Vorarlberg

“Ich will zeigen, was Frauen können”

24.05.2025 • 17:00 Uhr
"Ich will zeigen, was Frauen können"
Die NEUE besuchte die Feuerwehrfrau in der Zentrale in Hard. Hartinger

Die 19-jährige Selina Wilhelm ist bei der freiwilligen Feuerwehr in Hard engagiert. Trotzdem die Aufgabe noch sehr männerlastig ist, zieht er immer mehr Frauen an.

Es ist ruhig, bei der Ortsfeuerwehr in Hard. Das Gebäude liegt in Frieden da, von der Hektik, die sonst oft herrscht, wenn es schnell gehen muss, ist nichts zu spüren. Die Tore sind geschlossen und es ist so ruhig, dass man sogar die Vögel zwitschern hört. Nur eine werkelt im Feuerwehrhaus herum: Es ist Selina Wilhelm. Seit nunmehr einem Jahr engagiert sich die 19-Jährige bei der freiwilligen Feuerwehr in Hard. Doch ihre Begeisterung für die ehrenamtliche Tätigkeit fing schon viel früher an.

"Ich will zeigen, was Frauen können"
Mittlerweile kennt sich die 19-Jährige mit den Geräten gut aus. Hartinger

„Ich hatte schon immer Leute, die bei der freiwilligen Feuerwehr gearbeitet haben, in meinem Umfeld. Jedes Mal, wenn dann der Piepser, als Signal für einen Einsatz, losgegangen ist, wäre ich am liebsten gleich mitgerannt“, erzählt sie. Doch war sie immer etwas unsicher, ob die freiwillige Feuerwehr denn überhaupt etwas für sie sei und wie man dazu komme, dort zu arbeiten. Die finale Entscheidung traf Wilhelm dann beim Tag der offenen Tür. „Da habe ich gesehen, dass man bei allen Tätigkeiten Hilfe bekommt und Schritt für Schritt begleitet wird.“ Ab diesem Zeitpunkt war für die 19-Jährige klar: Sie will zur freiwilligen Feuerwehr.

Viel zu lernen

Mittlerweile hat Wilhelm die Grundausbildung absolviert. Im jeweiligen Löschkreis (hier Höchst, Gaißau, Fußach und Hard) wird die Ausbildung allerdings spezifisch fortgeführt, die Auszubildenden müssen zur Schule gehen. „Dabei lernt man auch neue Leute kennen“, freut sich Wilhelm. Freiwillig können außerdem alle möglichen Kurse absolviert werden. Im Feuerwehrhaus können individuelle Übungen abgehalten werden, je nach Bedarf.

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„Man kann zum Beispiel an Fahrzeugen nochmals durchgehen, wo die jeweiligen Geräte verstaut sind und wie sie alle heißen“, erklärt Wilhelm. Für sie ist der Nervenkitzel eine willkommene Herausforderung. „Die Action gefällt mir. Jeder Einsatz ist anders, das macht den Alltag viel lebendiger und abwechslungsreicher. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man mit Leuten zusammenarbeitet, die dieselbe Leidenschaft haben. Die Kameradschaft und den Zusammenhalt bei Einsätzen zu spüren, ist ein wahnsinniges Gefühl.“

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Denn bei der 19-Jährigen stellt die ehrenamtliche Tätigkeit tatsächlich einen drastischen Unterschied zum Arbeitsalltag dar. Sie arbeitet hauptberuflich als Servicekraft in einem Hotel in Lochau. Bei Einsätzen mitwirken darf sie daher grundsätzlich vor Beginn und nach Ende ihrer regulären Arbeit. Ob man während der Arbeitszeit für einen Einsatz einspringen darf, wird individuell mit dem Arbeitgeber vereinbart. „Bei uns wird für jeden Einsatz jedes Mitglied informiert. So kann selbst entschieden werden, ob man gehen kann, oder nicht“, sagt Wilhelm.

Wertvolle Mitglieder

Trotzdem es immer mehr junge Frauen in männerlastige Berufe zieht, ist die Bilanz noch lange nicht ausgeglichen. Lediglich sechs Frauen, im Gegenzug zu 132 Männern, arbeiten bei der freiwilligen Feuerwehr in Hard.
Doch die Harder sind innovativ: Für die Frauen im Team wurden extra eine gesonderte Umkleidekabine und eine eigene Toilette eingebaut. „Das Schlauchlager wurde für uns ausgeräumt, wir sind in eine eigene Kabine eingezogen. Das können nicht viele Feuerwehren vorweisen. Ich finde das unglaublich toll, man behandelt uns echt super“, freut sich Wilhelm.

