“Wir stehen rund um die Uhr zur Verfügung”

Vorarlbergs Landespolizeidirektor Hans-Peter Ludescher reflektiert in der NEUE Herausforderungen, Personalsituation und anstehende Projekte der Exekutive.
Kürzlich wurden die Aufnahmekriterien für die Polizeiausbildung nochmals gelockert. Sogar der Sporttest fällt weg. Wie garantiert die Polizei noch ein adäquates Niveau?
Hans-Peter Ludescher: Es ist richtig, der Aufnahmeprozess wurde neugestaltet. So ist der Nachweis der sportlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr bei der Aufnahmeprüfung, sondern erst während der Ausbildung zu erbringen. Dies betrifft beispielsweise die Laufleistung auf Zeit oder die Anzahl von Liegestützen, die zu erbringen sind. Um es mit einem Bild zu verdeutlichen: Es ist das Eingangstor in den Polizeiberuf erweitert worden, die Ausgangstür in den Polizeidienst ist jedoch unverändert geblieben. Erfreulich ist, dass die Anzahl der Bewerbungen wieder steigt und sich jetzt gegenüber den letzten Jahren sogar verdoppelt hat. Die zweijährige Ausbildung wird weiterhin garantieren, dass bestens geschultes Personal für die Sicherheit der Vorarlberger Bevölkerung sorgen wird.

Wie viele Polizeianwärter schlossen heuer ihre Ausbildung ab bzw. traten ihren Dienst an?
Ludescher: Es gab 43 Abschlüsse und 42 Dienstantritte.
Wie viele haben die Ausbildung abgebrochen und welche Gründe gab es dafür?
Ludescher: Die Austrittsrate aus der Grundausbildung ist gegenüber den Vorjahren leicht gestiegen. Die Vielzahl an Angeboten am Arbeitsmarkt erleichtert die Entscheidung, den Arbeitsplatz zu wechseln. In jedem Lehrgang beenden einzelne Schüler die Grundausbildung vorzeitig. Die Gründe dafür sind vielfältig. Manche erbringen die geforderten Leistungen nicht. Andere haben sich die Polizeiarbeit anders vorgestellt.
Wie viele Kündigungen gab es bei „fertigen“ Polizisten? Zeichnet sich ein Hauptgrund für den Austritt ab?
Ludescher: Insgesamt traten im vergangenen Jahr 43 Polizisten aus der Bundespolizei aus. Es werden mit allen Kollegen, die kündigen, „Austrittsgespräche“ geführt. Daraus sind uns anonymisiert die Gründe bekannt. Hauptursache für den Berufswechsel ist die Arbeitszeitgestaltung und hohe Stundenbelastung in Verbindung mit der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit. Einige Mitarbeiter erhielten attraktive Angebote. Weitere Gründe wie zum Beispiel gesundheitliche Belastungen, Beginn eines Studiums oder Selbstständigkeit wurden ebenfalls genannt. Erfreulicherweise kehren auch immer wieder Mitarbeiter zurück. Die Verbundenheit der Bediensteten mit der Bundespolizei ist uns ein besonderes Anliegen. Wir entwickeln laufend Angebote, um von den Mitarbeitern als attraktives Unternehmen wahrgenommen zu werden.
Viele junge Leute legen heutzutage großen Wert auf die Work-Life-Balance. In welchem Maß gibt es diese im Polizeiberuf?
Ludescher: Die Polizei ist eine Einsatzorganisation, die rund um die Uhr zur Verfügung steht. Polizisten müssen auch in der Nacht, an Feiertagen und Wochenenden Dienst verrichten. Wenn es erforderlich ist, auch bei Spontaneinsätzen, die zusätzliche Personalressourcen erfordern. Die Arbeitszeitregelung der Polizei ermöglicht jedoch grundsätzlich eine flexible Dienstplanung, die durchaus im Interesse der Bediensteten erfolgt.
Vielerorts hat sich die Straßenkriminalität im Jahr 2023 gesteigert, wie sieht dies in Vorarlberg aus und welche besonderen Maßnahmen werden ergriffen?
Ludescher: Der Straßenkriminalität wird insbesondere durch höhere Präsenz der Polizei an neuralgischen Punkten entgegengetreten. Die Polizei Vorarlberg verfügt mit der Bereitschaftseinheit über uniformierte Polizeibedienstete, die zur Verhinderung dieser Kriminalitätsform schwerpunktmäßig an sogenannten Hot-Spots unterwegs sind. Sie sind sowohl repressiv als auch präventiv tätig. Auch im Landeskriminalamt ist mit der „Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität – EGS“ eine Einheit eingerichtet, die sich um Straßenkriminalität kümmert. Sobald Seriendelikte erkennbar sind oder kriminelle Organisationen festgestellt werden, setzt das Landeskriminalamt gemeinsam mit den Kriminalpolizisten der Polizeiinspektionen entsprechende Fahndungs- und Ermittlungsmaßnahmen.

