Vorarlberg

#Tradwifes und Co.: „Ein Trend, fern von jeder Realität“

25.05.2025 • 16:00 Uhr
#Tradwifes und Co.: „Ein Trend, fern von jeder Realität“
Katharina Buhri, Mitarbeiterin der Amazone, klärt Mädchen über die Trends auf. Hartinger

Ein neuer Trend erobert derzeit TikTok und Co. Die sogenannten #Tradwife und #Stayathomegirlfriend-Bewegungen sind dabei kritisch zu hinterfragen.

Eine Frau, die im blumigen Sommerkleid, mit einer Schüssel Teig, hinter einem hochmodernen und -technologischen Herd steht und verträumt in die Kamera blickt, während sie erklärt, wie gerne sie für ihren Mann kocht. #Tradwife und #Stayathomegirlfriend sind Trends aus den USA, die schon seit einiger Zeit auch nach Europa und nicht zuletzt auch nach Österreich und Vorarlberg überschwappen.

#Tradwifes und Co.: „Ein Trend, fern von jeder Realität“
Für die Workshops ist alles vorbereitet. Hartinger


Es geht dabei um das verherrlichte, aber völlig falsche Bild einer traditionellen („trad“) Hausfrau. Dabei fallen nicht zuletzt Aussagen wie „Zuerst kommt Gott, dann der Mann und dann erst ich“, die Influencerinnen, wie die Deutsche Nara Smith, die in die USA ausgewandert ist, oder die amerikanische „Tradwife“ Hannah Neeleman in ihren Videos vermitteln.

Ein unrealistisches Bild

In Bregenz beschäftigte sich die Amazone im Rahmen der mädchen*impulstage von Mittwoch bis Freitag mit dem Thema der #tradwifes und #stayathomegirlfriends. Dabei fanden Workshops zum Thema statt, bei denen Mädchen ihre Gedanken teilten und gemeinsam mit Mitarbeiterin Katharina Buhri einordnen konnten. Denn bei diesen Trends gebe es eine Sache zu beachten: „Die Tradwifes auf Social Media sind Unternehmerinnen und keinesfalls nicht berufstätig. Ganz oft ist das mit enorm vielen Ressourcen und Privilegien verbunden und im Hintergrund spielt Geld eine Rolle“, erklärt Buhri. „Zudem wird der Beruf der Hausfrau von den Tradwifes in einer extremen Form romantisiert. Sie stellen ihn unrealistisch dar, das ist sogar ein negativer Zugang zum Beruf, weil er sehr radikal und rechtsorientiert ist. Ihr Ansatz zum Thema ist sehr diskriminierend und sexistisch und stellt nicht die Realität dar.“

#Tradwifes und Co.: „Ein Trend, fern von jeder Realität“
Hartinger

Dieser Trend spreche Frauen viele positive und wichtige Themen, wie Bildung, Erfolg und Wissen ab und entmächtige sie. „Frauen werden kleingehalten, aber mit Zuckerguss darüber“, sagt Buhri. Bei der Aufklärung über solche Bewegungen gehe es allerdings keinesfalls darum, den Beruf der Hausfrau schlecht zu machen, erklärt die Mitarbeiterin der Amazone: „Die Entscheidung, ob ich als Hausfrau arbeiten möchte oder nicht, muss freiwillig sein und man soll sich auch zu jedem Zeitpunkt umentscheiden können. Sowohl für als auch gegen den Beruf der Hausfrau.“

Längst bei uns angekommen

Dass diese Trends in letzter Zeit so an Zuspruch gewinnen, führt Buhri auf ein verstärktes Sicherheitsbedürfnis junger Frauen zurück. „Zu Dingen zurückzugehen, die man kennt, die vertraut wirken, signalisiert in einer kurzzeitigen Form Sicherheit. Ich glaube, dass da ganz viel Angst ist, aufgrund unserer politischen Situation und wegen der vielen Kriegen weltweit. Die Negativ-Schlagzeilen machen Angst.“ Die Tradwife-Bewegung wirke wie ein einfacher und perfekter Weg und blende dabei Realitäten, mit denen „normale“ Frauen konfrontiert seien, völlig aus.

#Tradwifes und Co.: „Ein Trend, fern von jeder Realität“
Katharina Buhri im Gespräch mit der NEUE. Hartinger

Oftmals seien bei „Tradwifes“ und „Stayathomegirlfriends“ beispielsweise Haushilfen im Hintergrund tätig, um sich um schreiende Babys, die Wäsche und das Putzen zu kümmern. Nicht zuletzt wächst auch der Gender Pay Gap und der Gender-Pension-Gap durch Bewegungen wie diese rasant, wenn Care-Arbeit nicht bezahlt wird. „Das ist ein reales Thema und sehr ernst zu nehmen“, bestätigt Buhri. Wer jetzt denkt, dass das doch alles nur in Amerika zu finden sei und sich fragt, wieso man sich in Vorarlberg damit beschäftigt, liegt weit daneben. „Wir bekommen Rückmeldungen von Lehrpersonen, dass der Trend in den Klassenzimmern Stimmung macht“, erklärt Buhri.

