Wirtschaft

Die Skandalbank und die Mattersburger Justiz

12.07.2023 • 15:01 Uhr
Judengasse 11 in Mattersburg im Sommer 2020: Blick auf die Zentrale der Commerzialbank. Ihre Liegenschaften wurden veräußert
Judengasse 11 in Mattersburg im Sommer 2020: Blick auf die Zentrale der Commerzialbank. Ihre Liegenschaften wurden veräußert.Juergen Fuchs

Vor drei Jahren flog der Skandal um die Commerzialbank Mattersburg auf. Ein Strafprozess ist noch nicht in Sicht.

Der 14. Juli 2020, Punkt 23:43 Uhr. Eine Mitteilung der Finanzmarktaufsicht, bestehend aus drei kurzen Absätzen, besiegelt das Ende der Commerzialbank Mattersburg und deckt einen der größten Kriminalfälle in Österreichs Finanzwelt auf.

An jenem Tag stürzt das Kartenhaus einer über die Grenzen des Burgenlands kaum bekannten Regionalbank ein, erstatten Vorstände Selbstanzeige, nachdem jahrelange Malversationen nicht mehr zu leugnen sind: Die Bank ein Luftschloss, die Bilanzen geschönt mit erfundenen Einlagen und fingierten Krediten. Über Nacht wird das Geldhaus zugedreht, dessen Boss Martin Pucher lässt das Land fassungslos und Menschen vor geschlossenen Türen mittellos zurück.

Im Sog ging der SVM unter

Der Sog zieht Private wie Betriebe in die Tiefe. Prominentestes Opfer wird der SV Mattersburg (SVM), der sich mit viel Geld aus der Commerzialbank und dem „Macher“ Pucher vom Unterhaus in die höchste heimische Fußballliga spielte: Der SVM schlittert in den Konkurs.

Unterm Strich war die Bank mit 705 Millionen Euro überschuldet, meldeten Gläubiger rund 820 Millionen Euro an Forderungen an, so ein Zwischenresümee der Konkursverwalter (Kosch & Partner Rechtsanwälte). Die Einlagensicherung Austria (ESA) zahlte 490 Millionen Euro an Bankkunden aus (bis 100.000 Euro pro Kopf).

Jobcenter statt Bankzentrale

Drei Jahre später, Juli 2023: In der Judengasse 11 in Mattersburg erinnert nichts mehr an die frühere Zentrale der Skandalbank. Ein Jobcenter ist in die Räume eingezogen. Doch die rechtliche Aufarbeitung wird noch einige Jahre dauern.

Bis jetzt haben die Masseverwalter alles, was zu verwerten war, zu Geld gemacht. Aus den Verkäufen und der Versteigerung der Filialen erlösten sie 6,46 Millionen Euro. Die Auktion des Mobiliars brachte exakt 185.296,40 Euro ein, Edelmetalle der Bank wurden um 2,42 Millionen verwertet, Wertpapiere um 1,84 Millionen Euro.

Noch 20 Millionen aus Krediten

Ein Hauptteil der Masse sind echte und einbringliche Kredite. Die Einlagensicherung erhielt bei zwei Verteilungen 74,13 Millionen Euro retour, das sind 16 Prozent ihrer Forderung. Die ESA wird aus heutiger Sicht die einzige sein, die aus der Abwicklung etwas bekommt. Aus laufenden Krediten könnten noch 20 Millionen Euro in die Masse fließen. Die Laufzeiten gehen aber bis 2040.

Treppenwitz der Geschichte: Größter Finanzier der ESA ist der Raiffeisensektor. Und 1995 wollte die Raiffeisen-Revision Martin Pucher wegen Unstimmigkeiten seiner Funktion entheben, was dazu führte, dass die damals betroffenen Raiffeisenbanken in Mattersburg und den umliegenden Gemeinden Raiffeisen den Rücken kehrten und unter Puchers Leitung die Commerzialbank gründeten.

Ein Prozess ist noch nicht in Sicht

Insolvenzverfahren laufen indes auch gegen den Ex-Bankenchef und seine damalige Co-Vorständin und rechte Hand bei den Manipulationen. In beiden Fällen meldeten die Gläubiger 1,2 Milliarden (!) an Forderungen an, erklärt Masseverwalter Georg Rupprecht. Verwertet werden beschlagnahmtes Vermögen wie Uhren, Münzen, Gold, Wertpapiere und Anteile an den Wohnliegenschaften. Verteilt wurde noch nichts.

Auch strafrechtlich ist die Causa längst nicht aufgearbeitet. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen 57 Beschuldigte, darunter zwölf Verbände, im Hauptverfahren werden 24 Personen und zehn Verbände als Beschuldigte geführt, es gilt die Unschuldsvermutung. Pucher wartet zu Hause auf eine Anklage, ein Prozess ist aber (noch) nicht in Sichtweite. Nicht nur laufen die Ermittlungen weiter, das Verfahren ist auch an das Ministerium berichtspflichtig.

Im Pappelstadion gibt es wieder Fußball

Geglättet haben sich indes die politischen Wogen. Im Mattersburger Pappelstadion rollt seit einem Monat wieder der Fußball, sagt Bürgermeisterin Claudia Schlager. Bereits kurz nach dem Aus für den SVM wurde der Nachfolgeverein MSV 2020 gegründet. „Das war wichtig, um die Fußball spielenden Buben und Mädchen im Ort zu halten“, betont Schlager. Die Stadt kaufte dann das Stadion aus der Konkursmasse, musste es aber erst wieder bespielbar machen. „Es war komplett leer, die Tribünen, die Kabinen, die Kantine, alles ist versteigert worden.“

In Mattersburg spricht man derzeit über das ehemalige „Pucher-Areal“. Auf einem Grund, der einst der Bank gehörte, war ein neuer Stadtteil geplant. Der soll jetzt mit einer Wiener Siedlungsgenossenschaft als neuer Eigentümerin realisiert werden. Die Opposition der Bezirksstadt und eine Bürgerinitiative gehen gegen die Baudichte auf die Barrikaden. Und Pucher, der einst gefeierte „Vater des Mattersburger Fußballwunders“? „In der Stadt taucht er nie mehr auf.“

Die Skandalbank und die Mattersburger Justiz
Die Mattersburger Bürgermeisterin Claudia Schlager (SPÖ). Stadt Mattersburg/Birgit Machtinger