Welche Einsätze waren heuer die herausforderndsten?
Ludescher: Im Jahr 2023 gab es eine Vielzahl an polizeilichen Herausforderungen zu bewältigen. Personalintensiv waren die Fußball-Derbys SCR Altach gegen SCA Lustenau, bei denen bis zu 200 Polizisten im Einsatz waren. Auch die Aktionen der Klimaaktivisten forderten die Ressourcen der Vorarlberger Polizei. Insbesondere die stark steigenden Internetbetrugsfälle, die sogenannten Schockanrufe oder die Aufarbeitung des Betrugsfalls „Siemens KHBG“ bereiten den Kollegen der Polizeiinspektionen bzw. des Landeskriminalamts viel Arbeit.
Inwieweit kümmert sich die Landespolizeiinspektion um die Psychohygiene der Polizisten, gibt es besondere Angebote, etwa nach einem traumatisierenden Einsatz?
Ludescher: Wir legen großen Wert auf den Erhalt der psychischen Gesundheit und das Wohl der Mitarbeiter. Ein wesentlicher Bestandteil des Unterstützungspaketes sind verschiedene interne Betreuungsangebote. Dazu gehören die Dienste von Psychologen sowie ein Peer-Support-System, bei dem sich Kollegen gegenseitig unterstützen. Darüber hinaus bieten wir externe, anonyme, professionelle Beratungsleistungen an. Dieses Angebot ist für Polizisten kostenlos. Im Rahmen des Projektes „Betriebliche Gesundheitsförderung“ werden für alle Bediensteten Veranstaltungen im Bereich der gesundheitlichen Prävention angeboten, wie etwa Entspannungsübungen.
Der Dornbirner Bahnhof gilt als einer der Kriminalitäts-Hotspots im Land. Wie hat sich das heuer entwickelt?
Ludescher: Der Begriff „Kriminalitäts-Hotspot“ wird immer wieder im Zusammenhang mit Bahnhöfen verwendet. Die Kriminalstatistik-Auswertungen bestätigen dies jedoch nicht. Bahnhöfe und deren unmittelbare Umgebung sind Orte, an denen sich viele Menschen und unterschiedlichste Gruppierungen aufhalten. Die Sachverhalte zeigen jedoch immer wieder, dass etwa bei Körperverletzungen Beziehungen zwischen Opfer und Täter bestehen. Unbeteiligte Besucher oder Passanten sind davon so gut wie nicht betroffen. Dennoch nehmen wir sehr ernst, dass das subjektive Sicherheitsgefühl an diesen Örtlichkeiten leidet. Regelmäßige Polizeipräsenz in Uniform oder in Zivil, teils mit Diensthunden, sollen dem entgegenwirken.
Worauf sind Sie im Rückblick auf 2023 besonders stolz?
Ludescher: Die tägliche Polizeiarbeit in der Verhinderung und Aufarbeitung aller Kriminalitätsformen ist sehr arbeitsintensiv und eine große Herausforderung für alle Mitarbeiter. Auch im Staatsschutz, im Verkehrsdienst oder im Ordnungsdienst gilt es immer wieder wichtige Aufgaben zu meistern. Im großen Team der Vorarlberger Polizisten arbeiten zu dürfen, macht mich besonders stolz.
Weiterhin wird bestens geschultes Personal für die Sicherheit der Vorarlberger Bevölkerung garantieren.
Hans-Peter Ludescher
Worauf liegt der Fokus im Jahr 2024?
Ludescher: Wichtige Projekte werden die Umsetzung der Kriminaldienstreform und der Staatsschutzreform im Bereich der LPD Vorarlberg werden. Besonders freuen würde mich, wenn das eine oder andere Thema aus dem Landtagsbeschluss „Personalengpass bei der Polizei: Wir verbessern die Arbeitsbedingungen!“ dazu käme.
Was ist das Schöne am Polizeiberuf?
Ludescher: Die abwechslungsreiche, vielfältige Tätigkeit. Diese wird durch verschiedene Berufsbilder abgebildet und gewährleistet – vom Tatortforensiker, Ermittler bis zum Polizeibeamten auf einer Polizeiinspektion oder einer Verkehrsdienststelle. Damit können sich Kollegen nach ihren persönlichen Interessen und Stärken entwickeln. Und natürlich auch die Arbeit mit und im Dienste von Menschen ist das Schöne und Erfüllende.