"Ich will zeigen, was Frauen können"
Die pinken Handschuhe. Hartinger


Unter den Feuerwehrlerinnen und Feuerwehrlern bestehe deshalb auch kein Konkurrenzkampf. „Am Anfang hat man natürlich schon gesagt: Kannst du das wirklich? Aber wenn man sich dann beweisen konnte, hatte sich das Thema erledigt. Ich war immer schon eher die Person, die sich mit anderen matchen und zeigen wollte, was ich draufhabe. Ich will zeigen, was eine Frau kann.“
Im Alltag und bei Einsätzen sei das Verhältnis mittlerweile aber relativ ausgeglichen. Man unterstütze sich gegenseitig, ohne das Geschlecht zu berücksichtigen. „Es gibt Geräte, die kann auch ein Mann nicht allein heben“, stellt sie klar.

Pinke Handschuhe

Dass das Ehrenamt zunehmend verloren geht, führt Wilhelm auf den immer größer werdenden Individualismus der Menschen zurück. „Ich glaube, viele schauen nur noch auf sich, anstatt sich für andere zu engagieren. Es kann auch sein, dass die Leute sich nicht trauen, zu eingeschüchtert sind, sich zu melden.“ Wilhelm sieht die Lösung darin, auf Events vermehrt Präsenz zu zeigen. Junge Leute sollen sehen, was in Organisationen vor sich geht, sie sollen nahbar gemacht werden. „Jeder kann mitmachen. Egal, ob klein, groß, dick, oder dünn. Wenn es dir nicht gefällt, kannst du immer noch aufhören.“

"Ich will zeigen, was Frauen können"
Hartinger

Gerade auch, um Mädchen und Frauen für den Beruf zu begeistern, sei es wichtig, Präsenz zu zeigen. „Man muss sie ermutigen und aufzeigen: Schau mal, wie cool das aussieht. Erst letztens war ein Kindergarten bei uns und ich habe zu den Mädchen gesagt: Frauen können alles machen.“ Nicht umsonst steht auf ihren quietschpinken Handschuhen „Bad Girl“ geschrieben. Die pinke Farbe sei jedoch nicht auf Frauen bezogen, bestätigt die 19-Jährige sofort und lacht. „Die Farbe konnte man sich aussuchen. Ich fand sie großartig. Bei Übungen werde ich immer wieder gefragt, woher ich sie habe.“ Die Männer tragen indes Handschuhe mit der Aufschrift „Bad Boy“.

Der erste Einsatz

Mit einem gängigen Vorurteil möchte sie aufräumen: Dass Feuerwehrlerinnen und Feuerwehrler gerne einmal zur Bierflasche greifen würden. „Viele denken, dass wir vor und nach jedem Einsatz trinken würden. Das stimmt absolut nicht. Natürlich sitzen wir, gerade nach schwierigen Einsätzen, zusammen und tauschen uns aus. Dazu braucht es aber keinen Alkohol. Dieses Vorurteil, das viele haben, finde ich wirklich schade.“ Als Kontrast dazu schätzt sie die Anerkennung, die Menschen einem entgegenbringen würden. „Nach Einsätzen hört man oft: Danke, dass es euch gibt. Auch auf Social Media erhalten wir viel Zuspruch, wenn Videos von Einsätzen geteilt werden.“

"Ich will zeigen, was Frauen können"
Selina Wilhelm will auch in Zukunft noch weiter lernen und hat große Pläne. Hartinger


Die junge Feuerwehrfrau schildert, wie wichtig es sei, unterschiedliche Personen für die Feuerwehr zu begeistern, da man sowohl für Einsätze, als auch für administrative Tätigkeiten Leute brauche. Doch für Wilhelm zählt nur die Action. An ihren allerersten Einsatz kann sie sich noch deutlich erinnern. „Ich habe mir sofort gedacht: Was kann ich machen?“ Während eines Hochwassers musste ein vollgelaufener Keller ausgepumpt werden. Keine große Sache, für Wilhelm damals aber sehr wohl aufregend. Der Adrenalinkick gebe ihr die nötige Konzentration, das sei bis heute unverändert. Auch an den Einsatz wegen eines Kellerbrands kann sich die 19-Jährige noch gut erinnern. „Als wir ankamen, konnten wir starke Rauchentwicklung feststellen. Die Situation ließ sich aber glücklicherweise schnell unter Kontrolle bringen“, schildert Wilhelm.
Für die Zukunft will sie weitere Kurse und Prüfungen absolvieren und sich alles an vorhandenem Wissen aneignen. „Eine Führungsposition würde mir schon richtig gut gefallen. Das ist ein langer Weg, man muss dranbleiben.“