Warum einem 58-jährigen Sexualstraftäter das Gefängnis erspart bleibt

Angeklagter missbrauchte nach Ansicht der Richter eine schlafende 18-Jährige. Der 58-Jährige muss die Haftstrafe aber nicht verbüßen.
Der Angeklagte hat nach Ansicht der Richter das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer Wehrlosen begangen. Diesen Vorwurf bestritt er erfolglos. Demnach hat der selbstständige Unterländer im Dezember 2021 die auf dem Sofa seines Unternehmens schlafende, alkoholisierte 18-jährige Freundin seines Patenkindes sexuell missbraucht. Dennoch muss der 58-Jährige nicht ins Gefängnis. Wie kann das sein?
Überlange Verfahrensdauer
Der Angeklagte profitierte von der vom Berufungsgericht festgestellten überlangen Verfahrensdauer im zweiten Rechtsgang bei der Wiederholung des Strafprozesses. Die zuständige Richterin des Landesgerichts Feldkirch habe jeweils monatelang und damit zu lange für die Ansetzung des neuen Schöffenprozesses und für ihr schriftliches Urteil gebraucht, bemängelte das Innsbrucker Oberlandesgericht (OLG) am Dienstag in der Berufungsverhandlung. Damit seien zwei Mal Grundrechte des Angeklagten verletzt worden, die zu einer deutlichen Verringerung der Strafe führen müssten.
Deswegen wurde dem von Henrik Gunz verteidigten, unbescholtenen Angeklagten in zweiter Instanz eine bedingte, nicht zu verbüßende Haftstrafe von zehn Monaten und eine unbedingte, dem Gericht zu bezahlende Geldstrafe von 12.600 Euro (360 Tagessätze zu je 35 Euro) gewährt. Die Bewährungszeit für die bedingte Haftstrafe beträgt drei Jahre.
OLG-Urteil rechtskräftig
Das OLG-Urteil, mit dem der Strafberufung des Angeklagten teilweise Folge gegeben wurde, ist rechtskräftig. Der Strafrahmen belief sich aus sechs Monate bis fünf Jahre Gefängnis. Die verhängte kombinierte Strafe entspricht 16 Monaten Haft.
Das Landesgericht hatte sowohl im ersten als auch, nach der Aufhebung des Urteils durch den Obersten Gerichtshof (OGH) in Wien wegen eines Begründungsmangels, im zweiten Schöffenprozess jeweils eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten verhängt. Davon sollten sechs Monate zu verbüßend sein. Zwölf Monate wurden für eine Bewährungszeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Der Angeklagte wurde dazu verpflichtet, dem Opfer als Teilschmerzengeld 2000 Euro zu bezahlen.
Auf der Unterhose der 18-Jährigen wurden DNA-Spuren des Angeklagten gefunden. Der Angeklagte behauptete vergeblich, die 18-Jährige sei aus seinem WC gekommen und habe ihm ihren Slip wortlos in den Mund gesteckt. Er habe sich an der jungen Frau nicht vergangen. Die Strafgerichte waren gegenteiliger Ansicht.