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Aber nicht nur im Schulalltag, auch im privaten Umfeld haben Trends wie diese längst Einzug gehalten. „Das Thema ist bis ins Wohnzimmer, Jugendzimmer und mittlerweile sicher auch ins Kinderzimmer vorgedrungen.“ Dabei sei die Thematik an sich weit verbreitet, die Begrifflichkeiten der #Tradwifes und #Stayathomegirlfriends eher nicht. Gerade deshalb sei es wichtig, aufzuklären. „Kritisches Denken und Aufklärung müssen angeregt werden. Wissen ist Macht“, erklärt Buhri. Das Zielpublikum könne nicht konkret definiert werden. „Die Algorithmen sind sehr flächendeckend“, sagt Buhri.

Was sagen Frauen dazu?

Nicht zuletzt auch aufgrund dieser Erkenntnis von Katharina Buhri hat sich die NEUE am Sonntag unter Vorarlbergerinnen umgehört. Haben sie schon einmal von diesen Trends gehört? Was halten sie davon? Die 54-jährige Elisabeth Gass arbeitet in der Kantine des Spielbodens und vertritt einen klaren Standpunkt. „Ich finde schon, dass eine Frau selbst entscheiden soll, ob sie hinter dem Herd stehen will, oder nicht. Wenn sie sich dafür entscheidet, muss es aber, nicht zuletzt auch aufgrund der Pension, unbedingt honoriert werden. Diese Entscheidung darf meiner Meinung nach auch nicht dritt gereiht sein, sie muss auf derselben Ebene mit der Arbeit des Partners gestellt sein. Wenn das allerdings nicht passiert, ist die Entwicklung ein absoluter Rückschritt und eine Abwertung der Frau. Der Beruf der Hausfrau ist nichts Minderwertiges und wenn er dementsprechend gefördert werden würde, wäre es sogar ein Fortschritt“, sagt sie.

Umfrage Tradwife
Elisabeth Gass. Swozilek

„Ich finde es allerdings traurig, wenn Frauen nur in Teilzeit arbeiten können, obwohl sie gerne mehr arbeiten würden, weil sie sich zu Hause um Kinder und Co. kümmern müssen. Viele junge Menschen haben ein anderes Bild von Arbeit, als man es früher noch hatte, das spielt sicher auch eine Rolle heute. Über die Absicherung machen sich viele aber keine Gedanken und das ist gefährlich.“

Auch Spielboden-Geschäftsführerin Heike Kaufmann sieht eine Gefahr in dem Trend. „Diese Entwicklungen beinhalten keine Zukunftsaussichten. Es ist kein zu verherrlichender Zustand, die Realitäten sehen ganz anders aus als die online beworbenen verherrlichten Bilder. Dieser Gedanke ist zu kurz gedacht, mit Modernität hat das wenig zu tun“, sagt sie. Wenn eine Frau sich dazu entscheide, eine Zeit lang zuhause zu bleiben, dann habe das nichts mit einem Idealbild zu tun.

Umfrage Tradwife
Spielboden-Geschäftsführerin Heike Kaufmann. Swozilek


„Auch Hausarbeit ist Arbeit, so rosig, wie dieses Thema in den sozialen Medien präsentiert wird, ist es sicher nicht. Es ist total aus dem Kontext gerissen.“


Sabine Mender hat eine ähnliche Meinung zum Thema. „Ich finde diesen Trend in der heutigen Zeit sehr unpassend und realitätsfremd. Die meisten Frauen in den USA, die so porträtiert werden, haben hohe finanzielle Mittel. Natürlich verherrlicht das ein schönes Bild für Frauen. Welche Frau wünscht sich kein Prinzessinnenleben?“, findet Mender. Man sehe allerdings nicht, dass diese Frauen auch todunglücklich sein und unter psychischer Gewalt leiden können, sagt sie. „Es ist eigentlich ein Rückschritt der Frauen. Dieser Trend verherrlicht Männer, die Frauen haben keine eigenständige Rolle. Das sind Themen, die bei uns in der Politik stark vernachlässigt werden. Meiner Meinung nach würde es viel mehr Aufklärung in den Schulen benötigen.“

Umfrage Tradwife
Sabine Mender. Swozilek


Thea Tschikof (17) und Zeynep Süngücü (17) waren bereits in Kontakt mit dem Trend der Tradwifes. Sie können ihn nicht nachvollziehen. „Ich finde diese Trends eigentlich ziemlich dumm. Die meisten sind auch anti-feministisch. Wenn eine Frau sich für so einen Lebensweg entscheidet, kann ich das nachvollziehen. Es sollte aber nicht zum Trend gemacht werden. Bildung ist wesentlich wichtiger. Ich finde, es sollte bald wieder feministische Proteste geben, damit wir nicht wieder anfangen, wie in den 80er Jahren zu leben. Das wäre ein großer Rückschritt, wenn man sich die Weltgeschichte ansieht“, sagt Süngücü.

Umfrage Tradwife
Thea Tschikof (17) und Zeynep Süngücü (17). Swozilek


Ihre Freundin Tschikof schließt sich dem an: „Ich glaube, dass viele dieser Frauen gar nicht bedenken, dass sie wählen könnten. Das ist unfair und respektlos denen gegenüber, die eben keine Wahl haben und zu Hause bleiben müssen, obwohl sie gerne arbeiten würden. Ich glaube, dass viele Frauen aus Bequemlichkeit diesen Weg wählen, aber nicht bedenken, was für ein System an negativen Folgen eine solche Entscheidung mit sich bringt. Für die Personen, die das bewerben, kommt es so rüber, als wäre es eine Offenheit, die Realität ist aber anders, wenn man sich einem Mann unterwirft. Wir haben sicher nicht Jahrhunderte lang für Frauenrechte gekämpft, damit das alles jetzt wieder zerstört wird.“