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Die WKStA: Eine Behörde im Auge des Taifuns

28.04.2022 • 19:30 Uhr
WKStA-Chefin Ilse Vrabl-Sanda
WKStA-Chefin Ilse Vrabl-Sanda Marlene Rahmann/WKStA

Die Anklagebehörde WKStA ist in einen Grabenkampf mit der ÖVP verstrickt – oder umgekehrt.

Das Bürohochhaus am Wiener Donaukanal ist schmucklos und abgewohnt, es verströmt den Charme gesichtsloser Bürokratie. Man solle besser nicht den mittleren Lift nehmen, denn der bleibe womöglich stecken, sagt eine Mitarbeiterin.

Oben, im 12. und 13. Stock, residiert jene Behörde mit dem Zungenbrecher-Namen, die seit Jahr und Tag sowohl Gerichtsakten als auch Schlagzeilen produziert: die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). 40 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Wirtschafts- und Computerexperten sollen hier die großen Verdachtsfälle im Dunstkreis von Politik und Konzernen aufklären. Mehrere Hundert Anzeigen pro Monat kommen herein, 60 Prozent werden mangels Zuständigkeit oder Substanz sofort beiseitegelegt.

Doch es ist Sand im Getriebe. Die ÖVP wirft den Anklägern Parteilichkeit vor, Generalsekretärin Laura Sachslehner zählte erst gestern wieder die vielen eingestellten Verfahren auf. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler sah im letzten Herbst die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr. Ex-Kanzler Sebastian Kurz, der aufgrund von WKStA-Ermittlungen unter Druck kam und den Chefposten räumte, diagnostizierte „rote Netzwerke“.

“Partei spielt für uns keine Rolle”

WKStA-Chefin Ilse-Maria Vrabl-Sanda klagt ihrerseits über Personalnot und verwahrte sich jüngst im ÖVP-U-Ausschuss gegen Anwürfe. Mit der Oberstaatsanwaltschaft Wien liefert man sich ebenso Grabenkämpfe wie mit der Rechtsschutzbeauftragten der Justiz, Gabriele Aicher. Einmal wurde sogar eine kritische Journalistin von der Behörde angezeigt. Ein „Fehler“, wie man später eingestand.

Den im Land verbreiteten Eindruck, die WKStA habe sich in ein parteipolitisches Match hineintreiben lassen, stellt Oberstaatsanwältin Elisabeth Täubl in Abrede: „Für uns spielt Parteizugehörigkeit überhaupt keine Rolle.“ Die politische Einstellung der meisten Kollegen kenne sie nicht, „das ist bei uns einfach kein Thema“.

Die aufgeheizte Stimmung habe vielmehr damit zu tun, „dass wir politisch brisante Verfahren führen“, sagt sie. Ins Visier geraten zwar Politiker aller Couleurs, aber viel Lärm gibt es fast immer in ÖVP-Causen. „Meine Kollegen würden viel lieber geräuschlos arbeiten“, sagt die Oberstaatsanwältin und spielt den Ball an die Politik zurück: „Viele Politiker haben ein ausgeprägtes Freund-Feind-Denken: Wer mich verfolgt, der muss automatisch von der Gegenseite sein.“

“Auf Wahltermine können wir keine Rücksicht nehmen”

Täubl selbst ist gleichzeitig Leiterin der WKStA-Medienstelle und „Eingangsstaatsanwältin“ – sie bekommt also als Erste im Haus die neuen Fälle auf den Tisch. Die Doppelfunktion ist kein Zufall. Denn oft wissen Medien schon zeitgleich oder früher als die Behörde von brisanten Anzeigen. Und ihre Anfragen sollen wenigstens dort landen, wo man intern früh Bescheid weiß.

Dass Aktenteile häufig öffentlich werden, ist ein heikler Punkt. Die Nichtöffentlichkeit der Ermittlungen wird untergraben, Betroffene werden vorverurteilt. Täubl bedauert, weist aber jede Verantwortung von sich: Die WKStA halte dicht, die Akten würden durch Rechtsanwälte der Verfahrensbeteiligten verbreitet – denen sei diese Indiskretion gesetzlich nicht verboten. Unterbinden könne man das nur durch ein Verbot der Akteneinsicht wie in den USA – „das halte ich nicht für wünschenswert“.
Begünstigt wird die Durchstecherei allerdings dadurch, dass die WKStA riesige gemeinsame Verfahren mit im Schnitt 15 Beschuldigten führt, die einander wechselseitig „verraten“ können. Das sei der Prozessökonomie geschuldet und gesetzlich vorgegeben, kontert Täubl. Und warum stellt man Verfahren mit geringer Verurteilungswahrscheinlichkeit nicht rascher ein? Oft müsse man andere Erhebungen abwarten. Ob etwa Ex-Kanzler Kurz falsch ausgesagt hat, wisse man ja erst, wenn man den „richtigen“ Sachverhalt im zugrunde liegenden Verfahren kenne.

Ist Österreich besonders korrupt? Nein, auch anderswo gebe es viele Verfahren. Die Politik müsse das aushalten: „Auf Wahltermine können wir keine Rücksicht nehmen.“