarlberg, die sich sehr für die Telefonzelle einsetzte. Sie organisierte eine Tauschbörse im Jugendtreff, bei der die Jugendlichen Dinge, die sie nicht mehr brauchen, tauschen konnten. Die übriggebliebenen Gegenstände stellten den Grundstock für die Ausstattung der Telefonzelle dar.

„Für die einen Müll, für andere ein Schatz“
Es finden sich bereits jetzt viele Dinge in der Telefonzelle.

„Das Projekt soll dazu beitragen, dass nichts weggeworfen wird. Über Sachen, die einem selbst nicht mehr gefallen, freut sich vielleicht jemand anders“, findet Behrle.
An die Telefonzelle kam der Jugendtreff dank der Unterstützung von A1. „Die hatten irgendwo noch ein paar Stück herumstehen“, lacht Behrle. Gemeinsam mit dem Bauhof Götzis schafften sie die Zelle dann von A nach B, nämlich vor den Haupteingang des Jugendtreffs. Zusätzlich wurde noch ein Betonfundament eingebaut, damit die Telefonzelle stabil im Boden steht. Passend zum Jugendtreff musste sie aber natürlich noch bemalt werden. Oder besser gesagt: besprüht.

Graffitikünstler

Gemeinsam mit dem Vorarlberger Graffiti­künstler Fabian Hämmerle gestalteten die Jugendlichen die Telefonzelle und hauchten ihr neues Leben ein. „Er hat die Jugendlichen wahnsinnig gut unterstützt. Er lässt sie arbeiten, einfach machen. Er nimmt ihnen die Arbeit nicht ab oder weg“, freut sich Behrle. „Offana Kaschta“, steht jetzt in schräg geschriebenen Lettern auf der Telefonzelle und weist Jung und Alt auf das neue Projekt hin. In einem hellen Türkis gehalten, mit gelben und pinken Details, ist sie ein wahrer Hingucker, die Götzner Telefonzelle. Ein Team aus insgesamt acht Jugendlichen half bei der Graffitigestaltung mit, rund zehn waren es bei der Organisation und der Durchführung der Tauschbörse.

„Für die einen Müll, für andere ein Schatz“
Madlen Behrle ist Jugendsozialarbeiterin.

Vom Müll zum Schatz

„Das Motto ist: Was vom einen der Müll ist, ist vielleicht für den anderen ein Schatz“, erklärt Vanessa Weiß. Die 16-Jährige besucht den Jugendtreff bereits seit zehn Jahren. Sie achtet darauf, dass die Telefonzelle sauber ist und dass keine falschen Gegenstände abgegeben werden. „Es ist ein generationsübergreifendes Projekt“, freuen sich die beiden.
Seit mittlerweile einem Monat steht die Telefonzelle nun schon zum Gebrauch bereit. Natürlich hat sich das Team rund um Behrle auch mit dem Thema Vandalismus beschäftigt. „So etwas kann natürlich immer passieren, wobei wir jetzt einfach einmal Vertrauen in unsere Mitbürger und Mitbürgerinnen haben und davon ausgehen, dass die Telefonzelle jetzt gut behandelt wird“, findet Behrle.

„Für die einen Müll, für andere ein Schatz“
Vanessa Weiß

„Wenn sie wirklich komplett kaputtgehen oder zerstört werden würde, würden wir das Projekt ganz einfach abbrechen“, ergänzt Weiß. Derzeit sieht es aber nicht danach aus.
Obwohl die Telefonzelle nicht mehr vom Team des Jugendtreffs befüllt wird, sind trotzdem ständig neue Brettspiele, Bücher und Ringe darin zu finden. Auch nach dem Besuch der NEUE, der nicht länger als eine halbe Stunde dauerte, fanden sich bereits drei neue Gegenstände darin.