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Ein Krieg ohne Perspektiven

03.05.2022 • 18:37 Uhr
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Im Krieg stirbt die Wahrheit als erstes, heißt es. Das zweite Opfer wäre dann vermutlich die Menschlichkeit.

Die Absurditäten, die an Meldungen über den Krieg Russlands in der Ukraine täglich über uns hereinprasseln werden nur durch die Grausamkeit der

Im Krieg stirbt die Wahrheit als erstes, heißt es. Das zweite Opfer wäre dann vermutlich die Menschlichkeit. Die Absurditäten, die an Meldungen über den Krieg Russlands in der Ukraine täglich über uns hereinprasseln werden nur durch die Grausamkeit der kolportierten Kriegsverbrechen übertroffen. Während russische Staatsmedien davor warnen, dass „Kampfschwule“ aus dem Baltikum Belarus angreifen würden, behauptet das Außenministerium in Moskau, dass Israel Neonazis in der Ukraine unterstütze. Gleichzeitig fliehen Holocaustüberlebende nach Deutschland oder fallen dem russischen Bombenhagel zum Opfer. Schwangere und Kinder sterben bei Raketenangriffen. Der UN-Generalsekretär trifft Putin in Moskau zu Gesprächen, woraufhin dieser ihn beinahe in Kiew mit Bombardements trifft. Man könnte vor lauter Kopfschütteln einen Tremor bekommen.


Manche verstehen unter Pazifismus, dass man sich gegen einen Angriff nicht zu verteidigen hat. Andere sind dafür, einen Krieg ohne diplomatische Perspektiven zu führen. Am Ende des Tages sitzt Putin, egal wie erfolgreich die ukrainischen Streitkräfte sein mögen, noch immer auf einem Arsenal aus Nuklearwaffen. Welchen Ausweg aus dem Wahnsinn könnte man dem Despoten aber noch bieten, der sich immer weiter ins Abseits stellt? Der wirklich kritische Punkt des Krieges wäre eine Niederlage Russlands mit konventionellen Waffen. Dann gäbe es nur noch drei Optionen, von denen zwei realistisch erscheinen: Entweder Putin gesteht seine Niederlage ein und räumt die Ukraine – was ich beinahe ausschließen würde – oder er wird angesichts des Desasters von seinen eigenen Leuten beseitigt – oder er drückt auf den Knopf. Als immer weiter schrumpfende vierte Möglichkeit bliebe eine Verhandlungslösung. Die würde Russland aber selbst vom Tisch wischen, wenn es, wie von einigen Quellen in den raum gestellt wird, der Ukraine am 9. Mai auch formal den Krieg erklärt.


Was fängt man mit einer Nuklearmacht an, die ihre Generalmobilmachung beschließt, weil sie einen kleineren Nachbarstaat nicht mit ihrem stehenden Heer besiegen kann? Hat Russland überhaupt genug Waffen, um eine Armee aus Wehrpflichtigen auszustatten? Gibt es ausreichend Offiziere, um diese zu führen?
Die russische Führung hinterlässt immer mehr den Eindruck eines in die Ecke gedrängten Tieres, das immer aggressiver agiert, je weniger es noch zu verlieren hat. Unverhohlene Drohungen mit Atomangriffen gehören zum fixen Repertoire der Clowns, die Putin für sich im russischen Staatsfernsehen auftreten lassen. Je unwahrscheinlicher die komplette Niederlage der Ukraine wird, desto absurder werden die Fantasien, die der Öffentlichkeit präsentiert werden. Man fühlt sich an die deutsche Propaganda vom „Siegfrieden“ im ersten Weltkrieg erinnert. Russland wird ihn ebensowenig erreichen wie die Mittelmächte damals. Der konventionelle Krieg in der Ukraine wird irgendwann enden. Was aber danach kommt, bereitet nicht nur der Diplomatie im Westen Kopfzerbrechen.